In Wertingen verändert sich in diesen Tagen das Antlitz der Stadt. Gleich mehrere alte Gebäude, welche lange das Stadtbild geprägt haben, verschwinden in diesen Tagen. Nach dem Abbruch des ehemaligen Glasergeschäfts Seitz am Thürheimer Tor und des Eisele-Jockshofes in der Bauerngasse, verschwindet nun auch ein weiteres imposantes Gebäude am ehemaligen Wertinger Bahnhof. Der Abriss des alten Wertinger Lagerhausgebäudes hat begonnen. Früher war dort im vorderen Teil ein Büro, ein Friseur und zuletzt ein Reinigungsbetrieb beherbergt. Die Abbrucharbeiten werden sich laut Auskunft des Bezirkslagerhauses Wertingen noch rund fünf Wochen hinziehen. Das Eternitdach wurde bereits abgetragen und wird jetzt entsorgt.
Schon in einer Sitzung des Bauausschusses im Oktober 2017 hatte das Bezirkslagerhaus Wertingen den Abriss des alten Lagerhauses angekündigt, da dieses zu alt für eine Renovierung sei. In dieser Sitzung wurde heftig über die damaligen Pläne des Bezirkslagerhauses diskutiert. Das Unternehmen hatte zunächst vor, an Stelle des Gebäudes drei mächtige Getreidesilos zu bauen, die insgesamt etwa 28 Meter hoch gewesen wären. Dieser Plan ist aber inzwischen verworfen. Auf dem Gelände entsteht, voraussichtlich ab Ende August, eine neue Lagerhalle. Diese wird später ergänzt durch fünf Futtermittelsilos, die jeweils rund 15 Meter hoch sein werden, und eine leistungsfähige Getreideannahmevorrichtung.
Die Anlieferung von Getreide beim BLW musste modernisiert werden
„Die Getreideannahme war in unserem Betriebsablauf bisher das Nadelöhr“, sagt der Geschäftsführer des Bezirkslagerhauses, Stefan Ortner. Hier müsse der Betrieb an die Anforderungen der heutigen Landwirtschaft mit ihren immer größeren Fahrzeugen und Anhängern angepasst werden.
Das alte Lagerhaus wurde bis zuletzt für die Lagerung einiger „Spezialitäten“ genutzt, so Ortner. Die Lagerkapazität sei in dem Gebäude ordentlich gewesen, doch habe die Gebäudestruktur noch teilweise das Schaufeln von Getreide mit der Hand benötigt. Auf die Dauer keine praktikable Lösung mehr.
Warum der Abbruch des alten Lagerhauses so lange dauern wird, hat mehrere Gründe. Die Arbeiter der Geratshofener Firma Kerler, die den Abbruch vornimmt, müssen zum einen behutsam vorgehen, da das Gebäude an zwei Seiten an andere Bauten angrenzt. Deshalb kommt keine Abrissbirne, viel Handarbeit ist gefragt. Die verschiedenen Baustoffe müssen zudem streng getrennt werden. Viel Holz ist hier einst verwendet worden – und Asbest. Bei der Beseitigung dessen müssen die Arbeiter spezielle Schutzausrüstung tragen, da das Material krebserregend ist.
Das Bezirkslagerhaus in Wertingen wurde 1920 gebaut
Wie in dem Häuserverzeichnis von Jürgen Fiedler zu lesen ist, handelte es sich bei dem Lagerhaus um ein relativ junges Gebäude. Am 21. Juli 1919 war es soweit. Im Saale der Brauerei Koch zu Wertingen versammelten sich unter dem Vorsitz von Pfarrer Unsöld aus Binswangen Delegierte von 16 Spar- und Darlehenskassenvereinen und ein Vertreter des landwirtschaftlichen Bezirksvereins und gründeten die Bezirks-Lagerhausgenossenschaft, die Zahl der Mitglieder wuchs rasch an. So wurde der Bau des Lagerhauses beschlossen. Die Baukosten beliefen sich auf 1,5 Millionen Mark. Auch der Bau eines Verwalterwohnhauses wurde in Auftrag gegeben.
Im Jahre 1920 wurde der Bau von der Bezirkslagerhausgenossenschaft in Angriff genommen. Ein Jahr später erfolgte der Neubau eines Stadels, dann 1922 Errichtung einer Lagerhalle. 1926 kam dann ein Schweinemaststall dazu, 1939 ein Lagerschuppen.
Trotz der fortschreitenden Industrialisierung im späten 19. Jahrhundert blieb die Region Wertingen, sowie der gesamte bayerische Raum, damals ein vorwiegend agrarisch orientiertes Land. Die Genossenschaften hatten es sich daher zum Ziel gemacht, die ökonomischen Verhältnisse der Landwirtschaft zu verbessern. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges beherrschten politische und soziale Gegensätze das öffentliche Leben. Die Interessen der Bauern wurden von Verbänden wahrgenommen, die in der Öffentlichkeit noch wenig Einfluss hatten. Ackerbau und Nutzvieh bildeten die Haupteinnahmequelle der Landwirtschaft. Der Verkauf von Getreide, Milch und Vieh war nur den größeren Betrieben möglich. Seuchen und Missernten hatten für manchen Landwirt katastrophale Folgen und führten nicht selten zum Ruin der Hofstelle.
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