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Wertingen: So soll der Boden im Zusamtal vor Starkregen geschützt werden

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So soll der Boden im Zusamtal vor Starkregen geschützt werden

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    Eine mögliche Methode ist das „Mulchsaatverfahren“. Zwischen zwei Ernten wird eine Zwischenfrucht gesät, die abstirbt und eine natürliche Schutzschicht bildet.
    Eine mögliche Methode ist das „Mulchsaatverfahren“. Zwischen zwei Ernten wird eine Zwischenfrucht gesät, die abstirbt und eine natürliche Schutzschicht bildet.

    Starkregenereignisse, so glaubt es Lothar Kempfle, werden heute oft nicht mehr richtig benannt. Ein „Jahrhundertregen“ seien Wassermassen, wie sie sich am 6. Juni über das Zusamtal ergossen, wohl schon lange nicht mehr. Außergewöhnlich? Ja. „Aber wir werden uns an den Gedanken gewöhnen müssen, dass vergleichbare

    Das Projekt „Bodenständig“ könnte ein Baustein hin zu einer Anpassung an das Wetter der Zukunft sein. Gestartet wurde es 2015 vom Amt für Ländliche Entwicklung – doch ein Management „von oben“ gibt es nicht. Ziel sei es, gemeinsam mit Grundbesitzern, Landwirten und den Gemeinden Lösungen zu finden, wie die Fluren so umgestaltet werden können, dass möglichst viel Wasser versickert, sich keine reißenden Ströme bilden und möglichst wenig Boden mitgerissen wird.

    Oft wird viel Boden von Hanglagen bei Starkregen ausgeschwemmt

    Denn die Erde, die von Regenereignissen vom Boden ausgeschwemmt wird, ist ein oft unterschätztes Problem. Sie ist in zweierlei Hinsicht schlecht. Erstens für die betroffenen Hausbesitzer, zu denen das Wasser in den Vorgarten oder den Keller schwappt. Ist das Wasser vergleichsweise klar, halten sich die Schäden bei nicht ganz so verheerenden Sturzregen oft noch in Grenzen. Schwappt aber statt halbwegs klarem Wasser eine braune Pampe ans und ins Haus, sind die Schäden anschließend oft schwerer zu beheben.

    Um die Auswirkungen von Starkregenereignissen – die es in Zukunft laut Experten immer häufiger geben wird – möglichst gering zu halten, will die Initiative „Bodenständig“ gemeinsam mit Landwirten und Grundbesitzern Lösungen finden.
    Um die Auswirkungen von Starkregenereignissen – die es in Zukunft laut Experten immer häufiger geben wird – möglichst gering zu halten, will die Initiative „Bodenständig“ gemeinsam mit Landwirten und Grundbesitzern Lösungen finden. Foto: Brigitte Bunk

    Noch wichtiger ist allerdings die fruchtbare Oberflächenschicht der Ackerböden, die durch Starkregen in Gefahr ist, unwiederbringlich fortgespült zu werden. Lothar Kempfle, selbst nebenberuflicher Landwirt, erklärt: „Nur etwa die oberen 30 Zentimeter des Ackerbodens bilden die fruchtbare Schicht. Um zu entstehen, braucht diese ungefähr 2000 Jahre.“ Ist die Oberfläche erst einmal fortgespült, wird es quasi unmöglich, einen Ackerboden wieder nachträglich so fruchtbar zu machen wie zuvor.

    Gerade in diesen Tagen sieht man an den schrecklichen Überflutungen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, welche Herausforderungen im Zuge des Klimawandels vor der ganzen Gesellschaft liegen. Freilich ist es schwer bis unmöglich, ein einzelnes Ereignis direkt auf den Klimawandel zurückzuführen. Und Hochwasser und Starkregen sind ebenfalls zwei unterschiedliche Dinge. Fest steht aber: Extremwetterereignisse, insbesondere ausgedehnte Hitzewellen und Starkregen, werden deutlich zunehmen. Hauptgrund dafür ist der sich abschwächende Jetstream – vereinfacht ausgedrückt das System, das die Wetterlagen „durchmischt“, also für einen gesunden Wechsel an Sonnenschein und Regen sorgt. Ein sich abschwächender Jetstream bedeutet, dass sich Wolken weniger bewegen und damit mehr Regen auf ein kleineres Gebiet fällt. So geschehen am 6. Juni in Wertingen: Während der Rest des Landkreises weitgehend verschont blieb, fielen in der Zusamstadt in der Stunde 70 Liter pro Quadratmeter.

