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Wertingen: Kunst mit dem Blick der Frau

Wertingen

Kunst mit dem Blick der Frau

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    „Rückblick“ heißt dieses Werk von Alzbeta Müller.
    „Rückblick“ heißt dieses Werk von Alzbeta Müller. Foto: Birgit Hassan

    Eine Frau von hinten. Rotes anliegendes Kleid, die feinen Träger liegen locker auf den Schultern. Mit einer hellroten Bürste kämmt sie ihr dunkles langes Haar, flicht es zu einem Zopf, klemmt ein Stück Draht darum – und – durchtrennt den geflochtenen eingezwängten Zopf Stück für Stück mit einer großen Schere. – Ist es der Anfang, die Mitte oder das Ende? Der Film auf dem in vergoldetem Holz gerahmten Handy im Treppenhaus des Wertinger Schlosses läuft weiter und weiter. Während der gedrahtete Zopf blutige Spuren auf dem Rücken hinterlässt, gleitet eine Wortflut über den kleinen Bildschirm: schüchtern, reizend, gläubig, demütig, zweifelnd, neugierig, abhängig, sanft, blond, verliebt, erfolgreich, begabt, mutig.

    Patricia Linke aus München nennt ihr Kunstwerk „Befreiungsschlag“. Sie widmet sich seit vielen Jahren in konzeptuellen Werken der deutschen Befindlichkeit. „Eine Position gegen die tradierten Rollenklischees“, so Dr. Sabine Heilig. Die hatte vor knapp drei Wochen die diesjährige Ausstellung „Kunst im Schloss“ eröffnet. Eine Ausstellung, die sich durch eine Vielzahl an Künstlern, Werken und Themen auszeichnet. Allesamt fokussieren sie sich auf ein Thema: „gegenwART“ – die Kunst der Gegenwart und gleichermaßen die Gegenwart in der Kunst. Zu ihr gehört der „Totentanz“ der Wälder (Dietmar und Ralf Kempf) ebenso wie eine grundsätzliche „Vergänglichkeit“ (Marianne Ranftl) und die faszinierende Natur: Gewaltige Steinformationen füllen auf zwei riesigen Leinwänden eine ganze Seite des Festsaales im Wertinger Schloss (Hartmut Pfeuffer). Mindestens ebenso beeindruckend windet sich die „Mythologie der Blumen“ farbintensiv mehrere Meter zwischen den Treppen des Alten Amtsgerichts hoch (Bahaiden). Die mehrere Meter hohe Leinwand scheint wie geschaffen für den Aufgang zur städtischen Galerie.

    Fotografien und Schreibmaschinen-Zeichnungen, schwarz-weiß und knallig bunt, Porzellan und Ton, Acryl und Öl, Leinwand und Papier – riesige, winzige und normale Formate. Es ist die Vielfalt, die diese Ausstellung ausmacht. Eine Vielfalt, die unsere Gegenwart widerspiegelt. Und die Menschen, die in ihr leben. Während „Herr T.“ mit rot-weiß gestreifter Krawatte am Trapez von der Decke hängt – angestrengter Gesichtsausdruck, Arme und Beine durchgestreckt, – sitzen „Frau N.“ und „Herr J.“ ein Stockwerk tiefer neben einem Schwung anderer „Leute“ mit gekreuzten Beinen auf ihren Hochstühlen. Birgit Feil hat sie allesamt kreiert, verschiedene Persönlichkeitsstrukturen bis ins Detail herausgearbeitet, die sich in den Körpern der Plastiken aus Acrystal abzeichnen.

    Und immer wieder fällt der Blick bei dieser Ausstellung auf die Frau und das Weibliche. Ob es an der weiblichen Betrachterin liegt, sei dahingestellt. Schließlich begegnen wir beim Betrachten der Werke stets unseren eigenen Vorstellungen und inneren Bildern. So präsentiert sich die „Liegende“ aus Pappel- und Lindenholz, mit grün gemaltem Unterkleid, an prägnanter Stelle. Rote Lippen und Backen, üppige Brüste und Hüften – so liegt und zeigt sie sich, seitlich aufgestützt, auf einem Podest. Wie eine Miniatur wirkt im Vergleich ihre weibliche stehende Kollegin gleich hinter hier. Cornelia Brader hat die beiden Holzfiguren geschaffen, denen jeweils eine gewisse Traurigkeit anhaftet. Was steckt hinter dieser Traurigkeit, was hinter jedem einzelnen Kunstwerk? Manchmal sind es Augenblicke, ein anderes Mal Monate, Jahre oder ein ganzes Leben, was die Künstler eingefangen haben. Sie zeigen den Moment auf, in dem sie geschaffen wurden und ebenso die Zeit, in der sie entstanden sind.

    Und wenn dabei ein „Rückblick“, wie der von Alzbeta Müller entsteht, dann geschieht auch dieser aus dem jetzigen Moment – gegenwART.

    „Kunst im Schloss“ ist noch bis einschließlich Sonntag, 4. November, im Wertinger Schloss und der danebenliegenden städtischen Galerie (ehemaliges Amtsgericht) zu besichtigen. Rund 135 Werke von 48 Künstlerinnen und Künstlern sind in der Ausstellung zu finden, wobei die Frauen dieses Jahr überwiegen. Die Öffnungszeiten sind Montag bis Freitag von 8 bis 12 Uhr, zudem Montag bis Donnerstag 14 bis 17 Uhr und am Sonntag von 14 bis 17 Uhr. An Allerheiligen bleibt die Ausstellung geschlossen.

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