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Buttenwiesen: Ein Unterthürheimer liest die zehn Gebote auf hebräisch

Buttenwiesen

Ein Unterthürheimer liest die zehn Gebote auf hebräisch

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    Zahlreiche Besucher, wie auf dem Bild von links Stefan Baur, Stefan Gmähle und Hubert Götz, schauten sich die Ausstellung auf dem Louis-Lamm-Platz an. Vor allem die Skulptur zog Aufmerksamkeit auf sich, welche die Form der Synagoge widerspiegelt.
    Zahlreiche Besucher, wie auf dem Bild von links Stefan Baur, Stefan Gmähle und Hubert Götz, schauten sich die Ausstellung auf dem Louis-Lamm-Platz an. Vor allem die Skulptur zog Aufmerksamkeit auf sich, welche die Form der Synagoge widerspiegelt.

    Eigentlich war es ganz anders geplant. Ein Film- und Ausstellungsraum in der ehemaligen Synagoge sollten Platz für die Besucher bieten, die sich auf 370 Jahre jüdisches Leben in Buttenwiesen einlassen. Statt der wertvollen Reproduktion des Kolleffel-Ortsplans von 1750 sahen die Besucher am Sonntag nun Bilder auf einem der zahlreichen Banner im Freien.

    Das jüdische Gebetshaus in Buttenwiesen

    Auch wiedergefundene Bruchsteine aus dem jüdischen Gebetshaus, das 1857 gebaut wurde, und die Chronik von Israel Lammfromm aus dem Jahr 1910 konnten nicht einfach an der frischen Luft ausgestellt werden, wie Bernhard Hof verdeutlicht. Die Macher um den Beauftragten für jüdisches Erbe und Erinnerungskultur der Gemeinde Buttenwiesen haben sich einiges einfallen lassen.

    Nicht nur zum geschichtlichen Hintergrund – auch ein vom Grafiker Christoph Komposch entworfenes Logo für Vielfalt, Menschenwürde und Demokratie setzt ein Zeichen gegen den Antisemitismus. Und eine Skulptur, die in der Form an die Synagoge erinnert und wieder entfernt werden soll, wenn deren Fassade wiederhergestellt sein wird. Nicht nur für Kinder interessant war das Rätsel, zu dem es auf Plakaten viel Wissenswertes zu entdecken gab. Dass solche Veranstaltungen wichtig sind gegen das Vergessen, sind sich Rita und Bernd Wolf einig. Die beiden sind aus Dillingen nach Buttenwiesen gekommen.

    Der ehemalige Bezirksheimatpfleger Schwabens, Peter Fassl, informierte.
    Der ehemalige Bezirksheimatpfleger Schwabens, Peter Fassl, informierte.

    Anni Aumiller und Karin Schedler haben einen näheren Bezug: „Von den Eltern haben wir immer noch die Namen gehört, die sind uns geläufig“, erzählen die Seniorinnen aus Frauenstetten. Hubert Götz aus Augsburg findet diese Art des Erinnerns an die gemeinsame Vergangenheit der Juden und Christen gut. An der Geschichte im Landkreis sehr interessiert zeigten sich auch Stefan Gmähle aus Gundelfingen und Stefan Baur aus Dillingen. Der findet es toll, dass die Informationen im Rahmen der Möglichkeiten der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

    Sondersitzung im Zehentstadel Pfaffenhofen

    Dazu zählt auch die Sondersitzung des Gemeinderats im Zehentstadel in Pfaffenhofen, zu der Bürgermeister Hans Kaltner begrüßte. Eindrucksvoll demonstrierten die Buttenwiesener hier, was Einfallsreichtum und das Nutzen unterschiedlichster Netzwerke bewirken kann. Die Agentur creativeJam aus Dillingen machte es möglich, die Sitzung per YouTube-Livestream ins Internet zu übertragen. Denn aufgrund der Corona-Vorgaben durften nur unmittelbar Beteiligte, aber keine Zuschauer vor Ort sein.

    Der Buttenwiesener Gemeindearchivar Dr. Johannes Mordstein hatte eines der wenigen noch vorhandenen Relikte aus der örtlichen Synagoge dabei, eine Zehn-Gebote-Tafel. Franz Pirzl aus Unterthürheim las die Aufschrift im Original-Wortlaut vor. Er beherrscht die hebräische Sprache, weil er 20 Jahre in Israel gelebt hat.

    Franz Pirzl übersetzte die zehn Gebote auf der Tafel der ehemaligen Synagoge.
    Franz Pirzl übersetzte die zehn Gebote auf der Tafel der ehemaligen Synagoge.

    Anschließend sahen die Zuschauer die Premiere des Dokumentarfilms von Daniel Reichenberger und Johannes Haider, welche die Sondersitzung auch moderierten. „Weit über 200 Jahre lang harmonierte das Zusammenleben von christlicher und jüdischer Kultur in Buttenwiesen. Es folgten eine Zeit der Entrechtung und Verfolgung und danach Jahrzehnte, in denen das jüdische Erbe beinahe in Vergessenheit zu geraten schien“, fasste Haider zusammen.

    Ein weiterer Film zeigte ein Interview des Echo-Teams des Gymnasiums Wertingen mit Bernhard Hof, der unter anderem erklärte, dass die jüdische Gemeinde im 18. Jahrhundert etwas mehr als die Hälfte der Einwohner Buttenwiesens stellte.

    Hof betonte: „Es ist wichtig zu sehen, was an Fruchtbarem entstehen kann aus einem friedlichen Zusammenleben von Menschen verschiedener Konfessionen, wenn man gegenseitige Achtung hat und sich ernst nimmt.“

    Heimatpflegerin Claudia Ried wartete mit historischen Hintergründen auf.
    Heimatpflegerin Claudia Ried wartete mit historischen Hintergründen auf.

    Die Spuren jüdischen Lebens im Ort zeigte Dr. Johannes Mordstein in einem weiteren Film auf. Historische Fakten dazu lieferten Dr. Claudia Ried, Heimatpflegerin des Landkreises Augsburg, und Dr. Peter Fassl, ehemaliger Bezirksheimatpfleger Schwaben. Das Expertengespräch moderierte Dr. Johannes Mordstein. Unter anderem erläuterten sie, dass die Juden schon im Mittelalter immer wieder von ihren Wohnorten ausgewiesen und vertrieben wurden und erst 1871 die Gleichstellung festgeschrieben wurde. Bis dahin waren viele bereits nach Nordamerika ausgewandert oder, sobald es ihnen erlaubt war, in die Städte gezogen, wo sie beruflich und wirtschaftlich mehr Möglichkeiten hatten. Viele von denen, die blieben, spielten im Gemeinschaftsleben bald eine wichtige Rolle, in den Gemeinderäten und Vereinen brachten sie sich ein und sorgten durch ihre Offenheit für viele Neuerungen.

    1942 wurden 41 Juden aus Buttenwiesen deportiert, 40 wurden ermordet. Viele Jahre sei dieser Teil der gemeindlichen Geschichte vergessen worden. Doch die Gemeinden müssten die Verantwortung wahrnehmen, um damit dem Antisemitismus entgegenzutreten, stellte Dr. Fassl klar. Bürgermeister Kaltner betonte: „Wir betrachten es als unsere große Aufgabe, die jüdische Geschichte in unserer Gemeinde weiterzutragen.“

    Eine Bildergalerie vom ersten Themensonntag finden Sie hier:

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