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Wertingen/Dillingen/Lauingen: Kinderärzte im Kreis Dillingen schlagen Alarm: „Wir werden überrannt“

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Kinderärzte im Kreis Dillingen schlagen Alarm: „Wir werden überrannt“

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    Ein Arzt untersucht ein Kind mit einem Stethoskop. Auffallend viele Kinder machen seit einigen Wochen Atemwegsinfekte durch, die eigentlich erst in den Wintermonaten zu erwarten sind. Betroffen seien vor allem unter Sechsjährige.
    Ein Arzt untersucht ein Kind mit einem Stethoskop. Auffallend viele Kinder machen seit einigen Wochen Atemwegsinfekte durch, die eigentlich erst in den Wintermonaten zu erwarten sind. Betroffen seien vor allem unter Sechsjährige. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

    Hustende Kinder, Telefone, die ohne Unterbrechung klingeln, und schwer kranke Säuglinge. In den Kinderarztpraxen im Landkreis geht es rund. Dr. Wolfram Berweck von der Wertinger Gemeinschaftspraxis sagt: „Wir arbeiten am Limit.“

    Grund dafür ist ein Phänomen, das es in der Region noch nie gab. Die Krankheitswelle startete wesentlich früher als in den vergangenen Jahren. Hinzu kommt ein Virus, das besonders gefährlich für Säuglinge ist und normalerweise um die Jahreszeit noch nicht auftritt. Es ist das RS-Virus, kurz für spiratorisches Synzytial-Virus. Kinder und Erwachsene, die sich mit diesem Virus infizieren, haben meist Husten oder Schnupfen, manchmal auch Fieber. Gerade bei Säuglingen und Kleinkindern kann die Infektion aber auch schwer verlaufen und etwa zu Atemstörungen oder gar zu einer Lungenentzündung führen.

    In den Kinderarzt-Praxen des Landkreises Dillingen wurden einige an dem RS-Virus erkrankte Kinder behandelt

    In der Praxis der Kinderärzte in Dillingen hat es bereits einige an dem RS-Virus erkrankte Mädchen und Buben gegeben. Dr. Dominic Hegele, der seit zehn Jahren als Kinderarzt in Dillingen arbeitet, sagt, dass er noch nie erlebt habe, dass sich dieser Virus so früh ausgebreitet habe. Ähnliches berichten die Kinderärzte aus Wertingen und Lauingen.

    Es ist ein bundesweites Phänomen. Laut dem Robert-Koch-Institut kämen aktuell doppelt so viele kleine Kinder mit schweren Atemwegsinfekten in Kliniken wie im gleichen Monat in den Jahren vor der Pandemie, Tendenz steigend. Auch in Bayern spüre man den Anstieg, sagt Michael Gerstlauer, Oberarzt für Kinderpulmologie und -allergologie an der Kinderklinik des Uniklinikums Augsburg. Gerstlauer zeichnet ein düsteres Bild der Lage: „Wir sind am Rande unserer Kapazitäten.“

    Derweil versuchen auch die Kinderarztpraxen im Landkreis, dem Ansturm Herr zu werden. Dr. Berweck aus Wertingen erklärt die vielen Anfragen und Terminwünsche auch damit, dass sich viele Eltern bei den jetzt auftretenden Erkrankungen wegen der speziellen Erreger wie beispielsweise Corona oder RS-Virus große Sorgen um ihren Nachwuchs machen. Seiner Meinung nach hätten außerdem die strikten Hygienemaßnahmen in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie ihren Teil dazu beigetragen, dass es nun vermehrt Infektionen gibt. Er sagt: „Das Immunsystem der Kinder konnte sich nicht aktivieren, beziehungsweise wurde nicht trainiert, da die Mädchen und Buben im vergangenen Jahr kaum oder gar nicht krank waren.“ Die Folge: Nun gäbe es viele kleine Patientinnen und Patienten mit viralen Infekten. In diesem Zusammenhang betont Dr. Berweck, dass bei viralen Infekten Therapien mit Antibiotika nicht helfen.

    In Lauingen gibt es derzeit auch viele Fälle der Hand-Mund-Fuß-Krankheit

    Viel los ist auch in der Kinderarztpraxis in Lauingen. Laut Dr. Karsten Stahnke gebe es derzeit deutlich mehr kranke Kinder als normalweise zu dieser Zeit. Neben den Atemwegsinfektionen häufen sich in der Lauinger Praxis auch die Fälle der Hand-Mund-Fuß-Krankheit. Hinzu komme, dass in Lauingen auch viele Kinder auf Corona getestet werden. Wenn Mädchen und Buben typische Symptome aufweisen und viel Kontakt zu anderen haben, werde ein PCR-Test vorgenommen, sagt Dr. Stahnke. Das Ergebnis könne dann am übernächsten Tag abgerufen werden. Insgesamt hat auch Dr. Stahnke den Eindruck, dass die Eltern schneller beunruhigt sind, wenn das Kind krank ist. Die Mütter und Väter würden das nicht mehr so kennen, da es im vergangenen Jahr deutlich weniger Infektionen gab. Trotz der vielen kleinen Patientinnen und Patienten sagt Dr. Stahnke: „Wir halten den Kopf noch über Wasser.“ Außerdem lobt er die Eltern, die trotz des Andranges viel Verständnis hätten.

    Kinderärzte im Landkreis Dillingen machen Überstunden

    Viele Überstunden machen die Kinderärzte in der Praxis in Dillingen. Derzeit gebe es so viele kleine Patientinnen und Patienten wie normalweise zur Hochzeit der Grippe im Januar oder Februar. Dr. Dominic Hegele erklärt, dass es vor allem die Zwei- bis Vierjährigen seien, die schwerer erkranken.

    Angesichts der vielen kranken Kinder kritisiert Dr. Hegele, dass er und sein Team viel mit den Fragen rund um die Corona-Tests zu tun hätten. Viele Eltern wüssten nicht, wann und bei welchen Symptomen das Kind getestet werden muss. All dies sei schlecht gelöst und die Mütter und Väter würden mit diesen Fragen in der Luft hängen. Gleichzeitig gebe es immer weniger Testzentren. Der Mediziner wünscht sich eine einheitliche und klare Lösung dafür.

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