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Wertingen-Rieblingen: Schädlinge bringen Eichen in Rieblingen zu Fall

Wertingen-Rieblingen

Schädlinge bringen Eichen in Rieblingen zu Fall

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     Umweltreferent Ludwig Klingler (rechts) und Betriebshofleiter Johannes Deisenhofer begutachten die betroffenen 26 Eichenbäume. Beide wollen mit der Fällung auf Nummer „sicher“ gehen.
     Umweltreferent Ludwig Klingler (rechts) und Betriebshofleiter Johannes Deisenhofer begutachten die betroffenen 26 Eichenbäume. Beide wollen mit der Fällung auf Nummer „sicher“ gehen.

    „Muss man denn gleich die Axt ansetzen?“, fragt sich derzeit Alexandra Fiebig. Die Rieblingerin entdeckte am vergangenen Freitag bei einem Spaziergang viele rote und gelbe Markierungen an Bäumen, die an der Ortsverbindungsstraße nach Neuscheunau stehen. Ein Anruf beim Umweltreferenten der Stadt Wertingen, Ludwig Klingler, brachte der Naturschützerin Gewissheit. Die gekennzeichneten Bäume sollen alle gefällt werden. Bei den 26 betroffenen Bäumen handelt es sich ausschließlich um Eichen, die vom Eichenprozessionsspinner befallen sind. An einigen Bäumen sind die Nester des Schädlings gut erkennbar. Manche reichen bis auf einen Meter über dem Boden

    „Mir blutet selbst das Herz“, sagt Grünen-Stadtrat Ludwig Klingler, der in seiner Funktion als Umweltreferent in den letzten Jahren immer öfter Baumfällungen anordnen muss. Die Hilferufe von Bewohnern, die alte Eichenbäume im Garten stehen haben, nahmen in letzter Zeit zu. Im vergangenen Oktober genehmigte Klingler einem Hirschbacher die Fällung seiner alten Eiche. Und auch in Hohenreichen musste ein Baum sein Leben lassen, weil er vom Schädling befallen war.

    Die Stadt muss Gefährungen ausschließen

    Die Stadt müsse Gefährdungen ausschließen, sie hat die sogenannte Verkehrssicherungspflicht, begründet Klingler seine Entscheidungen. Wie im Fall der Rieblinger Eichen. Wegen der Nähe zum Wohngebiet seien die vom Eichenprozessionsspinner befallenen Bäume nicht mehr zumutbar. Hier hatte eine Familie im vergangenen Jahr über gesundheitliche Probleme geklagt. Der Grund seien offenbar Raupenhärchen des Spinners gewesen. Diese sollen Hautreizungen und Asthmaanfälle ausgelöst haben.

    Für Alexandra Fiebig zählen solche Argumente nur bedingt. Sie befürchtet, dass unter dem „Deckmäntelchen“ der Raupe zu schnell zur Axt gegriffen werde. „Dann müssten ja auch alle Birken und Haselbäume umgemacht werden, weil sie Allergien auslösen können.“ Um ihren Unmut über die Abholzaktion deutlich zu machen, hatte die Mutter von zwei Kindern am Montagabend alle 26 Bäume mit Plakaten versehen: „26 Eichen wollen nicht dem Spinner weichen.“ Doch am nächsten Morgen waren alle Schilder verschwunden. Im Dorf ist man offenbar geteilter Meinung. Manche wollen die Eichen retten, wie Fiebig. Andere sehen eher die Gefahren, die von den alten Bäumen ausgehen.

    Ludwig Klingler kennt derartige Auseinandersetzungen: „Ich muss mich derzeit viel prügeln lassen“, erinnert er an die kürzlich erfolgte Fällung der Napoleonstanne. In Rieblingen könne von Kahlschlag keine Rede sein. Auf einer Länge von etwa 500 Metern bleiben viele Bäume erhalten. Im dichten Unterholz könnten sich Tiere ansiedeln und Nahrung finden. „Hier habe ich wirklich kein schlechtes Gewissen“, sagt Klingler. Außerdem seien Nachpflanzungen mit Wildkirschen geplant.

    Die Untere Naturschutzbehörde beim Landratsamt in Dillingen war in die Entscheidung nicht mit eingebunden. Trotzdem hält man die Abholzaktion in Rieblingen für „noch vertretbar“. Christa Marx gegenüber unserer Zeitung: „Die Bäume stehen nicht in einem besonders geschützten Gebiet.“ Weil der Heckencharakter nach dem Fällen der 26 Eichen bestehen bleibt, hat auch die Leiterin der Behörde nachträglich nichts dagegen einzuwenden.

    Die Kommunen werden alleine gelassen

    Anders beurteilt die Kreisrätin Heidi Terpoorten den Eingriff in die Natur: „Wir brauchen andere Lösungen,“ fordert sie ein Umdenken. Die Grünen-Abgeordnete aus Binswangen kritisiert, dass Kommunen mit dem Schädlingsbefall und den Kosten allein gelassen würden. „Ich kann das Dilemma nachvollziehen.“ Eine jährliche Vergiftung tötet nicht nur den Eichenprozessionsspinner, sondern alle Schmetterlinge, Heuschrecken und andere Insekten. Dies wiederum führt zum Verschwinden der natürlichen Feinde wie der Kohlmeise oder Fledermäusen, die nach dem Gifteinsatz mangels Insekten verhungern.

    Das gesundheitliche Problem werde völlig überschätzt, heißt es beim Bund Naturschutz. Verglichen mit Gefahren des täglichen Lebens sei der Eichenprozessionsspinner ein eher geringes Übel. Statistiken zu allergischen Schocks und ernsten Gesundheitsgefahren durch die Brennhaare gebe es bisher nicht.

    „Wir werden in Zukunft mit dem Eichenprozessionsspinner leben müssen“, konstatiert Johann Stuhlenmiller, Geschäftsführer der Forstbetriebsgemeinschaft in Dillingen. Der Schädling sei nicht neu für die Waldbesitzer. „Er war immer schon da. Allerdings nicht in dieser Ausbreitung.“ Mit den Raupen des Schädlings sei nicht zu spaßen, warnt Stuhlenmiller. „Ich kenne Arbeiter, die mit der Raupe in Berührung kamen. Das ist nicht lustig.“ Schlimm sei, dass die Brennhaare mehrere Jahre allergen sind. Trotzdem sollte man nicht in Panik verfallen. Der Landkreis Dillingen verzeichne viele Eichenbestände - entlang der Donau, im Donauried, an Waldrändern und in Hecken. Stuhlenmiller vergleicht die Situation gern mit dem giftigen Fliegenpilz: „Wir müssen unsere Kinder frühzeitig über die Gefahren aufklären.“ An prekären Stellen wie in Kindergärten oder an Wanderwegen rät der Experte ebenfalls zur Fällung.

    Die Menschen müssten keine Angst vor den kleinen Raupen haben, aber ihnen mit Respekt begegnen und sich entsprechend verhalten. Johannes Deisenhofer, Leiter des Wertinger Betriebshofs, ist für die sachgerechte Fällung und die Beseitigung des Holzes verantwortlich. Der größte Teil soll zu Hackschnitzeln verarbeitet werden.

    Lesen Sie weitere Informationen und einen Kommentar über den Eichenprozessionsspinner: Eichenprozessionsspinner: Im Frühjahr droht die nächste Invasion Die Natur und ihre Gefahren

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