Zustimmung für den Ärztehaus-Turm des Laugnaer Unternehmers und FW-Kreisrates Ulrich Reitenberger kommt aus vielen verschiedenen Richtungen:
Leo Schrell: Der Landrat hat sich von Beginn an als größter Befürworter des Ärztehaus-Turms hervorgetan und dies sogar in einer Videobotschaft bei der Präsentation des Vorhabens vor dem Wertinger Stadtrat kundgetan. Einen Punkt machte Schrell in der Vergangenheit besonders deutlich: Der Bau eines Ärztehauses ist bei einem privaten Investor besser aufgehoben als bei der öffentlichen Hand. „Dies bedeutet, dass wir als Landkreis, als Kommunalunternehmen oder als Kreiskliniken GmbH das Ärztezentrum nicht bauen dürfen, weil ein privater Investor diese Aufgabe ebenso gut erfüllen kann und dies auch möchte“, schrieb Schrell in einer Pressemitteilung im November.
Freie Wähler: Die Freien Wähler in Stadt- wie Kreistag stehen geschlossen hinter dem Projekt. Dieses dürfe auch nicht isoliert betrachtet werden, sagte im Vorfeld der Abstimmung im Oktober der Fraktionssprecher Friedrich Brändle, der auch Oberarzt am Wertinger Krankenhaus ist. „Das ganze Gefüge ‚Medizinisches Zentrum‘ ist miteinander verwoben, hat gegenseitige Abhängigkeiten“, so Brändle. Von der Zustimmung zum Ärztehaus-Turm gehe auch ein Signal für die Zukunft des Krankenhauses aus. Ähnlich äußerte sich Bürgermeister Willy Lehmeier. Seiner Einschätzung nach herrscht Zeitdruck – am Krankenhaus brauche es positive Veränderung. Wörtlich sagte er: „Wenn wir jetzt nicht Druck in den Kessel bringen, dann sieht es schlecht aus.“ Ein weiteres Argument der Freien Wähler: Architektonisch habe ein Turmbau den Vorteil, dass dabei weniger Fläche versiegelt werde.
"Zukunftsorientierte Entwicklung"
Rita Müller-Brenner: Die ehemalige Vorsitzende des Fördervereins Krankenhaus Wertingen und Geschäftsführerin des Erwin Müller Versandhaus meldete sich im Oktober in Form eines Leserbriefs zu Wort. Sie äußerte darin ihr Unverständnis, warum Teile des Stadtrates die Einbeziehung von privatem Kapital auf dem Krankenhausgelände ablehnten – zumal es sich um einen einheimischen Unternehmer handele. „Deshalb hoffe ich sehr, dass sich im Verlaufe des weiteren Verfahrens die Vernunft durchsetzt und die Neustrukturierung des Krankenhauses mit dem Neubau des Ärztezentrum gelingt. Für die Menschen in der Region wäre dies eine zukunftsorientierte Entwicklung“, so schrieb Müller-Brenner.
Thomas Moehrke: Gemeinsam mit 14 weiteren Medizinern hat der Chefarzt der Chirurgie am Krankenhaus sich für die Pläne Reitenbergers ausgesprochen. Diese Zustimmung sei „unabhängig von jeglicher Diskussion über die bauliche Ausführung“ zu verstehen. Aus einem Ärztehaus in direkter Nachbarschaft zum Krankenhaus ergeben sich aus Sicht der Mediziner eine Reihe von Vorteilen: Untersuchungen und Therapien könnten bei guter Planung und guter technischer Anbindung der Praxen schneller geschehen. Somit verkürzte sich die Liegedauer der Patienten mit positivem Einfluss auf die Ertragssituation. Einrichtungen des Krankenhauses könnten dazu teilweise von externen Praxen mitgenutzt werden und somit mit wirtschaftlicherer Auslastung betrieben werden, etwa Röntgen, Labor, Computertomografie und Endoskopie. Personalressourcen könnten gemeinsam wirtschaftlicher genutzt werden. Patientenunterlagen seien schneller übermittelbar. Die unnötigen Doppeluntersuchungen, die aufgrund fehlender Befunde manchmal von den Ärzten durchgeführt werden müssen, würden weniger. Das Krankenhaus würde außerdem entlastet, da es von nicht abrechenbaren „Serviceleistungen“ für Patienten befreit würde. Diese müsse das Krankenhaus leisten, da die ambulante Nachsorgemöglichkeit durch niedergelassene Kollegen teils nicht gegeben sei.
