Mit einem guten Gefühl geht Johann Wegner am Sonntag durch die restaurierte Mikwe in Buttenwiesen. Früher war das sein Elternhaus. Schon von außen sieht es wunderschön aus, wie ein schmuckes schwäbisches Häuschen. Durch ein schlichtes Eingangstor, links von der Synagoge in Richtung jüdischer Friedhof, ist das Gebäude zu erreichen. Nie habe in der Kindheit des 72-Jährigen jemand davon als von einem wertvollen Gebäude gesprochen.
Damals wurde es auch noch nicht als Mahnmal gesehen, das es wert sei, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Heute sind durch ein Fenster aufgrund der Beleuchtung am Tag und in der Nacht die Treppe und das Becken zu sehen, das einst zur rituellen Reinigung der jüdischen Gläubigen diente. In seiner Kindheit stand dort sein Bett, der Boden war aufgefüllt.
Das Buttenwiesener Gebäude beherbergte in den 1950er Jahren vier Personen
Die Mikwe wurde anlässlich des Tags der jüdischen Kultur am Sonntag der Öffentlichkeit präsentiert. Als Wohnhaus bot sie seiner Familie mit zwei Kindern Platz. Was wiederum die Wohnverhältnisse in den 1950er-Jahren verdeutlicht, wie der Buttenwiesener Geschichtsexperte, Johannes Mordstein, erläuterte.
1950 haben Wegners, die Eltern des Buttenwieseners, die ehemalige Mikwe gekauft und ihre Kinder dort großgezogen. Seit Mitte der 1980er-Jahre stand das Haus leer. Es verfiel mehr und mehr.
Die Entscheidung, das Gebäude an die Gemeinde Buttenwiesen zu verkaufen, hat sich für Johann Wegner als die richtige herausgestellt.
Warum Buttenwiesen das damals marode Gebäude kaufte
Es zu restaurieren, obwohl es von den Ausmaßen her eher unscheinbar wirkt, wie Bürgermeister Hans Kaltner beim Festakt am Sonntag betonte, hatte gute Gründe: „Es ist ein städtebauliches Juwel an einem intimen Ort.“
Denn das Ensemble – Synagoge, Mikwe und jüdischer Friedhof – sei einmalig in Schwaben, in Bayern und auch in Deutschland, ist sich Kaltner mit den Experten einig. „Das ist ein Alleinstellungsmerkmal, dass es wert ist, sich Gedanken zu machen.“ Denn es zeige, dass über Jahrhunderte hinweg friedliches Zusammenleben möglich war. Und den Grundstein dafür legte die Gemeinde Buttenwiesen im Jahr 2004, als sie das Haus erwarb. Damals war Norbert Beutmüller Bürgermeister.
Landrat Schrell erinnert sich an seine Bürgermeisterzeit in Buttenwiesen
Die Geschichte der Juden in Buttenwiesen ist gut erforscht. „Da ist zuvorderst der vor sieben Jahren verstorbene Franz Xaver Neuner zu nennen“, erinnerte Landrat Leo Schrell, früher selbst Bürgermeister der Gemeinde im unteren Zusamtal, und ergänzte: „Ich kann mir das Zimmer noch vorstellen, in dem er eine ganze Latte Material zusammengetragen hatte.“
Neuners bleibender Verdienst sei es, die jüdische Geschichte Buttenwiesens dem Vergessenwerden entrissen und die Bedeutung der jüdischen Mitbürger ins Blickfeld gerückt zu haben, „und zwar schon früh in der Nachkriegszeit, wo viele den Mantel des Schweigens über den unsäglichen Umgang des NS-Regimes mit den Juden legen wollten“. Mordsteins Hartnäckigkeit sei es laut Bürgermeister Kaltner zu verdanken, dass das Projekt tatsächlich zur Realisierung gekommen war.
Was ist ein Ritualbad überhaupt?
Mordstein erläuterte, dass das Gebäude keine Einrichtung für die körperliche Hygiene, sondern für die rituelle Reinigung gewesen sei. „Nur wer rituell rein war, durfte an den Gottesdiensten und den rituellen Handlungen teilnehmen“, führte er aus. Frauen etwa sollten nach der Geburt oder der Menstruation mit dem gesamten Körper in „lebendigem Wasser“ untertauchen. Als lebendig galt Regen- oder Grundwasser beispielsweise. In der 1860 gebauten Mikwe konnte das aus dem Brunnen geholte Wasser erwärmt und über einen Abfluss gereinigt werden, damit es auch hygienisch den Anforderungen gerecht wurde.
Mordstein erklärte: „Das ist in vergleichbaren Ritualbädern selten, auch deshalb ist es ein Kulturdenkmal von überregionaler Bedeutung.“
Große symbolische Bedeutung hat die Restaurierung des Gebäudes auch für Arkadiy Lyubinskiy, Vorstandsmitglied der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Schwaben-Augsburg. Die Mikwe spiele eine große Rolle im jüdischen Leben. Ihm ist dieses Zeichen sehr wichtig: „Die Verantwortlichen in Buttenwiesen verstehen, wie wichtig dieses Symbol ist, denn die Mikwe ist Teil der gemeinsamen Geschichte.“ In der es dunkle und helle Seiten gebe, die nicht ausgestrichen werden können.
Laut Bürgermeister Kaltner werden die Gesamtkosten bei rund 350.000 Euro liegen. Durch Zuschüsse des Landkreises, der Regierung von Schwaben, Bereich Städtebauförderung, des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege, der Landesstiftung, der Landesstelle für nicht staatliche Museen und des Bezirks Schwaben muss Buttenwiesen nur 50.000 Euro davon tragen. Der Bürgermeister dankte der Bevölkerung in diesem Zusammenhang: „Die Mehrheit der Bürger steht dahinter.“ Wie oft und wann die Mikwe geöffnet werden soll, ist noch unklar.
Den Festakt umrahmte das Holzbläsertrio der Wertinger Musikschule.