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Buttenwiesen: Ein neues Bürgerzentrum in Buttenwiesen?

Buttenwiesen

Ein neues Bürgerzentrum in Buttenwiesen?

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    Großer Andrang herrscht beim zweiten Themensonntag auf dem Louis-Lamm-Platz in Buttenwiesen. Somit wurde dieser zu einem richtigen Begegnungsort. Bei der anschließenden Podiumsdiskussion ging es um die Frage, was künftig aus der Synagoge werden soll.
    Großer Andrang herrscht beim zweiten Themensonntag auf dem Louis-Lamm-Platz in Buttenwiesen. Somit wurde dieser zu einem richtigen Begegnungsort. Bei der anschließenden Podiumsdiskussion ging es um die Frage, was künftig aus der Synagoge werden soll.

    Sie soll zu einem Begegnungsort werden. Einen Vorgeschmack darauf bot der vergangene Sonntag, an dem sich zahlreiche Menschen – natürlich mit dem erforderlichen Abstand – auf dem Louis-Lamm-Platz in Buttenwiesen versammelt hatten. Alle waren gekommen, um mehr über die „Pforte des Himmels – mitten im Ort“ zu erfahren: die ehemalige Synagoge. Die Veranstaltungen liefen im Rahmen des zweite Themensonntags der Reihe „Jüdisches Erbe entdecken - Vielfalt leben“.

    Führungen Bernhard Hof und Dr. Johannes Mordstein boten Themenführungen an. Ein besonderes Highlight waren die Kinderführungen von Elisabeth Havelka und Kulturreferent Johannes Baur, die auf vielfältige Weise das Judentum erleben ließen. Insgesamt 90 Anmeldungen gab es allein für die Führungen, aber auch viele Spontanentschlossene waren gekommen.

    Geschichte der SynagogeSie erfuhren Interessantes und Kurioses über die Geschichte der Synagoge. Trotz einer Schändung des Innenraums durch die Nationalsozialisten hatte sie den Zweiten Weltkrieg relativ unbeschadet überstanden, war aber danach in eine Schule umgebaut worden. Zwischenwände und eine Zwischendecke wurden eingezogen, der aufwändig gestaltete Giebelaufbau eines Portals vor dem Toraschrein wurde in Stücke zerschlagen. Heute ist die Innenausstattung nicht mehr andeutbar, der Raumeindruck nicht mehr erlebbar.

    So sah der Innenraum der Synagoge Buttenwiesen einmal aus. Heute ist der Raumeindruck nicht mehr erlebbar.
    So sah der Innenraum der Synagoge Buttenwiesen einmal aus. Heute ist der Raumeindruck nicht mehr erlebbar. Foto: Gemeindearchiv Buttenwiesen

    Alles, was an das Judentum erinnerte, wurde nach dem Krieg aus dem Ortskern verbannt und erst ab den späten 1980er Jahren wiederentdeckt – so auch die Außenfassade mit neomaurischen Architekturelementen, angedeutet und symbolhaft. Von Fotografien weiß man, dass ein Spruchband auf der Westfassade folgende Aufschrift in hebräischen Lettern trug: „Wie Ehrfurcht gebietend ist dieser Ort! Hier ist nichts anderes als das Haus Gottes und die Pforte des Himmels.“

    Wer noch mehr über das einst so eindrucksvolle Gotteshaus wissen wollte, konnte sich im Anschluss an die Führung im Gebäudeinneren informieren: Im „Raum für das Thema“ waren verschiedene Fundstücke ausgestellt, die einen – wenn auch nur kleinen – Eindruck von der einstigen Pracht und Bedeutung der ehemaligen Synagoge verschafften. Noch mehr Eindrücke bot ein Kurzfilm von Daniel Reichenberger und Johannes Haider: In engem Zusammenhang mit der Geschichte der Synagoge zeigt er das gute Neben- und Miteinander von jüdischer und christlicher Gemeinde in der zweiten Hälfte des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts auf.

    Was wird aus der Synagoge? Über den künftigen Umgang mit der Synagoge in Buttenwiesen, die momentan nur eingeschränkt nutzbar ist, wurde im Zehentstadel als Höhepunkt und Abschluss des zweiten Themensonntags ein Podiumsgespräch durchgeführt. Sachkundige Referenten befassten sich mit dem Thema: „Künftig wieder ein lebendiges Zentrum der Gemeinde? Entwicklungsperspektiven des jüdischen Ensembles mitten im Ort“.

