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Wertingen: Sie war das Gesicht der Hauswirtschaft

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Sie war das Gesicht der Hauswirtschaft

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    Adelinde Bschorr will sich künftig um ihre sechs Enkel kümmern. Auf dem Bild ihr jüngstes Enkelkind, der sieben Monate alte Manuel.
    Adelinde Bschorr will sich künftig um ihre sechs Enkel kümmern. Auf dem Bild ihr jüngstes Enkelkind, der sieben Monate alte Manuel. Foto: Bärbel Schoen

    Oft wurde sie in den vergangenen zwei Jahrzehnten von Medien um Tipps gebeten, wenn es um hauswirtschaftliche Themen ging. „Frau Bschorr, wie putzt man Fenster, damit sie keine Schlieren bekommen? Frau Bschorr, was machen Sie jetzt mit den vielen Erdbeeren? Frau Bschorr, wie gelingt ein Hefeteig am besten? Frau Bschorr, wie verhindere ich Motten im Kleiderschrank?“

    Adelinde Bschorr lacht beim Durchblättern ihrer Ordner, in denen sie jeden Zeitungsbericht chronologisch abgeheftet hat: „Ich stand immer an vorderster Front.“ Schon in der Schule war das so. Die Macherin, die aus Geratshofen stammt und auf einem Bauernhof aufwuchs, wurde schnell zur Klassensprecherin ernannt. Und auch im späteren Leben wollte sie mitgestalten. Sie engagierte sich in Kindergarten und Schule, im Elternbeirat, sie war Ortsbäuerin in Wengen, wurde Pfarrgemeinderätin und zuletzt zur Gemeinderätin in ihrem Wohnort gewählt. Stolz sei sie bis heute darauf, die kostenträchtige Umgehungsstraße von Villenbach nach Hausen mitverhindert zu haben, indem sie Politikern die Leviten gelesen hat und eine Kosten-Nutzen-Rechnung aufmachte. „Da waren meine sechs Jahre nicht umsonst.“

    Adelinde Bschorr war Ortsbäuerin in Wertingen

    So mancher Bank- und Finanzmanager könnte von ihr das richtige Haushalten lernen. Denn das, wofür die Hauswirtschaftsmeisterin steht, ist ein ganzheitlicher Lebensstil, der nachhaltig ist und Ressourcen spart. Hauswirtschaft aufs Putzen und Kochen zu reduzieren, wäre ein großer Fehler. Heute spricht man von Alltagskompetenzen, die man zum Führen eines Haushalts braucht. Neben dem Wissen um eine gesunde und ausgewogene Ernährung, die Herkunft und Qualität der Lebensmittel, geht es heute gerade auch um Fragen der Umweltbildung und des sparsamen Verbrauchs von Ressourcen sowie um Sozialkompetenz. Eng verknüpft seien damit die Themen Geld und Verschuldung der Privathaushalte.

    „Die Grundlage allen Wirtschaftens ist der eigene Haushalt“, sagt Bschorr und ergänzt mit einem alten Sprichwort: „Hat der Privathaushalt und der Bauer Geld, hat das ganze Land Geld.“ Durch fundiertes Wissen und überlegtes Handeln könne jeder Einzelne einen wertvollen Beitrag zu einem nachhaltigen Lebensstil leisten. Ob bei der Vermeidung von Lebensmittelabfällen, dem Konsum von saisonalem Obst und Gemüse aus der Region oder einem verantwortungsvollen Einkaufsverhalten.

    Vor 20 Jahren gründete Adelinde Bschorr zusammen mit sechs weiteren Frauen den „Hauswirtschaftlichen Fachservice“ im Landkreis Dillingen, der vom Bayerischen Staatsministerium angeregt worden war. Überall im Land entstanden damals solche Vereine. Ursprünglich sollte damit den gut ausgebildeten Bäuerinnen ein schönes Zusatzeinkommen ermöglicht werden.

    Der Hauswirtschaftsservice leistete 7000 Einsatzstunden ab

    Im vergangenen Jahr leisteten die Dillinger HWF-Frauen rund 7000 Einsatzstunden ab. Ein Jahr zuvor waren es 4600 Stunden. Tendenz steigend. Die hauswirtschaftlichen Dienstleistungen werden immer mehr nachgefragt. Und seit die selbstständigen Unternehmerinnen neben der sogenannten Alltagsbegleitung auch Demenzkranke begleiten und mit der Pflegekasse abrechnen können, fragen immer mehr Senioren beim HWF an. 2030 wird der Bevölkerungsanteil der Senioren bei 40 Prozent liegen. Viele brauchen Unterstützung, wenn sie solange wie möglich zu Hause leben wollen. Ein wachsender Dienstleistungsmarkt.

    Das ganze Know-how ist wichtig, wenn die Fachfrauen zu Familien kommen und dort aushelfen, weil zum Beispiel die Mutter erkrankt ist. Nähere Details von dem, was Adelinde Bschorr manchmal vorfand, verrät sie nicht. „Wir unterliegen der Schweigepflicht.“ In den Familien werde die Professionalität der HWF-Frauen immer sofort erkannt. „Die Leute merken sehr schnell den Unterschied. Die Handgriffe sitzen, die Arbeiten sind schnell erledigt und zeigen ein gutes Ergebnis. Es geht einem leichter von der Hand, wenn man es gelernt hat“, so Bschorr.

    Manchmal muss sich die scheidende HWF-Vorsitzende die Haare raufen, wenn zum Beispiel im Fernsehen der Starkoch mit dem Holzkochlöffel im heißen Fett rührt. „Aus hygienischen Gründen geht das gar nicht“, schilt sie.

    Kann Putzen Spaß machen? „Mich dürfen Sie das nicht fragen“, lacht die 69-Jährige. Ihren eigenen Haushalt hält sie mit Freude in Schuss. Am Ende des Gesprächs zieht sie eine Möhren-Quiche aus dem Ofen. Diese hatte sie am Morgen vorbereitet.

    Am 4. März stehen im HWF Neuwahlen an. Adelinde Bschorr, die langjährige Vorsitzende des Vereins, tritt nicht mehr an.

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