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Wertingen: Sie packen’s gemeinsam an

Wertingen

Sie packen’s gemeinsam an

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    Für das gemeinsame Frühstück nach dem Morgengebet durchbricht Pfarrer Rupert Ostermayer allwöchentlich sein derzeitiges 16:8-Fasten. Ein Frühaufsteher ist er nicht wirklich. Umso mehr schätzt er die vielen Menschen, die kommen.
    Für das gemeinsame Frühstück nach dem Morgengebet durchbricht Pfarrer Rupert Ostermayer allwöchentlich sein derzeitiges 16:8-Fasten. Ein Frühaufsteher ist er nicht wirklich. Umso mehr schätzt er die vielen Menschen, die kommen.

    „Wenn du die Richtung bestimmst, dann mach ich mit“, sagt Markus Kratzer, packt die eine Seite des Tisches und wartet auf die Ansage von Wertingens Stadtpfarrer Rupert Ostermayer. An diesem Morgen haben sie die Rollen getauscht. Beim frühmorgendlichen Gebet im Wertinger Pfarrheim weiß klar der Pfarrer wo’s lang geht. Coach Kratzer lässt sich interessiert darauf ein, was kommt. Nachdem sich die beiden ehemaligen Klassenkameraden am Aschermittwoch erstmals getroffen hatten, kam Markus Kratzer spontan am nächsten Tag gleich um 6 Uhr aus Biberbach zum Morgengebet – und das seitdem Woche für Woche. Das „Losgehen“ sieht der 50-Jährige als wichtigsten Schritt. Ob jemanden ein anziehendes Ziel dazu bewegt oder irgendein „Schubs“, sei egal.

    Irgendeinen „Schubs“ scheint auch Pfarrer Ostermayer bekommen zu haben. „Die vergangenen drei Wochen haben etwas verändert“, erzählt er offen. Tags zuvor hatte er sich spontan auf sein Fahrrad geschwungen und war zum 80. Geburtstag nach Geratshofen geradelt. Wenn er privat telefoniert, stellt er sich mittlerweile auf seine Minigymnastikmatte – Kratzer hatte sie ihm wie versprochen gleich nach dem vorigen Gespräch gebracht – und übt sich in Balance. Und wenn er am Schreibtisch merkt, dass ihm das Denken schwer fällt, hüpft der Pfarrer ein wenig auf dem Trampolin. „So schüttelt’s auch meinen Rücken durch“, freut er sich – auch darüber, dass dies alles leicht in seinen Alltag zu integrieren ist. „Ich halte tatsächlich bewusster Ausschau nach Bewegungsmöglichkeiten“, staunt er über sich selbst. Noch zögert der kräftig gebaute Pfarrer, das Wort „Leichtigkeit“ in den Mund zu nehmen. Jedenfalls könne er über große Strecken leichter arbeiten. Sein Gürtel lässt sich deutlich enger schnallen. Problemlos kann er seine Knie beugen. „Das Leben fühlt sich leichter an“, fasst er heiter zusammen.

    „Durch das Fasten des Leibes erhebst du den Geist“, rezitiert der Pfarrer aus einer der Fasten Präfationen (Vorgebete). Parallel zur Bewegung hält er sich nach wie vor an die selbst vorgegebene 16:8-Regelung während der Fastenzeit – acht Stunden Essen, 16 Stunden Fasten. Gegen Mittag fängt der Pfarrer gewöhnlich erst mit dem Essen an.

    An diesem Morgen allerdings frühstückt er mit Genuss am Ende des Morgengebets. Draußen war es noch dunkel, als die rund 30 Frauen und Männer sich im Kreis singend auf die Andacht einstimmten: „Menschen auf dem Weg durch die dunkle Nacht, habt Vertrauen, der Tag bricht an.“ Abwechselnd lesen sie Verse eines Psalms, wiederholen bewusst noch einmal die Zeilen, die sie besonders ansprechen, setzen sich mit einem Ausschnitt des diesjährigen Hungertuchs auseinander und singen erneut: „Alle meine Quellen entspringen in dir...“

    Ganz selbstverständlich hat sich Markus Kratzer in die Wertinger Glaubensgemeinschaft eingefügt. Der Biberbacher Coach schätzt das „scheinbare Nichtstun“ am frühen Morgen. Als Schwabe habe er sich das „schaffe, schaffe“ eingeprägt. „Wer viel macht ist ein Guter in unserer Gesellschaft“, reflektiert der sportliche Coach. Nur atmen, die Gedanken laufen lassen, nach dem Aufstehen nochmals vorsätzlich in Ruhe gehen, das alles lernt er als etwas Neues kennen und schätzen. „Dein Sport ist für mich schwierig und meine Ruhe für dich“, macht Ostermayer aufmerksam. Gegensätze anzunehmen und gleichzeitig Neues kennenzulernen empfinden beide als erfrischend und weitend.

    Wann bleibe im Alltag schon die Zeit hinzuspüren, was man wirklich wolle. Die beiden ehemaligen Schulkameraden bleiben an diesem Morgen – nach Gebet und Frühstück – noch eine ganze Weile sitzen. Bei einigen Tassen Kräutertee tauschen sie sehr persönliche Erfahrungen aus. Beide Männer mussten sich vor rund drei Jahren endgültig von ihren Müttern verabschieden, hatten davor die eigene Verbundenheit mit ihr nochmals intensiv gespürt. Ebenso den Schmerz und die Freiheit nach dem Tod. „Reden ist das eine, erleben das andere“ – persönliche Erfahrungen stärken das Mitgefühl von Coach und Pfarrer, sind sie sich einig. „Ströme von lebendigem Wasser brechen hervor“, hatten sie noch vor einer Stunde gemeinsam gesungen.

    Das Sterben ermöglicht neues Leben – was sich die Christen im Hinblick auf Ostern immer wieder klar machen, zeigt derzeit intensiv die Natur. Ostermayer: „Tag und Licht nehmen zu, der Schnee verschwindet, die ersten Blümchen kommen raus.“ Gerade zwei Wochen ist es her, dass er mit Walking Stöcken und „seinem“ Coach durch tiefen Schnee gestapft war.

    Große Aktionen für die er sich ausrüsten und eigene Zeitfenster einplanen muss, wehrt der Pfarrer auf Dauer ab. Beim Blick aus dem Fenster – mittlerweile scheint die Sonne – entscheidet sich Rupert Ostermayer dennoch ganz spontan für ein nächstes Treffen in freier Natur in der kommenden Woche. Wie es wohin geht, wird sich wie immer zeigen....

    Begegnungen haben Wertingens Stadtpfarrer Rupert Ostermayer und Personal-Coach Markus Kratzer während der Fastenzeit einmal pro Woche vereinbart. Unsere Zeitung begleitet sie dabei.

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