Abteilungsleiterin Elisabeth Gaiß-Miller ist richtig gut drauf. Das liegt nicht nur daran, dass ihr neuer Arbeitsplatz in der Bewertungsstelle des Finanzamts München in Höchstädt eine traumhafte Aussicht bietet. Für die Mitarbeiterin bringt die heftig umstrittene Behördenverlagerung von der Landeshauptstadt an die Donau mehr Lebensqualität. „Das ist eine super Geschichte“, sagt die Holzheimerin. Neun Jahre lang ist sie zuletzt von der Aschbergregion nach München gependelt. „Bei mir hat sich der Arbeitsweg um fast 100 Kilometer verkürzt.“ Ähnlich sieht es Thomas Groß. Der Günzburger fuhr ebenfalls täglich nach München. Die neue Bewertungsstelle in Höchstädt macht die Sache für den Abteilungsleiter einfacher. „Ich brauche täglich eineinhalb Stunden weniger auf dem Weg zur Arbeit“, sagt Groß. Deshalb habe er sich auch gleich auf die Stelle beworben. Nicht so euphorisch ist die Leiterin der Bewertungsstelle, Elisabeth Baumgärtner, die in München bleibt. Ein Paar ihrer Kollegen sitzen jetzt in Höchstädt, die Kommunikation werde schwieriger.
Die drei Mitarbeiter zählen zu etwa 100 geladenen Gästen, die am Montag zur offiziellen Eröffnung der neuen Höchstädter Bewertungsstelle in den Rittersaal des Schlosses gekommen sind. Sophie Gross (Trompete) und Maria Fey (Klavier) sorgen für beschwingte Töne, und auch Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) läuft zu Hochform auf. 11,1 Millionen Euro hat die Behördenverlagerung nach Höchstädt gekostet. Die Bewertungsstelle hat mit 36 Beschäftigten die Arbeit aufgenommen. Anfang 2018 kommen noch einmal 21 Mitarbeiter dazu. In Höchstädt wird der Einheitswert der Grundstücke im Münchner Raum zur Ermittlung der Grundsteuer bewertet. Das müsse nicht in München geschehen. Söder nennt das Projekt in Höchstädt „die am meisten besprochene Behördenverlagerung in der jüngsten bayerischen Geschichte“. Er lobt wiederholt den CSU-Landtagsabgeordneten Georg Winter als Motor des Projekts und weist gegenüber unserer Zeitung die von der Grünen-Abgeordneten Claudia Stamm geäußerte Kritik zurück, er habe seinem Parteifreund aus Höchstädt damit einen Gefallen getan. Behördenverlagerungen seien ein wichtiges Instrument aktiver Strukturpolitik. Der Landkreis Dillingen sei bei der Landesentwicklung ein Raum mit besonderem Handlungsbedarf. „Und Bayern ist nicht nur München.“ Die Behördenverlagerung nach Höchstädt gebe mit 57 Arbeitsplätzen und einer Investition von elf Millionen Euro einen richtigen Strukturimpuls. Und es seien ja keine Zwangsversetzungen. „Von den 36 bisherigen Mitarbeitern kommt die Hälfte aus der Region“, betont Söder.
650000 Akten wurden inzwischen in den Neubau auf dem ehemaligen Krankenhausgelände geschafft. Auf etwa 2600 Quadratmetern Nutzfläche seien optimale Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter des Finanzamts geschaffen worden. „Der Standort Höchstädt ist ein Vorzeigebeispiel für eine moderne und gelungene Behördenverlagerung“, sagt der Finanzminister. So sieht es auch der Chef des Münchner Finanzamts, Hans-Herbert Szymanski. Von den etwa 3500 Mitarbeitern seiner Behörde arbeiten inzwischen rund 700 in Außenstellen, unter anderem auch in Dillingen.
Frieder Vogelsgesang, Bereichsleiter Hochbau am Staatlichen Bauamt in Krumbach, glaubt, dass Höchstädt durch den Neubau architektonisch und strukturpolitisch gewonnen habe. Am Schluss spricht der mehrfach gelobte Georg Winter: „Ich freue mich besonders, dass wir hier wieder etwas zusammengebracht haben.“ Im Übrigen sei die Behördenverlagerung „ein echt grünes Programm“, das von einigen Grünen wohl nicht verstanden werde. Weniger Fahrstrecke auf dem Weg zur Arbeit bedeute weniger Umweltbelastung. Den zweiten Bauabschnitt, den Bau einer 6,8 Millionen teuren Herberge für fortbildungswillige Lehrer am Standort des ehemaligen Schwesternwohnheims, hat die Staatsregierung nach der Kritik des Bayerischen Obersten Rechnungshofs (ORH) auf Eis gelegt. Söder sagt: „Momentan gibt es noch keine neuen Pläne.“
Nach dem Festakt geht’s vom Rittersaal zur Besichtigung in die neue Bewertungsstelle. Personalratsvorsitzende Angelica Dullinger ist sichtlich angetan. Für Mitarbeiter, die nicht mehr so weit pendeln müssen, sei das eine Erleichterung. Und als Dullinger den Ausblick auf das Schloss und die Altstadt genießt, sagt sie: „Das ist ein richtiges Paradies hier.“ "Bayern/Kommentar