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Wertingen: Der letzte Schulbeginn

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Der letzte Schulbeginn

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    Winfried Heppner hat 36 Jahre lang Deutsch und Englisch am Gymnasium unterrichtet. Lange Jahre war er Konrektor. Heute hat er das erste Mal seit dieser langen Zeit frei. Den Apfelbaum im Hintergrund haben ihm einst Schüler geschenkt.
    Winfried Heppner hat 36 Jahre lang Deutsch und Englisch am Gymnasium unterrichtet. Lange Jahre war er Konrektor. Heute hat er das erste Mal seit dieser langen Zeit frei. Den Apfelbaum im Hintergrund haben ihm einst Schüler geschenkt. Foto: Benjamin Reif

    Für Wehmut und Gefühlsduselei bleibt Bernhard Hof gerade keine Zeit. Der Rektor des Wertinger Gymnasiums ist am Montagmorgen schon seit Stunden dabei, gemeinsam mit zahlreichen Kollegen die letzten Vorbereitungen für das neue Schuljahr zu treffen. Hof liest Emails, koordiniert, telefoniert. Er vereidigt junge Lehrer, die heute ihre Karriere starten werden. Anders als Hof selbst, der heute seinen „letzten ersten Schultag“ hat. Noch dieses eine Schuljahr, dann ist Schluss.

    Der 64-Jährige sagt, dass es momentan einfach keinen Platz für Emotionen gebe. Zu groß ist der Berg an Verwaltungsangelegenheiten, den es in den Tagen vor und nach Schulbeginn zu bewältigen gilt. Sicher, der Schulbeginn ist immer eine aufregende Zeit – „ein schöner Spannungsmoment“, wie er sagt. Und dass es sein letzter Schulbeginn sein wird, ist ihm durchaus bewusst. Aber das neue Schuljahr muss so geregelt sein, dass es für alle Beteiligten passt, und das ist eine Menge Arbeit. Auch sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin sei in seinen Gedanken schon präsent, sagt er. Eine Übergabe soll für den neuen Rektor in Wertingen so angenehm wie möglich ausfallen, nach einem gelungenen Schuljahr. Und schließlich gibt es zwei neue Konrektoren, mit denen Hof dieses gestalten wird: Sebastian Bürle und Barbara Meyer.

    Die Vorbereitung für das neue Schuljahr ist viel Arbeit

    Während Bernhard Hof und seine beiden Konrektoren mit vollem Einsatz das neue Schuljahr vorbereiten, sitzt Winfried Heppner im Wohnzimmer seines Hauses in Wertingen. Das ist ungewohnt für ihn, man merkt es ihm an. „Ich habe ein schlechtes Gewissen“, sagt er und lächelt. Eigentlich müsste er in der Schule sein, das sagt ihm sein Unterbewusstsein. Anfang September läuft der Feinschliff für die Stundenpläne, das war seit einer gefühlten Ewigkeit so für Heppner, der in Wertingen Deutsch und Englisch unterrichtet hat. Heute wird er das erste Mal nicht vor den Schülern stehen. Das erste Mal seit 37 Jahren.

    1968 wurde das Wertinger Gymnasium eingeweiht. Der gebürtige Münchner Heppner kam 1983 an die Schule, an der er sich „vom ersten Tag an wohlgefühlt“ habe. Er hat damit mehr als zwei Drittel der Bestehenszeit des Gymnasiums erlebt. Im Laufe der Jahre hat er fünf Lehrplanreformen gesehen und einen grundlegenden Umbau des Gymnasiums. Tausende Schüler haben ihn erlebt, entweder direkt im Unterricht oder in seiner Rolle als langjähriger Konrektor. In einer Übergangsphase 2013, als die Rektorenstelle ein halbes Jahr unbesetzt war, leitete er die Schule kommissarisch. „Da war ich mein eigener Stellvertreter“, sagt Heppner.

