Ein Lastkraftwagen hat nicht gereicht für das, was Max Schiereis und seine Mitstreiter für den Possenrieder Franziskushof dabei haben. 36 riesige Ballen mit Heu, jeweils rund 400 Kilogramm schwer, haben sie im Gepäck, und dafür brauchte es zwei große Transporter. Peter Rotter und Helfer des Gnadenhofs erwarten sie schon an diesem trüben Tag im Dezember. Trotz der in diesen Zeiten üblichen Distanz ist es ein herzliches Aufeinandertreffen. „Das ist einfach super, was ihr gemacht habt“, sagt Kotter.
Gesehen haben sich der Betreiber des Gnadenhofs und Max Schiereis zuvor noch nie. Die gespendeten Heuballen im Gesamtwert von 2000 Euro hat Schiereis auf eine besondere Art zusammenbekommen: Er hat einen zwölfstündigen Livestream veranstaltet, bei dem er den „Landwirtschafts-Simulator“ gespielt und dabei zum Spenden aufgerufen hat.
Live-Übertragungen mit dem Landwirtschaftssimulator
Wer jetzt nur Bahnhof verstanden hat: Der sportlich wirkende 33-Jährige betreibt mit fünf Gleichgesinnten den Gamingkanal „HighmanTV“. Man kann es sich vorstellen wie einen Fernsehsender, den man über die Seite Facebook einschalten kann – mit dem großen Unterschied, dass die Zuschauer mit Schiereis und den anderen Protagonisten direkt kommunizieren können.
Wer einen solchen „Stream“ einschaltet, sieht Max Schiereis in der Regel dabei zu, wie er große Landwirtschaftsmaschinen am Simulator über die Felder fahren lässt. So war es auch bei dem Stream für den guten Zweck, bei dem das Geld für die Heuballen des Gnadenhofs zusammengekommen ist. Das Video davon kann man auf seinem Facebookkanal anschauen. Ganze zwölf Stunden lang sät und erntet Schiereis virtuell und klopft dabei munter Sprüche mit seinen Mitspielern, die im Hintergrund zu hören sind. Da wird etwa über die Vorzüge und Mankos der Traktoren von John Deere und Deutz-Fahr gefachsimpelt, wobei ein Zuschauer den Kalauer „Zwei Latten über Kreuz, fertig ist der Deutz“ beisteuert. Zwischendurch äußert das Publikum auch Wünsche und Anregungen, was die Spieler als nächstes machen könnten. Und natürlich gibt es Spendenaufrufe für den Gnadenhof, denen seine Zuschauer auch fleißig nachkommen.
Schiereis ging in Wertingen auf die Realschule
Der Lauterbrunner Max Schiereis ist in Wertingen auf die Realschule gegangen, in der Landwirtschaft ist er nebenberuflich auch im echten Leben tätig. Gemeinsam mit fünf anderen Männern aus ganz Deutschland „streamt“ er nun vier bis fünf Mal in der Woche, dabei sehen ihm durchschnittlich um die 100 Leute zu, wie er sagt.
Sein Publikum komme aus allen Schichten, Berufen und Lebenslagen, sagt er. Die meisten Zuschauer seien zwischen 28 und 45 Jahre alt. „Es macht einfach riesen Spaß, mit den Leuten direkt in Kontakt zu sein“, sagt Schiereis. Eigentlich arbeitet er im kaufmännischen Bereich, doch die Arbeit in der Landwirtschaft mache ihm viel Spaß. Er hat auch schon auf einem Betrieb in Brandenburg bei der Maisernte geholfen und das live auf seinem Kanal übertragen. Über 700 Leute haben ihm dabei zugesehen. „Das war Wahnsinn, als ich gemerkt habe, wie viele Zuschauer ich da erreicht habe“, sagt er.
Ähnliches hatte er auch in Possenried vor, doch das klappt nicht ganz wie erhofft. Nachdem der sportliche junge Mann und seine Begleiter mit der Begrüßung des Teams des Possenrieder Gnadenhofs fertig sind, will er eigentlich gleich für seine Zuschauer einen Livestream starten, um sie direkt und in Echtzeit daran teilhaben zu lassen, wo ihre Spendengelder gelandet sind. Doch anders als kurz zuvor, als er seine Zuschauer am Aufladen der Heuballen teilhaben lassen konnte, spielt das Internet jetzt leider nicht mit – das Handy-Netz ist in Possenried zu schlecht.
Jetzt geht es für die Streamer in den Weihnachtsurlaub
Also muss sich Schiereis damit begnügen, ein Video aufzunehmen, das er später auf seinem Kanal hochladen kann, damit seine Zuschauer es anschauen können. Von Peter Rotter werden die Streamer über den Gnadenhof geführt. Hunderte von Tieren haben dort mittlerweile ein Zuhause gefunden. Schiereis und sein Streamer-Kollege Bernd Wilhelm kraulen Schweine hinter den Ohren, streicheln Ziegen und lassen sich von Rotter die Herausforderungen erklären, die der Betrieb eines Gnadenhofs mit sich bringt. Dabei läuft ständig eine kleine Kamera mit, die Schiereis an einem Stab mitführt. Er sagt ab und zu Sätze wie „Da könnt ihr’s mal sehen, Leute, was das für eine Arbeit ist“ und stellt Rotter lockere Interviewfragen.
Der Besuch der Streamer könnte dem Franziskushof und seinen Tieren neben dem gespendeten Heu also noch zusätzliche Aufmerksamkeit bringen. Der Gnadenhof in Possenried ist neben dem Einsatz von Peter Rotter und seinen Mithelfern dringend auf Spenden angewiesen. Die rund 15 Tonnen Heu, die ihnen frei Haus geliefert wurden, reichen laut Rotter circa ein halbes Jahr. „Mit einer Fahrt zum Dehner kommen wir nicht weit“, sagt er und lächelt. Entsprechend habe er sich gefreut, als er von dem vorzeitigen Weihnachtsgeschenk erfahren habe, das ihm das Team von HighmanTV beschert hat. Das Video, das Schiereis auf seinem Kanal hochgeladen hat, ist dort bestens angekommen. Die Resonanzen und Kommentare zeigen deutlich, dass seine „Leutz“, wie der Streamer seine Zuschauer gerne nennt, die Aktion toll finden.
Zum Dank überreicht Rotter Max Schiereis, seinem Bruder Thomas und Bernd Wilhelm einen riesigen Lebkuchen mit aufgetragenem Dankesspruch in Zuckerschrift. Gegessen werde der selbstverständlich nicht, sagt Schiereis. Wer sich selbst einmal ansehen will, was der 33-Jährige auf seinem Facebook-Kanal eigentlich macht, kann sich die Aufzeichnungen ansehen. Wer live bei einer Übertragung von HighmanTV dabei sein möchte, muss aber wahrscheinlich bis nächstes Jahr warten – für den Rest des Jahres sei nichts mehr fest geplant. Ein bisschen „Weihnachtsurlaub“ muss auch für Streamer sein.
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