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Glaube: Ein Pfarrer auf Youtube

Glaube

Ein Pfarrer auf Youtube

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    Mit solchen Aufnahmen unterlegt Ammich visuell seine Videos auf Youtube, wo er zu seiner Gemeinde spricht.
    Mit solchen Aufnahmen unterlegt Ammich visuell seine Videos auf Youtube, wo er zu seiner Gemeinde spricht.

    Der Palmsonntag war für Buttenwiesens Pfarrer Klaus Ammich mit einer nie da gewesenen Erfahrung verbunden. Draußen schien die Sonne, herrlichstes Wetter für eine Palmprozession sei das gewesen, sagt Ammich. Doch der Tag, an dem er sonst stets mit seiner Gemeinde den Einzug Jesu nach Jerusalem feiert und die Kirchgänger auf das Osterfest einstimmt, war dieses Mal eine recht einsame Angelegenheit. Mit Pfarrer Kotonski und Gemeindereferentin Marlies Landherr beging er in der Kirche den Gottesdienst, das Kirchenportal blieb für seine Gemeinde versperrt. „Das hat sehr geschmerzt“, sagt Ammich.

    Die Corona-Krise ist auch für Gläubige zu einer großen Belastung geworden. Das spürt Klaus Ammich, der sonst das direkte Gespräch für die Seelsorge sucht, jeden Tag. Ein Telefonat kann in seinen Augen ein persönliches Vier-Augen-Gespräch oft nicht ersetzen. Die zentralen Elemente seiner Tätigkeit als Pfarrer, die persönliche Seelsorge und der feierliche Gottesdienst, sie werden von der

    Doch der 56-Jährige hat eine Möglichkeit gefunden, seine Gemeinde zu erreichen: Er hat einen Youtube-Kanal eröffnet. Seit gut drei Wochen erscheint dort jeden Tag ein Video, immer rund fünf Minuten lang. Zum Palmsonntag etwa erschien ein Video, in dem Ammich seine Gedanken zu diesem Tag äußert, der für ihn wie kein zweiter für die Zwiespältigkeit des Lebens steht. Während die Leute bei seinem Einritt Jesus zujubeln, werden viele ihn Tage später beschimpfen und rufen: „Kreuzige ihn!“. Ammich zieht Parallelen zum Rückhalt für jeden Menschen, der in den guten Zeiten scheinbar so groß ist, bei Schwierigkeiten aber schnell in Ablehnung bei den Mitmenschen umschlagen kann. Ammich spricht langsam und bedacht, in klaren, ungekünstelten Sätzen. Unterlegt sind seine Worte mit ruhiger Orgelmusik. Es ist eine kurze Predigt im virtuellen Raum.

    Visuell hat der Pfarrer seine gesprochenen Gedanken mit vielen seiner zahlreichen Bilder unterlegt – und die haben eine Qualität, die für einen Hobbyfotografen außergewöhnlich ist. Ammich hat nie eine professionelle Ausbildung genossen, wie er sagt, sondern betreibe die Fotografie ausschließlich „als Hobby und zum Spaß“. Das tut er seit mehr als 40 Jahren, und die Erfahrung merkt man dem Pfarrer in seinen Werken ebenso an wie sein gutes Auge. Die Naturfotografien Ammichs sind oft schwelgerisch, manchmal reduziert, stets bemüht um eine stimmige Komposition. Egal, ob er Sonnenuntergänge in den Bergen fotografiert oder eine Libelle in Super-Nahaufnahme, Ammich schafft es, den Naturaufnahmen eine würdevolle Ausstrahlung zu verleihen. Zu seinen Worten und den Orgelklängen gehen sie auf seinem Youtube-Kanal eine perfekte Synergie ein, schaffen sakrale Stimmung, ohne aufgesetzt zu wirken.

    Das sehen seine Zuschauer genauso. „Seit ich den Kanal gestartet habe, erreichen mich viele positive Zuschriften und Rückmeldungen“, sagt der Pfarrer, hörbar erfreut über den Zuspruch. In einem Seniorenheim im Landkreis Augsburg gehöre das gemeinsame Ansehen des täglichen Videos inzwischen zum Tagesablauf. Das habe ihn sehr gerührt, sagt Ammich. Mancher Senior lasse sich von seinen Enkeln zeigen, wie er zu dem Video gelangt. Diese Rückmeldungen erfährt er manchmal beim Einkaufen, aus sicherer Entfernung – die derzeitige Lage beschränkt seine persönlichen Interaktionen auf solche kurzen Gespräche.

    Die Reaktionen auf seine Videos freuen Ammich auch deshalb, da sich diese neue Form seiner Pfarrerarbeit so unvertraut anfühle, wie er sagt. Beim Einsprechen der Texte sei er sich ziemlich komisch vorgekommen, und auch mit dem Erstellen von Videos hatte er zuvor keine Erfahrung. Genau wie bei der Fotografie hat er sich hier selbst eingearbeitet. Bevor er sein erstes Video auf die Videoplattform hochlud, befielen ihn Zweifel. „Ich habe mich gefragt: Interessiert das überhaupt jemand? Will das jemand sehen?“, sagt Ammich. Die klare Antwort darauf ist „ja“ – sein Kanal verzeichnet nach drei Wochen schon mehr als 11000 Aufrufe.

    Doch das Projekt neigt sich seinem Ende entgegen – am Ostermontag will Ammich sein letztes Video hochladen. So gerne er die Videos für seine Gemeinde bereitstellt, so sehr wünscht er sich nun den gewohnten Gang der Dinge zurück. Die Osterfeierlichkeiten werden Matthias Kotonski, Marlies Landherr und er selbst in der Kirche abhalten – wieder ohne Gemeinde, die nur im Geiste bei ihnen sein soll. Mit der Zeit lerne man die Angewohnheiten der Kirchgänger kennen, sagt Ammich. Auf welcher Bank wer sitzt, wann derjenige erscheint – einen Gottesdienst vor der leeren Kirche abzuhalten, das sei seltsam. „Vielleicht begreifen wir nach der Krise, wie schön das eigentlich ist, der gemeinsame Alltag“, sagt Ammich. "Diese Woche

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