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Wertingen: War Napoleon in Wertingen - oder ist das gar nicht so wichtig?

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War Napoleon in Wertingen - oder ist das gar nicht so wichtig?

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    Alfred Sigg auf dem Roßberg im Südwesten von Wertingen. Hierher hatten sich österreichische Truppen zurückgezogen. Auf dem Bild oben sind die Überreste der Napoleonstanne zu sehen. Als „vorbildliche Aufarbeitung der Geschichte“ lobt der Schriftsteller und Napoleon-Kenner Thomas Schuler die Gedenkstätte.
    Alfred Sigg auf dem Roßberg im Südwesten von Wertingen. Hierher hatten sich österreichische Truppen zurückgezogen. Auf dem Bild oben sind die Überreste der Napoleonstanne zu sehen. Als „vorbildliche Aufarbeitung der Geschichte“ lobt der Schriftsteller und Napoleon-Kenner Thomas Schuler die Gedenkstätte. Foto: Günter Stauch

    War Napoleon nun am Marktplatz oder oben beim Geißberg? Stieg er wirklich mitten im Ort vom Pferd oder zog stattdessen hoch zu Ross rasch durch, um in Zusmarshausen zu übernachten? Über einen der umtriebigsten wie umstrittensten Herrscher Europas zerbrechen sich Zusamtaler wie Fremde seit Jahren die Köpfe. Geschichtsfans und Napoleonverehrer bemühen sich, hier irgendwo die Spur vom französischen General, Feldherrn, Kaiser, Usurpator oder Diktator aufnehmen zu können. „Solche Details sind nicht so wichtig“, schmettert da Wertingens Stadtarchivar Johannes Mordstein manche historischen Detektiv-Aktivitäten ab. „Ob das genau hier an dieser Stelle stattgefunden hat oder 50 Meter weiter – diese Überlegungen gehören zu einem veralteten Geschichtsbild von großen Persönlichkeiten unserer Zeit“, beklagt der Historiker. Und: „Im Schwäbischen geistern beinahe durch jedes Dorf solche Erzählungen.“

    Das Gefecht von 1805 bedeutete für Wertingen viel Tod und Leid

    Der gebürtige Wertinger mit Jahrgang 1967 hält das für „eine sehr angejahrte Auffassung von Geschichte.“ Statt fragwürdiger, nicht mehr überprüfbarer Details, die es im Zusammenhang mit der berühmten Schlacht zwischen Franzosen und Österreichern zuhauf gibt, lenkt Mordstein den Fokus auf die schlimmen Folgen für die Stadt: „Für die Wertinger bedeutete das Gefecht von 1805 Leid und Schrecken“, heißt es in einem seiner Texte für die prächtige Gedenktafel auf einer Anhöhe bei Gottmannshofen. Mehr als 50 Meter über dem Marktplatz, fällt dort atemraubend nicht nur der weite Ausblick bis tief ins Donautal aus. Auch die dort anwesenden stummen Botschafter aus einer längst vergangenen Zeit verfehlen ihre Wirkung kaum: Informationen darüber finden sich in elegant eingefassten, reich bebilderten Daten aus der Vergangenheit. Dann schieben sich dem Besucher zwei ungleich wirkende Pflanzen vors Auge: Eine davon ragt wie eine Säule in den weiß-blauen Himmel Nordschwabens. Die kleinere scheint für die pulsierende Gegenwart zu stehen, die andere für die Vergänglichkeit der Zeit. Es ist der verbliebene, acht Meter lange Torso einer 1905 gesetzten Fichte. Sie wurde 100 Jahre nach dem international beachteten Gefecht vom damaligen Heimatverein aufgestellt und trug den Namen des scheinbar allmächtigen Franzosen von Europa. Ihr folgte als „Napoleonstanne 2“ eine Küstentanne, die im Oktober 2018 gepflanzt wurde.