"Verhinderungsstragien sind unverantwortlich"
Johann Häusler: „Verhinderungsstrategien wie das Bürgerbegehren gegen den Tower sind kontraproduktiv und unverantwortlich“, schrieb der Landtagsabgeordnete der Freien Wähler in einer Pressemitteilung Anfang April an unsere Zeitung. Mit dem Krankenhaus verbinde sich in „existenzieller Weise“ die örtliche Infrastruktur. Wertingen sei nach wie vor eine Einkaufs- und Dienstleistungsstadt, insbesondere auf den Einzugsbereich des Krankenhauses bezogen. Die Zukunft des Krankenhauses sei eng mit dem örtlichen Gewerbe und Einzelhandel verbunden. „Umso mehr beunruhigt mich als Heimatabgeordneter der derzeitige substanzielle und organisierte Widerstand gegen das nachhaltigste Zukunftsprojekt der Stadt: die Sicherung des Krankenhausstandorts und die Verbesserung der medizinischen Versorgung“, so Häusler.
Peter Seefried: Der fraktionslose Stadtrat, der für die Republikaner im Dillinger Kreistag sitzt, hat gemeinsam mit Mitgliedern der AfD ein Statement zum Ärztehaus-Turm abgegeben. Der Inhalt: Der Bau eines Ärztehauses würde den Standort Wertingen stärken. Durch den Standort am Krankenhaus werde die fachliche Kompetenz auf dem Ebersberg gebündelt. Durch den Turmbau mit Arztpraxen, Apotheke, Café und Wohnungen besonders für Ärzte werde auf dem Ebersberg eine sinnvolle Infrastruktur für Patienten und medizinisches Personal geschaffen. Ebenso könne dadurch der Marktplatz vom Verkehr entlastet werden, glauben die Mitglieder der AfD und Seefried.
"Parteiengezänk und Einzelinteressen"
Grüne im Wertinger Stadtrat: Im Gegensatz zu mehreren Vertretern im Kreistag, die das Projekt Reitenbergers kritisch beäugen (siehe Artikel rechts), haben sich die Grünen im Wertinger Stadtrat von Anfang an für den Ärztehaus-Turm positioniert. Das Projekt betreffe das gesamte Zusamtal und dürfe nicht nur aus der Perspektive „vor der eigenen Haustüre“ betrachtet werden. Zudem biete der Turmbau einen Mehrwert für die umliegenden Siedlungen – das Marienfeld, die Märzenbach- und Eisenbachsiedlung. Denn geplant seien dort neben Hausarzt- und Facharztpraxen eine Bäckerei, eine Apotheke, eine Tiefgarage und Parkplätze auf dem Klinikgelände. Somit sei gewährleistet, dass sich der ruhende und parkplatz-suchende Verkehr nicht endlos in die Wohngebiete hineinziehe, wie es jetzt der Fall sei.
Wolfgang Zenetti: Der ehemalige Wertinger Stadtrat und Linke–Kreisrat unterstützt die Argumentation der Stadtrats-Grünen, dass der Austausch der Mediziner auf dem Ebersberg besonders effizient sei, wenn sich diese in unmittelbarer Nachbarschaft befänden.