    Das Projekt Bodenständig will innovative Lösungen vor Ort finden

    Soweit die komplizierte Ausgangslage. Doch was geschieht nun konkret bei Bodenständig? Bernhard Bacherle vom Amt für Ländliche Entwicklung erklärt den bisherigen Verlauf. Insgesamt gibt es in Schwaben acht Projektgebiete – von 2018 bis 2020 auch zwei in Wertingen, eines in Roggden, eines in Hohenreichen. Da nun nicht einfach irgendwelche Maßnahmen diktiert werden können, bestand ein großer Teil der Arbeit darin, ein Problembewusstsein zu erzeugen, sagt

    Hanglagen funktionieren bei Regenfällen als Beschleuniger für das Wasser. Deshalb ist beispielsweise ein Feldweg nördlich von Roggden problematisch, der das Wasser am Abfließen hindert, bündelt und dann Richtung Dorfzentrum leitet. An derartigen Strukturen könne angesetzt werden, sagt Bacherle.

    In Hohenreichen war die Bereitschaft für Veränderungen bei den Landwirten größer. Entstanden sind konkrete Planungsansätze, wie die Umgebung „regenbeständiger“ gemacht werden kann. Ein Feldweg soll hier angehoben werden, damit er nicht als Beschleuniger für das Regenwasser wirkt, sondern eine Art natürlichen Damm bildet.

    Gegen Starkregen müssen viele Maßnahmen zusammenwirken

    Eine einzelne Maßnahme werde allerdings keinen durchschlagenden Effekt haben, sagt Lothar Kempfle. Es brauche ein Zusammenspiel vieler verschiedener einzelner Maßnahmen. Gerade an den Ackerflächen gebe es viel Potenzial zur Anpassung an das künftige Wetter. Etwa durch das Verfahren der Mulchsaat. Hier wird auf einem Feld zwischen zwei Ernten eine Zwischenfrucht gesät und nicht geerntet. Es eignet sich etwa eine Mischung aus Klee, Senf, Sonnenblumen und weiteren Pflanzen, die allesamt nicht winterfest sind. Kommt die Kälte, sterben die Pflanzen ab und bilden eine natürliche Schutzschicht am Boden. In diese Schicht kann dann einfach hineingesät werden – spezielles Gerät vorausgesetzt. Der Boden wird bei der Saat quasi aufgeschnitten, die Samen fallen hinein und der Spalt schließt sich beim Darüberfahren automatisch wieder. Probeläufe seien in Roggden und Hohenreichen vielversprechend gelaufen, sagt Kempfle. Aber: „Leider hat es sich bislang nicht in der Praxis etabliert.“

    Ein weiterer möglicher Ansatz sei die Unterteilung einzelner Äcker durch Hecken- oder Baumstreifen, sagt Bacherle. Diese könnten als natürliche Bremsen für abrutschende Erdmassen wirken.

    Oder so etwas: Grünstreifen mit Bäumen oder Hecken, welche die Äcker unterteilen und als natürliche Bremsen fungieren.
    Oder so etwas: Grünstreifen mit Bäumen oder Hecken, welche die Äcker unterteilen und als natürliche Bremsen fungieren. Foto: Brigitte Bunk

    Doch zunächst brauche es den Willen der Grundstückbesitzer und Landwirte, Maßnahmen auszutesten und umzusetzen. In Roggden und Hohenreichen sind die Projekte ausgelaufen. Jetzt hoffen Bacherle und Kempfle darauf, dass von dort – und aus anderen Teilen des Landkreises – wieder Interesse bekundet wird, das Projekt „Bodenständig“ fortzuführen. „Wenn das Interesse da ist, können wir es formal wieder in die Wege leiten“, sagt Bacherle. Das Potenzial für Verbesserung sei an vielen Stellen vorhanden. \u0009"Kommentar

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