    Alfred Sigg auf dem Roßberg im Südwesten von Wertingen. Hierher hatten sich österreichische Truppen zurückgezogen. Auf dem Bild oben sind die Überreste der Napoleonstanne zu sehen. Als „vorbildliche Aufarbeitung der Geschichte“ lobt der Schriftsteller und Napoleon-Kenner Thomas Schuler die Gedenkstätte.
    Alfred Sigg auf dem Roßberg im Südwesten von Wertingen. Hierher hatten sich österreichische Truppen zurückgezogen. Auf dem Bild oben sind die Überreste der Napoleonstanne zu sehen. Als „vorbildliche Aufarbeitung der Geschichte“ lobt der Schriftsteller und Napoleon-Kenner Thomas Schuler die Gedenkstätte.

    Ein höchst beeindruckend gestalteter, weit über die Grenzen der Region hinaus bekannter Standort, der unter Spaziergängern wie wissbegierigen Spurensuchern mittlerweile Kultstatus genießt. Doch Geschichtskenner Mordstein weiß um manche „Unschärfe“ bei der Aufarbeitung der napoleonischen Epoche an der Zusam. Etwa jene, dass ein fünf Tonnen schwerer Mahnstein mit zwei gekreuzten Schwertern, 1935 auf dem Judenberg versenkt, falsch liegt. Der Grund: Man hatte sich mit den Landeignern auf dem gegenüber liegenden Roßberg, einem der tatsächlichen Orte des blutigen Geschehens, nicht einigen können. Oder dass am anderen Ende Wertingens einst positioniertes Fichtenholz jahrzehntelang als Tanne durchging. Als gesichert gelte dagegen, dass die finanziellen Lasten, die die Wertinger tragen mussten, schwerwiegend ausfielen: „Tausende Soldaten und ihre Pferde mussten mit Lebensmitteln versorgt werden und benötigten ein Quartier. Die Stadt musste hierfür hohe Schulden aufnehmen, die erst 30 Jahre später völlig abbezahlt werden konnten.“

    Buchautor: Wertingen engagiert sich vorbildlich für das Gedenken

    Ganz nüchtern nähert sich dem städtischen Gedenken an die Auseinandersetzung tausender Truppen auch Thomas Schuler, Buchautor und bundesweit anerkannter Bonaparte-Experte. „Wie sich Wertingen da engagiert, ist wirklich vorbildlich für alle Kommunen“, schwärmte er einmal. Als der gebürtige Ingolstädter am Ende einer seiner Führungen in Wertingen damit endete, die Anwesenheit des großen Strategen gänzlich in Zweifel zu ziehen, hagelte es beim Publikum Proteste. Schuler damals: „Von Napoleon weiß man, dass er sich am liebsten die eigens geführten Gefechte ansah und nicht die anderer untergebener Generäle“.

    Das Kommando oblag am 8. Oktober 1805 zwei seiner Offiziere. Dass der viel gefragte Schriftsteller Schuler einst bei seinem Freund Alfred Sigg übernachtet hat, ist dagegen verbrieft. Er und der langjährige Wertinger Museumsreferent sowie erfahrene Kommunalpolitiker schätzen sich und teilen ihre Erkenntnisse über den martialischen Austausch, der Wertingen in die Geschichtsbücher katapultierte. Auf einen Aspekt verweist der lebensfrohe und im Ort beliebte Heimatkundler, während er auf dem Roßberg steht: Eine Art Feldherrnhügel in luftiger Höhe von knapp 490 Metern über dem Meeresspiegel, inklusive Panorama-Perspektive. „Hierher hatten sich die Österreicher zurückgezogen in der Hoffnung, die angreifende französische Kavallerie durch das steil ansteigende Gelände ausbremsen zu können“, erklärt der ehemalige Reserveoffizier die gescheiterte Taktik der Besiegten.

    Auch Sigg erinnert wie Kollege Johannes Mordstein an die Konsequenzen des Handelns von Napoleon, der – je nach Sichtweise – als Held oder Kriegstreiber gilt. Sein Einfluss auf die territoriale Neuordnung und etwa beim Aufbau von neuen Verwaltungsstrukturen in Bayern sei enorm gewesen. Alles kein Gerücht.

    Buchtipp: Johannes Willms „Napoleon“, 127 Seiten, 9,95 Euro, C.H.Beck.

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