    Tausende Schüler haben Winfried Heppner als Lehrer erlebt

    Im gesamten Einzugsbereich des Wertinger Gymnasiums ist der groß gewachsene Mann bekannt wie ein bunter Hund. „Den Heppner“, den kennt in mancher Familie von Meitingen bis Altenmünster die Oma wie die Enkelin aus dem Unterricht. Freilich kann sich Heppner nicht mehr an jeden einzelnen von tausenden Schülern erinnern. Deshalb passiert es oft, dass er auf der Straße von Menschen gegrüßt wird, die er nicht kennt.

    Ob er die Schule vermissen wird? Heppner wiegt den Kopf ein wenig, überlegt. „Manches könnte ich schon vermissen“, sagt er schließlich. Gerade sei es für ihn vor allem ungewohnt, dass die Schule und der Ferienplan nicht mehr sein Leben bestimmt. Dass er nun einfach Urlaub machen kann, wann er will, das ist ein neues Gefühl. Langeweile verspürt er sowieso nicht. Er will nun noch mehr Zeit mit seinen drei Enkeln verbringen – und einige alte Klassiker noch einmal lesen, die ihm damals in seiner Zeit als Schüler vorgesetzt wurden. Auf Latein liest er sie zwar nicht. Aber: „Ich will noch einmal sehen, was wir damals eigentlich übersetzt haben“, sagt Heppner und lächelt. Und ganz kehrt er auch dem pädagogischen Bereich nicht den Rücken, da er Vorsitzender der Zusamtaler Volkshochschule bleibt.

    "Sicherheitsabstand" zur alten Arbeitsstätte

    Vom Gymnasium will er erst einmal einen „Sicherheitsabstand“ halten, wie er sagt. Für Rückfragen sei er gerne erreichbar – den neuen Konrektoren will er aber auf keinen Fall mit altklugen Ratschlägen daherkommen.

    Doch merkt man die Zuneigung durchaus, die er für seine alte Arbeitsstätte empfindet. Die Verabschiedung von den Kollegen sei sehr herzlich gewesen. Und auch die Schüler haben ihm auf ihre Weise zu verstehen gegeben, dass sie ihn schätzen. In der Schülerzeitung „Echo“ wurde er zum Abschied als derjenige bezeichnet, der „eigentlich alles macht, was die Schule zusammenhält“. Draußen in seinem Garten steht ein Apfelbaum, den ihm Schüler schon vor Jahren geschenkt haben – in Anspielung auf seine Vorliebe für Elektrogeräte der Firma Apple. Zu seinem Abschied bekam er wieder ein Gewächs von seinen Schülern geschenkt, dieses Mal einen Bananenbaum. „Diese Bazillen“, sagt Heppner und grinst. Er verabscheut Bananen. Das Wort „Bazillen“ jedoch, das sagt er wie ein Kosewort.

    So sehr sich Bernhard Hof gerade auf seine organisatorischen Aufgaben konzentriert – auch er lässt durchblicken, dass er seinen Beruf mit einigen Emotionen verbindet. Heuer fangen wieder mehrere Referendare am Wertinger Gymnasium an. Deren Einstieg ins Berufsleben, der Werdegang der Schüler: „Man baut immer auch eine persönliche Beziehung auf“, sagt Hof. Trotz aller Professionalität.

    Am Ende klingt es doch ein wenig wehmütig

    Bevor er Rektor in Wertingen wurde, unterrichtete Hof schon an mehreren Schulen, in Neusäß, Königsbrunn, Lauingen. Da freue es ihn natürlich, dass er zum Abschluss noch das 50-jährige Jubiläum des Gymnasiums mit ausrichten darf, welches im Frühling kommenden Jahres gefeiert werden wird. Ein schöner Höhepunkt der „Schlussetappe“ seiner Laufbahn in Wertingen. Der Umgang zwischen Lehrern, Schülern, Eltern und Schulleitung war immer von gegenseitigem Vertrauen geprägt, sagt er. Das habe er als Rektor noch intensiver mitbekommen als anderswo als Lehrer.

    Heute wird er das letzte Mal die neuen Fünftklässler begrüßen. „Das habe ich immer sehr gerne gemacht“, sagt Hof. Und dann: „Ich werde ihnen leider nicht mehr das Abiturzeugnis überreichen können.“ Als er das sagt, klingt er doch ein bisschen wehmütig.

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