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Kirche: Pfarrer Dieter Zitzler: „Denken ist nicht mehr selbstverständlich“

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Pfarrer Dieter Zitzler: „Denken ist nicht mehr selbstverständlich“

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    Dieter Zitzler war 16 Jahre Pfarrer in der Pfarreiengemeinschaft Blindheim. Am kommenden Sonntag wird er offiziell verabschiedet, sein weiterer Weg führt ihn in die Pfarreiengemeinschaft Buchloe.
    Dieter Zitzler war 16 Jahre Pfarrer in der Pfarreiengemeinschaft Blindheim. Am kommenden Sonntag wird er offiziell verabschiedet, sein weiterer Weg führt ihn in die Pfarreiengemeinschaft Buchloe.

    Herr Pfarrer Zitzler, im Regal steht schon ein weißer Ordner mit der Aufschrift Buchloe. Sitzen Sie schon auf gepackten Koffern?

    Zitzler: Nein. Der Laden hier läuft ja noch. Buchloe ist tatsächlich für mich noch weit weg, nur das Nötigste ist geregelt.

    Nach 16 Jahren als zuständiger Pfarrer in der Pfarreiengemeinschaft Blindheim wechseln Sie zum 1. September nach Buchloe. Am kommenden Sonntag findet Ihre letzte Messe in der Gemeindehalle in Blindheim statt. Wie gehen Sie damit um?

    Zitzler: Es ist in Ordnung, nach dieser Zeit zu gehen, aber es ist auch kein leichter Abschied. Ich hätte noch viel vorgehabt und neue Ideen gerne umgesetzt.

    Warum gehen Sie überhaupt?

    Zitzler: In einem Zeitfenster von zehn bis 15 Jahren werden die Pfarrerstellen gewechselt. Ich habe damit gerechnet, nur nicht, dass es so schnell kommt. Im Mai habe ich davon erfahren. Aber in Buchloe wird die Stelle frei und ein neuer Pfarrer wird gebraucht.

    Dort übernehmen Sie keine leichte Nachfolge. Es gab Missbrauchsvorwürfe gegen den bisherigen Geistlichen.

    Zitzler: Stimmt, aber alle Verfahren wurden eingestellt. Er hat sich dennoch vorzeitig in den Ruhestand versetzen lassen.

    Wie sehr schaden solche Vorwürfe und Skandale der Kirche?

    Zitzler: Man muss zwischen der Institution Kirche und dem persönlichen Glauben unterscheiden. Die Diskussionen sind wichtig, aber es müssten auch echte Diskussionen sein. Themen wie Kirchensteuer, Zölibat, Missbrauchskandale oder Frauenpriestertum besprechen sich nicht einfach so am Stammtisch. Da hängt so viel dran. Außerdem sollte man die Menschen fragen, die sich in der Kirchengemeinde engagieren. Aber es reden auch die mit, die sich sonst nicht ins kirchliche Leben einbringen. Die Standardparolen bringen uns auch nicht weiter.

    Sie wollen die Institution vom Glauben trennen. Geht das so einfach?

    Zitzler: Heutzutage wird auch Glaube immer individueller und keiner lässt sich diesen gerne vorschreiben. Dabei ist vor allem das Christentum aufgeklärter, als man vermutet. Und, wenn ich es direkt sagen darf: Das Christentum ist eine relativ vernünftige Religion. Aber Denken ist nicht mehr selbstverständlich, man lässt sich lieber alles vorkauen. Der Sinn des Lebens ist für viele heute ein guter Job mit reichlich Verdienst. Glück und Lebensfreude spielen keine große Rolle mehr.

    Die Veränderungen in der Gesellschaft

    Worin sehen Sie persönlich den Sinn des Lebens? Was bedeutet Glaube für Sie?

    Zitzler: Für uns Christen ist das Wichtigste die Eucharistie, sprich die Danksagung steht im Mittelpunkt. Man sollte nicht immer nur nach den Problemen schielen, sondern dankbar sein. Hinzu kommt die Kommunion, die Gemeinschaft, die einen trägt, wenn man es alleine nicht schafft.

    Sie haben in all den Jahren in der Blindheimer Kirchengemeinde eine große Gemeinschaft erlebt, wie Sie sagen. Aber können Sie dennoch Veränderungen in der Gesellschaft feststellen?

