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Buttenwiesen: Was in Buttenwiesen als jüdisches Vermächtnis bleibt

Buttenwiesen

Was in Buttenwiesen als jüdisches Vermächtnis bleibt

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    Dieser Einwecktopf gehörte einst dem Buttenwiesener Juden Josef Neuburger, bevor er ins Ghetto Piaski deportiert wurde.
    Dieser Einwecktopf gehörte einst dem Buttenwiesener Juden Josef Neuburger, bevor er ins Ghetto Piaski deportiert wurde.

    Ein alter „Weckhafen“ ist der zentrale Gegenstand der aktuellen Ausstellung in der ehemaligen Synagoge in Buttenwiesen. Das mag zunächst irritieren, doch die Geschichte dahinter ist hochinteressant und sehr bewegend: Vor einem halben Jahr schenkte ein Bürger diesen Einwecktopf, der jahrzehntelang in seiner Familie aufbewahrt worden war, der Gemeinde. Früher, als es noch keine Kühlschränke gab, waren solche Töpfe hochmodern und sehr wertvoll. Deswegen war es dem mit 36 anderen Juden deportiert und über Augsburg und München ins Ghetto Piaski gebracht. Der genaue Ort und Zeitpunkt des Todes von Josef Neuburger, seiner Frau Else und der beiden Töchter Irma und Ilse sowie der übrigen deportierten Buttenwiesener Juden ist nicht bekannt; entweder sind sie schon im Ghetto umgekommen oder im Vernichtungslager Belzec ermordet worden.

    Was mit dem Buttenwiesener Josef Neuburger geschah, ist unklar

    Der Wecktopf ist damit ein Zeugnis vergeblicher Hoffnung, ein Zeugnis guter Nachbarschaft zwischen einer christlichen und einer jüdischen Familie, aber auch ein Zeugnis der Erinnerung an die jüdische Vergangenheit Buttenwiesens. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrten keine Juden mehr zurück. Viele Spuren ihrer Kultur sind inzwischen verschwunden oder nur noch für Kundige erkennbar. Doch die Gemeinde befasst sich nach einer langen Phase der Verdrängung inzwischen intensiv damit. Dazu gehört eben auch der Einwecktopf, der an Josef Neuburger und seine Familie erinnert. Die Veranstaltungsreihe „Jüdisches Erbe entdecken – Vielfalt leben“ hat bei ihren zahlreichen Besuchern das Bewusstsein dafür geweckt, was für ein Schatz in Buttenwiesen vorhanden ist. „Die Gemeinde macht sich auf den Weg, diesen Schatz des jüdischen Erbes zu heben“, freut sich Bürgermeister Hans Kaltner.

    Zu diesem Schatz gehört auch die Mikwe, die Bernhard Hof – Beauftragter der Gemeinde Buttenwiesen für jüdisches Erbe und Erinnerungskultur –- als „Prunkstück des jüdischen Ensembles“ bezeichnet. Dieses herausragende Kulturdenkmal von überregionaler Bedeutung stand im Zentrum des vierten und letzten Themensonntags. Das heute bestehende Gebäude ist etwa 1856 errichtet worden; sein Vorläufermodell wurde erstmals 1807 erwähnt, doch die Anfänge reichen vermutlich weit in das 17. Jahrhundert zurück. Heute wirkt das Häuschen, in dem das jüdische Ritualbad durch archäologische Untersuchungen in den Jahren 2010/11 freigelegt wurde, mit seinen gelben Wänden, dem roten Dach und den grünen Fensterläden besonders einladend. Drinnen kann man das Tauchbecken und das Regenwassersammelbecken sowie eine kleine Ausstellung über die Geschichte der Mikwe und die Nachnutzung als Wohnhaus und Arrestzelle besichtigen. Doch die Menschen, die nach dem Zweiten Weltkrieg dort wohnten, wussten nicht einmal, was unter dem Boden der Küche und des Kinderzimmers verborgen war. Johann Wegner wohnte als Kind in dem Haus. Er erzählt im Themenfilm, dass er zwar die Schule besuchte, zu der die Synagoge nach dem Krieg umgebaut worden war, dass er aber nichts über die Vorgeschichte dieses Gebäudes erfahren hatte. Die jüdische Vergangenheit wurde damals einfach totgeschwiegen.

