Chefarzt Thomas Moehrke hat sich für den Bau des Ärztehaus-Turms von Ulrich Reitenberger starkgemacht. Gemeinsam mit ihm stellten sich 14 weitere Ärzte aus der Wertinger Klinik hinter die Pläne von Reitenberger und Landrat Leo Schrell für die Erneuerung des Krankenhausgeländes mit dem Ärztehaus als wichtigem Baustein.
Vom Ausgang des Bürgerentscheids zeigt sich Moehrke nun entsetzt. Es habe keinerlei medizinische oder soziale Argumente gegen den Bau gegeben – trotz des Wahlslogans: „Für unser Krankenhaus – Gegen den Tower“. Aus seiner Sicht sei das „extrem bedenklich“.
Laut Moehrke könnte den Bewohnern der Zusamstadt jedoch nicht bewusst gewesen sein, was sie mit diesem Entscheid angerichtet hätten. „Das von den Wertingern herbeigeführte Ergebnis hat eine katastrophale Außenwirkung mit unabsehbar verheerenden Folgen für das Krankenhaus“, sagt der Chefarzt.
Das Wertinger Krankenhaus müsse sich für die Zukunft wappnen
Das Krankenhaus müsse sich verändern und permanent an fast täglich neue Herausforderungen anpassen. „Man kann jetzt natürlich auf Managementfehler oder falsche Strukturentscheidungen aus der Vergangenheit hinweisen“, sagt Moehrke. Aber diese wären, so gemacht, ohnehin nicht mehr rückgängig zu machen. Und es rechtfertige nicht, einen nun vorliegenden, schlüssigen Zukunftsplan zu torpedieren. Denn der entscheidende Aspekt für die Sicherung des Krankenhausstandorts ist aus Sicht des Chefarzt, für neue Ärzte ein attraktives Arbeitsumfeld zu bieten – und dieses Ziel habe mit dem Entscheid schwer gelitten.
Der Wertinger Klinik drohten einschneidende Veränderungen. So werde zum Beispiel die Notaufnahme mittelfristig auf dem Prüfstand stehen. „Es wird darum gehen, ob wir einen speziellen ‘Chefarzt Notaufnahme’ mit einem speziell ausgebildeten Pflege- und Fachkräfteteam verpflichten können“, sagt Moehrke. Ähnlich verhalte es sich mit dem angedachten Wandel in der Inneren Medizin. Das Vorhandensein einer geriatrischen Abteilung – also eines Geriaters – erfülle zum Beispiel eine bald notwendige Bedingung, um in der Chirurgie Patienten mit hüftgelenksnahen Frakturen versorgen zu dürfen. Aktuell gebe es in beiden Kreiskliniken keinen derartigen Facharzt.
Es habe ein dramatischer Wandel stattgefunden. Früher hätten sich die Kliniken ihre Ärzte aus einem Füllhorn an Bewerbungen aussuchen können. Heute verhalte es sich genau anders herum. Die Kliniken werben laut Moehrke bei den wenigen Kandidaten und akzeptieren selbst grenzwertige Forderungen und minderwertigere Qualifikationen, nur um eine Stelle überhaupt besetzen zu können – und damit eine Abteilung am Leben zu erhalten.
Das Signal an junge Fachkräfte ist für Moehrke verheerend
Und wo bewirbt sich nun ein neuer Kollege, fragt der Chefarzt rhetorisch. Und beschreibt selbst den Wunscharbeitsort für junge Mediziner: Eine modern und zukunftsorientiert aufgestellte Klinik mit geplantem, im Bau befindlichem oder zukünftig fertiggestelltem modernem Ärztehaus mit Facharztpraxen, eventuell einer Bäckerei oder einem Café. Mit modernen Kleinstwohnungen für die Übergangszeit oder den Arbeitsalltag, wenn die Familie in der Ferne bleibe. Mit einem modernen Pflegeheim, einer Pflegeakademie, Parkmöglichkeiten und vielem mehr. In einer Gemeinde, die hinter ihrem Krankenhaus stehe und zukunftsorientiert und dynamisch agiere. „In einer Gemeinde, die Visionen hat und lebt, die ein längerfristiges Bestehen der Klinik erwarten lassen“, sagt Moehrke.
Doch die Quintessenz des Bürgerentscheids sei nun: Zukunftsvisionen Fehlanzeige. Und die Argumente der Gegner ließen sich auch auf Pflegeheim und Parkdeck auf dem Krankenhausgelände übertragen. „Aber lässt man sich dadurch noch nicht von einem Vorstellungstermin abbringen, betritt man das altbackene Verwaltungsgebäude durch einen baufälligen Eingang. Die Geschäftsführung kann nur hoffen, dass der neue Kollege seine zukünftige Bleibe im Personalwohntrakt nicht vor Vertragsunterschrift inspizieren möchte – immerhin Einzelzimmer, aber mit Gangbad und Gemeinschaftsküche aus der Gründerzeit.“ So gewinne man keine kompetenten Mitarbeiter jedweder Ebene. „Die Personalchefs der umliegenden Kliniken werden sich auf die Schenkel klopfen! Ein Konkurrent um die begehrten und raren Fachkräfte weniger“, sagt Moehrke.
Der Chefarzt will jetzt Antworten für die Zukunft
Von den Turmgegnern will Moehrke nun dezidierte Pläne einfordern. „Und ich werde mich nicht mit belanglosen Floskeln abspeisen lassen“, schreibt der Chefarzt unserer Zeitung. Er wolle wissen, wie und wo ein Ärztehaus in Kliniknähe realisiert werden solle – die Kliniknähe sei erforderlich, um die möglichen Synergien bezüglich der Personalressourcen nicht zu verlieren. Weiter: Wie solle der Neubau des Personal- beziehungsweise Verwaltungsgebäudes („wirtschaftlicher Totalschaden“) realisiert werden. Bereits jetzt seien nicht genug günstige Kleinwohnungen vorhanden, und die aktuell vorhandene Sanitärausstattung sei seit langem nicht mehr zeitgemäß. Die aktuell im Aufbau befindliche neue Pflegeakademie lasse den Bedarf noch drastisch weiter steigen. Außerdem stellt er die Fragen, wo und wie das angedachte Pflegeheim ohne Investor und ohne Verlust der geplanten Synergien realisiert werden soll, gleiches gelte für Maßnahmen zur Entspannung der Parkplatzsituation.
Es werde laut Moehrke bereits mit möglichen Kandidaten, die eine akutgeriatrische Abteilung aufbauen könnten, verhandelt. Es bedürfe konkreter alternativer Vorschläge, um die Interessenten bei Laune zu halten. „Man kann schon ein Gutachten mit dem Ziel, das Defizit der beiden Kreiskliniken zu reduzieren, bei einer renommierten Berateragentur beauftragen. Das wird aber erstens wieder sehr teuer werden – und zweitens will das Ergebnis hinterher kein Wertinger Bürger wahrhaben“, sagt Moehrke.
Die Gegner des Konzeptes „Medizincampus“ hätten einen sinnvollen, zukunftsträchtigen und realisierbaren Plan zunichtegemacht. Aus Sicht Moehrkes ist es nun an ihnen, Antworten für die Zukunft des Krankenhauses zu liefern. (mit pm)
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