    Zitzler: Auch auf dem Land ist die heile Welt längst nicht mehr so heil, wie man denkt. So sind beispielsweise die Gottesdienstbesucher auch bei uns immer weniger geworden. 20 Prozent kommen zwar, aber es sind eben 80 Prozent, die nicht kommen. Aber das ist Meckern auf hohem Niveau im Vergleich zu anderen Gemeinden. In all den Jahren hatten wir in unserer Pfarreiengemeinschaft zum Beispiel nie Probleme, Kandidaten für Gremien zu finden. Zudem gibt es in allen fünf Ortsteilen engagierte Menschen.

    Er hat auch Grundschüler unterrichtet

    Engagement ist für Sie, Herr Pfarrer, auch kein Fremdwort. Vor allem die Arbeit mit jungen Menschen haben sie stark forciert.

    Zitzler: Ich finde es spannend, zu sehen, wie sich wer entwickelt. Und für mich als Pfarrer ist es auch immer praktisch, wenn ich die Kinder im Religionsunterricht habe und sie dann später meine Kommunionkinder oder Ministranten werden.

    Sie haben die Dritt- und Viertklässler gelehrt. Sind Sie ein strenger Lehrer?

    Zitzler: Ich glaube, ich bin der, der eher mal ein Auge zu drückt. Religion darf nicht langweilig sein. Es muss eine Freude für die Schüler sein und ich will das Interesse für das Leben Jesu und sein Wirken wecken. Das macht mir Spaß.

    An welche Momente denken Sie in Ihrer 16-jährigen Zeit in Blindheim gerne zurück?

    Zitzler: Da gibt es viele. Die neue Orgel, unser Radio Rauchfass, die gemeinsamen Pfarreifahrten oder die Zeltlager mit den Ministranten … man war danach immer kaputt, aber glücklich.

    Da gibt es auch noch dieses eine Video mit dem Titel „Die Tonne“, das man im Internet findet …

    Zitzler: Ich war in all den Jahren einmal offiziell krank, aber dann gleich für mehrere Wochen. Ich habe mir den Ellbogen gebrochen – weil ich aus der Papiertonne vor dem Pfarrheim rausgeflogen bin. (lacht)

    Herr Pfarrer, das müssen Sie genauer erklären.

    Zitzler: Es war kurz vor Weihnachten und wir hatten viel Müll. Ich bin in die Tonne gestiegen und wollte das Papier runterdrücken. Nur das Rausklettern war schwieriger als gedacht (lacht). Aus diesem Ereignis haben meine Ministranten einen kleinen Film nachgestellt.

    Solche Erinnerungen machen den Abschied von Blindheim nicht leichter, oder?

    Zitzler: Man kennt die Menschen hier nicht nur, sondern hat gemeinsame Geschichten. Das verbindet. Aber wenn man geht, ist man auch irgendwann vergessen. Das gehört zu unserem Beruf dazu und das geht auch in Ordnung.

    Was er mit Buchloe verbindet

    Freuen Sie sich auf Ihre neue Stelle in Buchloe?

    Zitzler: Ich habe immer gebeten, dass ich bei einer Versetzung wieder in Richtung meiner alten Heimat komme. Dass es jetzt so nahe ist, damit habe ich nicht gerechnet. Buchloe ist nur 15 Kilometer von meinem Heimatort entfernt, dort lebt auch heute noch meine Familie. Ich kenne Buchloe, aber die Menschen und die Pfarrei noch nicht. Aber ich hoffe, dass wir auch wieder eine Gemeinschaft werden. Es geht überall weiter – auch hier in Blindheim.

    Der Abschied Am Sonntag, 4. August, um 10 Uhr findet in der Gemeindehalle in Blindheim ein gemeinsamer Gottesdienst der Pfarreiengemeinschaft Blindheim mit offizieller Verabschiedung der Pfarrei und der Gemeinde von Pfarrer Dieter Zitzler statt. Sein letzter Diensttag ist am 15. August, am 2. September zieht er in seiner neuen Wirkungsstätte in Buchloe ein. Dort findet am Sonntag, 13. Oktober, seine offizielle Einführung statt.

    Das Interview führte Simone Bronnhuber.

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