Ab Samstag beginnt die Testphase für die Verkehrsberuhigung des Wertinger Marktplatzes. Nach einer langen und emotionalen Diskussion im Stadtrat und einem weiteren Treffen in Form eines Arbeitskreises wurde von Stadtverwaltung, Anwohnern und Stadträten ein Kompromiss erarbeitet, der die Schließung des Stadtzentrums für motorisierte Fahrzeuge jeweils samstags und sonntags zwischen 14 und 23 Uhr vorsieht. Die Sperrung gilt also für alle Fahrzeuge, die nicht den Anwohnern gehören, Linienbusse oder Traktoren sind. So verkünden es die riesigen Schilderkonstruktionen, die aus vier einzelnen Teilen bestehen. „Hoffentlich verstehen das die Autofahrer auch“, sagt Betriebshofschef Johannes Deisenhofer.
Die Zweifel sind berechtigt, denn die Verkehrsberuhigung am Marktplatz beinhaltet auch den Wegfall eines Parkplatzes, und in eben diesem Gebiet parkt immer noch ein Auto, während Deisenhofer gemeinsam mit Betriebshofsschreiner Andreas Kraus eine Bank anbringt. Fünf der halbmondförmigen Sitzgelegenheiten aus Lärchenholz – handgefertigte Produkte aus dem Betriebshof selbst – werden an den Eisengittern der Bäume befestigt, um Spaziergängern und Eis essenden Familien schöne Sitzgelegenheiten zu bieten.
Autos dürfen an Teilen des Wochenendes nicht mehr über den Marktplatz
Der Marktplatz soll wieder ein Ort zum Verweilen werden, nicht mehr nur ein Ort des schnellen Einkaufs. So stellt es sich die Wertinger Stadträtin Hertha Stauch von den Grünen vor. In einer emotionalen Rede im Stadtrat im Juni, in der sie ihren Ärger über die derzeitige Situation zum Ausdruck brachte (wir berichteten). Zu einer Abstimmung über den Antrag der Grünen, der eine durchgehende Sperrung des Marktplatzes zwischen 12 Uhr samstags und 24 Uhr sonntags vorgesehen hätte, kam es nicht, da sie den bittenden Worten von Bürgermeister Willy Lehmeier nachkamen und den Antrag zurückzogen.
Stattdessen wurde ein 14- köpfiger Arbeitskreis gebildet. Dieser handelte den Kompromiss aus, dass der motorisierte Verkehr samstags erst um 14 Uhr ruhen soll – mit dem erklärten Ziel, negative Folgen für die Geschäfte am Marktplatz zu verhindern. Warum allerdings dann nicht durchgehend auch Sonntagvormittag gesperrt ist, das leuchtet Hertha Stauch nicht ein. „Das hätten wir als Grüne gerne anders gehabt“, sagt sie. Trotzdem ist sie froh, dass die Testphase nun losgeht. Sie hofft, dass dem Marktplatz damit nun noch mehr Leben eingehaucht wird.
Kompromisse waren nötig, denn die Wertinger Wirtschaftsvereinigung (WV) steht dem ganzen Vorhaben äußerst kritisch gegenüber. „Wir finden diese Maßnahme zum jetzigen Zeitpunkt falsch, weil sie nichts bringt“, sagt der Wertinger WV-Vorsitzende und CSU-Stadtrat Hans Moraw. Der offizielle Anlass der Grünen für den Vorstoß war der geplante Bau eines modernen Fachwerkhauses der Firma Reitenberger am Thürheimer Tor. Doch solange dort noch nichts gebaut worden sei, könne es keinen wirklichen Erkenntnisgewinn geben, findet Moraw. Und außerdem hätte man seiner Ansicht nach den Start der zeitweisen Marktplatzberuhigung mit einem Event verbinden sollen.
Es hat sich noch ein Gesprächskreis zur Wertinger Verkehrssituation gebildet
Neben Sitzgelegenheiten werden auch Abstellplätze für Fahrräder geschaffen. Dafür haben die Mitarbeiter des Betriebshofes schon die Blumentröge am Marienbrunnen verschoben. In den nun frei gewordenen Flächen könnten jetzt bis zu 20 Fahrräder mehr Platz haben, wenn sie vernünftig abgestellt sind, schätzt Johannes Deisenhofer. Die Stellplätze sind aus Sicht vieler Stadträte dringend notwendig, denn derzeit parkten manche Fahrradfahrer ihre Drahtesel in den Einfahrten der Geschäfte, obwohl das eigentlich gar nicht erlaubt ist.
Die Hinführung zum Marktplatz, gerade für Fahrradfahrer, müsste unbedingt verbessert werden, findet Hans Moraw. Er freut sich deshalb über einen weiteren Gesprächskreis, der vor rund drei Wochen sein erstes Treffen hatte. Initiiert wurde er vom Inklusionsreferenten Jens Baur und SPD-Mann Bernd Kneuse. Laut Jens Baur sind Vertreter „fast aller Parteien“ beteiligt, aber auch parteilose Bürger. Die Wertinger Verkehrssituation werde dort ganzheitlich besprochen, auch angelehnt an das Verkehrskonzept der SPD, das diese schon vor Jahren ausgearbeitet hatte.
Stadtverwaltung, Betriebshof, Polizei und die Parteien werden das Geschehen in der ab morgen anlaufenden Testphase genau beobachten – wie gut die neue Situation bei den Bürgern ankommt, wie sich diese an die Regelungen halten und welche Probleme und Verbesserungsmöglichkeiten sich ergeben. Sicher ist: Die Erkenntnisse dürften in den Gesprächsrunden intensiv diskutiert werden.
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