Eigentlich hätte noch im Februar am Wertinger Marktplatz der Bau eines modernen Fachwerkhauses beginnen sollen. So hatte es Ulrich Reitenberger geplant, der Abriss der ehemaligen Glaserei Seitz ging schnell und problemlos vonstatten. Doch dann stoppten Archäologen den Bau – und machten das Grundstück an der Engstelle am Thürheimer Tor monatelang zur Grabungsstätte.
Dass dort Überreste der Stadtmauer zum Vorschein kommen würden, vermuteten Reitenberger und seine Mitarbeiter ohnehin. Doch die angereisten Spezialisten einer Münchner Grabungsfirma fanden mehr als das. Die Grabungsfläche befand sich unmittelbar östlich des aus dem Straßenraum verschwundenen Thürheimer Tores, einem der drei Wertinger Stadttore und damit mitten im Bodendenkmal der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Befunde im Bereich der Altstadt von Wertingen. Die Suche nach historischen Artefakten geschah genau dort, wo einst der Stadtgraben verlief. An den ehemaligen Stadtgraben anschließend stießen die Archäologen auf einen besonderen Kellerbau – ein sogenannter „Erdkeller“.
Hinweise auf einen zerstörerischen Hausbrand
Peter Müller-Reinholz, der die etwa zweieinhalb Monate dauernden Ausgrabungen am Wertinger Marktplatz geleitet hat, betont allerdings, dass seine Einschätzung der Funde nur eine vorläufige ist. Um die Funde historisch präzise einzuordnen, bräuchte es viel genauere Analysen und Bestimmungen. Die wären allerdings sehr teuer und zeitintensiv, und werden somit wohl nicht stattfinden. So kann auch nicht genau gesagt werden, aus welcher Zeit der Keller stammt. Allerdings stimmt er nicht in seiner Position mit der im Ortsblatt des frühen 19. Jahrhundert überlieferten Parzellierung überein und stammt damit wohl aus einer Zeit, wo die Grundstücke anders aufgeteilt waren. „In diese Kellerverfüllung wurde später eine qualitätvolle massive Ziegelmauer gesetzt, bei der es sich um ein den mittelalterlichen Torbau östlich flankierendes, circa zehn Meter langes Mauerstück handeln dürfte“, sagt der Archäologe. Der Stadtgraben wurde laut Müller-Reinholz in der frühen Neuzeit verfüllt und im Bereich der so entstandenen neuen Parzelle wiederum ein Haus errichtet, das in mehreren Phasen um- und ausgebaut wurde. Brandschichten und verstürzte Mauern weisen auf einen zerstörerischen Hausbrand hin.
Neben dem interessanten Kellerbau fanden die Archäologen noch einige kleinere Dinge, die vom täglichen Leben aus lange vergangenen Zeiten zeugen. Zum Beispiel zwei sogenannte „Klippen“ – quadratische Münzen, nur etwa so groß wie ein Daumennagel. Sie stammen laut Müller-Reinholz wahrscheinlich aus der „Kipper- und Wipperzeit“ zwischen 1620 und 1622 herum. Damals tobte in Europa der Dreißigjährige Krieg, von dem auch Wertingen nicht verschont wurde. Es war eine Zeit der großen Geldentwertung. Um Heeressold und sonstige Rechnungen zu bezahlen, wurde von den Herrschenden vermehrt Geld in Umlauf gebracht. Aus Mangel an Edelmetallen aber keine richtigen Münzen, sondern eben solche „Klippen“ wie nun am Marktplatz gefunden, schnell aus billigem Kupfer gestanzt.
Die Forscher finden auch einen Schwertgriff
Ob dort am Thürheimer Tor einst ein Zechgelage stattfand, dessen Hinterlassenschaften nun hunderte Jahre später aus dem Boden geholt wurden? Bestätigen lässt sich das nicht mehr, doch kamen bei den Ausgrabungen auch diverse Scherben zum Vorschein. Keramikfragmente könnten laut dem Experten von einem Kachelofen stammen, doch die gefundenen Glasscherben stammen wohl von sogenannten „Nuppenbechern“, aus denen früher vor allem Wein konsumiert wurde. Schließlich fanden die Forscher auch noch den Griff eines einschneidigen Schwertes, der aus Geweih gefertigt wurde.
Mittlerweile sind alle interessanten Gegenstände aus dem Boden geholt worden, sagt Ulrich Reitenberger gegenüber unserer Zeitung. Was nun mit den historischen Funden geschieht und wann nun am Marktplatz gebaut wird, erfahren sie bald hier in der Wertinger Zeitung. (weiterer Bericht folgt)
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