Leserbriefschreiber: Die Fachkrankenschwester am Wertinger Krankenhaus Maylin Gänsler schrieb: „Ich habe keinen Zweifel, dass das Zusammentreffen von verschiedenen Fachrichtungen hier ein zukunftsfähiges Projekt ist.“ Otmar Ohnheiser äußerte in Richtung der Kritiker die Befürchtung, dass „die Zukunft des Wertinger Krankenhauses durch Parteiengezänk und Einzelinteressen zerrieben wird“ Zudem scheine Reitenberger der „falschen Partei anzugehören.“
Das plant Ulrich Reitenberger:
Auf einem rund 1500 Quadratmeter großen Grundstück im Westen des Krankenhausgeländes will der Laugnaer Unternehmer und Kreisrat (FW) einen Turm errichten. Derzeit ist dieser mit elf Stockwerken geplant, die Belegung der einzelnen Geschosse wird wie folgt angegeben: Im Erdgeschoss sollen Gastronomie, eine Apotheke und eine Bäckerei einziehen. Die Geschosse zwei bis vier sind für Facharztpraxen vorgesehen, im fünften Stock sollen ein Medizinischer Dienstleister und ein Physiotherapeut einziehen, im sechsten Stock Medizinischer Einzelhandel. In den restlichen vier Geschossen sind Wohneinheiten geplant – in den Stockwerken sieben und acht möblierte Mikro-Apartments, in den oberen Etagen 1,5-, 2- und 3-Zimmer-Wohnungen. Zusätzlich sollen 120 Stellplätze in einer Tiefgarage und weitere oberirdische Stellplätze für den Turm gebaut werden.
Hier steht das Projekt:
Der Startschuss für das Projekt fiel im Aufsichtsrat der Kreiskliniken, der sich für die Weiterverfolgung des Projekts von Reitenberger aussprach. Das erste Mal präsentierte dieser, gemeinsam mit Landrat Leo Schrell, das Vorhaben im März 2020, eingebettet in den Plan eines „Medizincampus“, der noch eine Pflegeschule, ein Pflegeheim und ein Parkdeck umfasst. Vom Begriff des Medizincampus sind die Verantwortlichen mittlerweile abgerückt, die einzelnen Projekte werden aber weiterhin verfolgt. Für die Pflegeschule ist seitens des Landkreises schon eine Bauvoranfrage bei der Stadt Wertingen eingegangen.
Der Wertinger Stadtrat entschied in seiner Sitzung am 21. Oktober, einen „vorhabenbezogenen“ Bebauungsplan für das Grundstück aufzustellen. Das Votum dafür lautete 13:8, ein vorheriger Antrag der CSW, der die Entscheidung vertagen wollte, wurde mit 10:11 Stimmen abgelehnt.
Beim vorhabenbezogenen Bebauungsplan hat die Stadt während der Planungen des Bauherren ein Mitspracherecht. Sollten die Vorstellungen von Bauherren und Stadt nicht zusammengehen, kann das Baurecht verweigert werden. Sonst mündet es in einem „Durchführungsvertrag“.
Unabhängig vom Ausgang des Bürgerentscheids muss der Kreistag noch über den Verkauf des Grundstücks entscheiden, da es dem Landkreis gehört. Würde hier die Zustimmung verweigert, stünde das Turm-Projekt wohl vor dem Aus.
Bürgerbegehren und Ratsbegehren:
In die Wege geleitet wurde das Bürgerbegehren von der Initiative „Für das Krankenhaus - Gegen den Tower“. Hauptverantwortliche hier sind Klaus Lang, Regina Köpf und Otto Killensberger. 1247 gültige Stimmen sammelte die Initiative ein, 720 wären notwendig gewesen, um ein formales Bürgerbegehren herbeizuführen.
Der Wertinger Stadtrat entschied sich am 27. Januar mit knapper Mehrheit (11:10) dafür, zusätzlich zum Bürgerbegehren auch ein Ratsbegehren durchzuführen. Das heißt konkret, dass neben der ablehnend formulierten Frage auf dem Stimmzettel auch eine zustimmend formulierte findet, und eine Stichfrage.
Die Abstimmung:
Persönlich können die Wertinger am Sonntag, 25. April, ihre Stimmen von 8 bis 18 Uhr in fünf Wahllokalen abgeben. Diese sind: Mittelschule Wertingen, Stadthalle Wertingen (Foyer), Grundschule Gottmannshofen, Schützenheim Geratshofen und Schützenheim Hirschbach. Dazu kommen noch drei Briefwahlbezirke. Für alle Stimmlokale gibt es ein Hygienekonzept, inklusive Desinfektionsständern und Einwegkugelschreibern. Die Stimmberechtigten müssen eine FFP-2-Maske tragen.
Mit einem Ergebnis rechnet die Stadtverwaltung am Sonntag zwischen 20 und 21 Uhr. (br)
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