    Diskussion um künftigen Umgang mit der Synagoge in Buttenwiesen

    Zunächst ließen Bettina und Bernhard Hof einige Stationen ihres Sommerurlaubs neu aufleben, der sie zu verschiedenen Synagogen im bayerischen und württembergischen Schwaben sowie in Oberbayern geführt hatte. Nach dem Motto „Man muss ja nicht die gleichen Fehler wie andere machen; es gibt schließlich genug neue!“ teilten Experten von drei Stationen, die das Ehepaar Hof besonders inspiriert hatten, ihre Erfahrungen bei der Sanierung und Rekonstruktion „ihrer“ Erinnerungsorte mit den fünfzig Gästen im Zehentstadel. Christian Herrmann berichtete von der Sichtbarmachung der Fellheimer Synagoge im Zuge eines Dorferneuerungsprozesses, Dr. Sybille Krafft umriss die Entwicklung des Badehauses Waldram-Föhrenwald und Stadtarchivarin Johanna Fuchs stellte die Rekonstruktion der Synagoge Bopfingen-Oberdorf vor.

    Bedeutung Alle wiesen vor allem auf die Bedeutung von engagierten Ehrenamtlichen hin und betonten, dass es wichtig sei, auch junge Leute für das Projekt zu begeistern und in Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Nur so könne der Erinnerungsort nachhaltig mit Leben gefüllt werden. Weitere interessante Beispiele, an denen die Buttenwiesener sich orientieren könnten, präsentierten weitere Experten.

    Mit vielen Inspirationen wurden die Gäste in die Pause entlassen, die von Stefan Gebauer und Paul Steinhagen von der Musikschule Wertingen musikalisch gestaltet wurde. Zusammen mit ihrer Schlagzeuglehrerin Dunja Lettner trugen sie Stücke aus ihrem Wettbewerbsprogramm „Jugend musiziert“ vor. Für das leibliche Wohl sorgte die Montessorischule mit Kaffee, Kaltgetränken und jüdischem Gebäck, sodass alle frisch gestärkt für den zweiten Teil des Programms waren, durch den Hans Kaltner führte. „Zu spüren, was für ein Potenzial besteht, allerdings auch bewältigt werden muss“ macht für den Buttenwiesener Bürgermeister den besonderen Reiz dieses Themas aus. Er würde gerne um das jüdische Ensemble herum eine Ortsmitte gestalten, die „lebenswert, attraktiv und zukunftsfähig“ ist und den friedlichen Umgang zwischen Kulturen und Religionen betont, der die Gemeinde Buttenwiesen erst zur Blüte geführt hat.

    „Spannend wie ein Krimi“ (Zitat Kaltner) wurde es schließlich, als Wolfgang Lorenz über die Ergebnisse seiner Bauforschungen in der Synagoge berichtete und Prof. Dr. Johannes Geisenhof erste Resultate seiner Machbarkeitsstudie zur Entwicklung des jüdischen Ensembles vorstellte.

    Eines der Häuser ist Zeugnis einer jüdischen Familie, die im Holocaust ausgelöscht wurde

    Dabei bezog er auch die beiden Häuser Marktplatz 10 und 12 mit ein. Eines der Häuser am ehemaligen „Judenhof“ ist Zeugnis einer jüdischen Familie, die im Holocaust komplett ausgelöscht wurde, das andere wurde von einer Familie bewohnt, die dann ins Exil in die USA ging. Ob diese Häuser - wie der Architekt sich gut vorstellen könnte - zu Lernorten für jüdisches Wohnen und Leben werden, steht noch in den Sternen.

    Das Besondere An der Schlussrunde nahm neben den Referenten auch Alice Klaassen von der Landesstelle für die nichtsstaatlichen Museen in Bayern teil. Sie betonte einleitend, dass es kaum etwas gibt, was mit dem jüdischen Ensemble in Buttenwiesen vergleichbar ist, weil Synagoge, Mikwe und jüdischer Friedhof so dicht beieinander liegen. Wie dieser große Vorteil gegenüber anderen Erinnerungsorten nun umgesetzt wird, muss erst noch diskutiert werden.

    Der Gemeinderat steht vor einer großen Aufgabe und hat einige Grundsatzentscheidungen zu treffen. Dass es dazu vielfältige, teils kontroverse Ideen gibt, die erst einmal reifen müssen, zeigten auch die Beiträge aus dem Publikum: Mut zur Lücke oder so viel Rekonstruktion wie möglich? Pfarrer Mathias Kotonski von der katholischen Pfarreiengemeinschaft Buttenwiesen bevorzugt beispielsweise einen „Raum, der durch die Leere spricht als starkes Zeichen, das betroffen macht“. Einig sind sich jedenfalls alle, dass es ein „Ort für Begegnungen“ werden soll, „die dem Frieden dienen und die den Frieden fördern“, wie es Pfarrerin Ingrid Rehner von der evangelischen Betlehemgemeinde Wertingen treffend formuliert. Bernhard Hof, der Beauftragte der Gemeinde Buttenwiesen für jüdisches Erbe und Erinnerungskultur, und Bürgermeister Kaltner haben jedenfalls einen passenden Titel für dieses spannende Projekt gefunden, das inzwischen bereits auf Hochtouren läuft und durch den erfolgreichen zweiten Themensonntag noch bekannter wurde: „Jüdisches Buttenwiesen - Lernort für Vielfalt, Menschenwürde und Demokratie“.

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