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Eine Kultur der Achtsamkeit gefordert

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Eine Kultur der Achtsamkeit gefordert

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    "Nicht wegschauen", forderte Referentin Maria Johanna Fath zum Thema sexualisierte Gewalt. Foto: Anton Stegmair
    "Nicht wegschauen", forderte Referentin Maria Johanna Fath zum Thema sexualisierte Gewalt. Foto: Anton Stegmair Foto: Anton Stegmair

    Wie die Räte schmerzlich feststellen mussten, kam es in den letzten Jahrzehnten auch immer wieder zu Fällen von Gewalt und Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen und Kreisen. Doch dass dies kein ausschließlich kirchliches Thema sei, davon konnte die Theologin und Traumatherapeutin Maria Johanna Fath vom Haus Tobias in Augsburg berichten. Knapp 25 Männer und Frauen, darunter auch Pfarrer Ludwig Michale, waren auf Einladung der Pfarreiengemeinschaft ins Wertinger Pfarrheim gekommen.

    "Nicht wegschauen, sondern hinschauen!", so hat die Pastoralreferentin den Vortragsabend überschrieben. Dies sei auch zentrale Aussage ihrer Ausführungen, so Fath. Nachdem das Thema durch die Aufdeckungen aus dem Tabubereich gehoben wurde, gehe es nun darum, vor allem im präventiven Bereich sich schützend vor Kinder und Jugendliche zu stellen.

    So erläuterte die Referentin, die auch Mitglied des neuen diözesanen Arbeitsstabes zum Thema Gewalt und Missbrauch in der Kirche ist, zunächst die Begrifflichkeiten. Es gehe darum, genau hinzuschauen. "Der Mensch nimmt nur das wahr, was er auch wahrhaben will", so Fath. "Deshalb ist es wichtig, innerlich zuzulassen, dass es die Frage der Gewalt und des Missbrauchs auch in den vertrauten Umgebungen der Familie und in der Kirche gibt". Es gelte, wachsam zu sein und auf Anzeichen zu achten, die von Opfern solcher Gewalterfahrungen ausgehen. Es brauche in unserer Kirche und in der Gesellschaft eine "Kultur der Achtsamkeit".

    Dazu gehöre, dass zum Beispiel auch eine Pfarrgemeinde offen ist für dies Thema, und eine Sprachfähigkeit entwickle und fördere, über derartige Erfahrungen in angemessener Weise zu sprechen. Auch brauche es gute Vorbilder, an denen sich Kinder und Jugendliche für das Erlernen von Lebenswissen und Verhalten orientieren können. Um im Bedarfsfall sachgerecht helfen zu können, ist es wichtig, Fachstellen und Fachleute zu wissen, an die man Opfer weiter verweisen kann. Diese seien auch im Umfeld von Wertingen zu finden, wie zum Beispiel der Weiße Ring in Dillingen oder der neue Arbeitsstab der Diözese mit Sitz in Augsburg. Ein zweiter Punkt der Ausführungen von Maria Johanna Fath war ein Einblick in die Abläufe in der Psyche eines Gewaltopfers. Anhand des Modells der "traumatischen Zange" erfuhren die Zuhörer, dass jedes Opfer einer traumatischen Erfahrung Verarbeitungsmechanismen entwickelt, die ihm helfen sollen, das Erfahrene zu bewältigen und in das Leben einzuordnen, was aber nicht immer gelingt. Viele reagierten daher mit dem Ausblenden oder Verdrängen dieser Erfahrungen oder von Teilbereichen des traumatischen Erlebnisses, was selbst zu seelisch oder körperlich sichtbaren Leiden führen kann. Daher komme es auch dazu, dass viele Opfer erst nach Jahren oder Jahrzehnten wieder an diese Erfahrungen erinnert werden und im positiven Falle die Kraft finden, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

    Als Mitglied des neuen Arbeitsstabes "Missbrauch" in der Diözese Augsburg sieht die Referentin neben der offenen Annahme der Opfer, die sich in den letzten Wochen gemeldet haben und auch wohl noch weiter melden werden, besondere Aufgaben in der Präventionsarbeit. Viele Jugendverbände der Kirche hätten bereits, so die Referentin, in der Ausbildung ihrer Gruppenleiter das Thema "sexualisierte Gewalt" und Umgang mit Kindern und Jugendlichen im Bereich Nähe und Distanz sowie Grenzen und Grenzverletzungen in ihrem Ausbildungszyklus. Als eine Aufgabe einer Pfarrgemeinde sehe Fath daher, das Thema sachgerecht in die Öffentlichkeit zu bringen und sensibilisierend und unter Einbeziehung von Fachstellen auch Menschen in derartigen Notsituationen kompetent zur Seite stehen zu können.

    Hilfe gibt es im Internet auf den Seiten der Bischofskonferenz (www.dbk.de) oder des Bayerischen Innenministeriums (www.km.bayern.de)

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