    Die Mikwe in Buttenwiesen ist deutschlandweit einmalig

    Dabei ist das Ritualbad „ziemlich einmalig in diesem Erhaltungszustand in dieser Art“, wie Bernhard Hof in seiner Führung erklärte. Deswegen wurde das Haus auch zu einem begehbaren Denkmal ausgestaltet. Am Beispiel der sanierten Mikwe wird gut deutlich, wie verantwortungsbewusst die Gemeinde heute mit ihrem jüdischen Erbe umgeht. Nun will man sich der Synagoge annehmen. Es ist ein „ganz großes Projekt, die Synagoge zu sanieren und den Synagogenraum wiederherzustellen und damit ein Begegnungszentrum der Bürger, einen Lernort für Schüler und einen Ort des Gedenkens und der Erinnerung zu schaffen“, erläutert Hans Kaltner im Kurzfilm, der an diesem Tag Premiere hatte.

    Peter F. Schneider aus München führte durch den musikalischen Nachmittag und gab viele interessante Erklärungen zur Liedauswahl.
    Peter F. Schneider aus München führte durch den musikalischen Nachmittag und gab viele interessante Erklärungen zur Liedauswahl.

    So soll daran erinnert werden, dass mehr als 370 Jahre lang Juden in Buttenwiesen lebten – und an gute Nachbarschaft zwischen verschiedenen Kulturen, die die Gemeinde Buttenwiesen erst zur Blüte geführt hat, denn: „Seht doch, wie gut und schön es ist, wenn Brüder in Eintracht beisammen wohnen.“ So lautet die Übersetzung des ersten Lieds, das beim offenen Singen im Zehentstadel auf dem Programm stand. Dort wurden jiddische und hebräische Lieder vorgetragen; das Publikum war zum Mitsingen eingeladen. Peter F. Schneider aus München führte durch den musikalischen Nachmittag und gab viele interessante Erklärungen zur Liedauswahl. Sogar eine Uraufführung beinhaltete das hochkarätige Musikprogramm mit jüdischen Melodien und Kompositionen für Klarinette und Klavier: Johannes Feldmann (Klavier) und Peter F. Schneider (Komposition, Klarinette) stellten ein eigens für diesen Tag komponiertes Themenstück vor. Der Titel lautete „Erneuerung“, was die Intention der Veranstaltungsreihe gut zusammenfasst: über jüdisches Leben in Vergangenheit und Gegenwart sowie über das Verhältnis zwischen Deutschen und Juden damals wie heute ins Gespräch zu kommen. Entsprechend bildete der mehrfach ausgezeichnete Dokumentarfilm „Germans and Jews – Eine neue Perspektive“ von Janina Quint, in dem über Antisemitismus und deutsche Schuld aus heutiger Sicht reflektiert wird, den perfekten Abschluss der vier Themensonntage.

    Schritt für Schritt soll sich der Lernort weiterentwickeln

    Schritt für Schritt soll sich nun der „Lernort für Vielfalt, Menschenwürde und Demokratie – gegen Antisemitismus“ weiterentwickeln. Wer sich für eine Zusammenschau der bisherigen Entwicklung interessiert und die vier Themensonntage noch einmal Revue passieren lassen will, ist am Dienstag, 19. Oktober, um 19:30 Uhr ins Filmcenter Dillingen eingeladen. Im Rahmen der 22. Kulturtage des Landkreises

    „Friede wohne in deinen Mauern. Glück in deinen Palästen. Shalom!“, sangen die Besucher des Zehentstadels am Nachmittag – eigentlich über die goldene Stadt Jerusalem. Bleibt zu hoffen, dass der neu entstehende Lernort zu mehr Frieden zwischen verschiedenen Religionen, aber auch allgemein zwischen Menschen mit verschiedenen Ansichten beiträgt. Diesen Wunsch formulierte auch der Komponist Peter F. Schneider in einer seiner Anmoderationen: „Vielleicht liegt dieser Friedensort ja irgendwo zwischen Augsburg und Donauwörth.“

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