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Wahl-Pannen: Warum die Bundestagswahl in Berlin noch nicht vorbei ist

Wahl-Pannen

Warum die Bundestagswahl in Berlin noch nicht vorbei ist

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    Berliner Landeswahlleiterin will Amt nach Pannen bei Wahl abgeben Wahlhelfer und Wahlhelferinnen zählen in einem Wahllokal Stimmzettel für die Bundestagswahl. Berlins Landeswahlleiterin Petra Michaelis stellt nach zahlreichen Pannen bei der Wahl am vergangenen Sonntag ihr Amt zur Verfügung. «Ich übernehme die Verantwortung im Rahmen meiner Funktion als Landeswahlleiterin für die Umstände der Wahldurchführung am 26.09.2021», teilte sie am Mittwoch mit. Sie bitte um ihre Abberufung. +++ dpa-Bildfunk +++<br>
    Berliner Landeswahlleiterin will Amt nach Pannen bei Wahl abgeben Wahlhelfer und Wahlhelferinnen zählen in einem Wahllokal Stimmzettel für die Bundestagswahl. Berlins Landeswahlleiterin Petra Michaelis stellt nach zahlreichen Pannen bei der Wahl am vergangenen Sonntag ihr Amt zur Verfügung. «Ich übernehme die Verantwortung im Rahmen meiner Funktion als Landeswahlleiterin für die Umstände der Wahldurchführung am 26.09.2021», teilte sie am Mittwoch mit. Sie bitte um ihre Abberufung. +++ dpa-Bildfunk +++<br> Foto: Sebastian Gollnow

    Berlinerinnen und Berliner sind es gewohnt, dass in der Hauptstadt vieles nicht funktioniert. Der 26. September 2021 indes kam selbst vielen Hauptstädterinnen und Hauptstädtern komisch vor – zumindest denen, die an diesem Wahlsonntag ihre Stimme abgeben wollten. Denn da traten dermaßen viele Unregelmäßigkeiten auf, dass es nun möglichst eine Wahlwiederholung geben soll. Angedacht ist das Frühjahr 2023, aber etwas Genaues weiß man in Berlin gerade nicht. Rein rechtlich gesehen muss der Wahlgang wiederholt werden. Ob solch ein teures Verfahren jedoch Sinn macht?

    Auf den Bundestag hätte eine Wiederholung offenbar keine Auswirkungen. Im Land Berlin könnte es zu kleineren Verschiebungen kommen. Im Zentrum der Entwicklung steht Bundeswahlleiter Georg Thiel, üblicherweise ein Mann mit starken Nerven. Als Präsident des Statistischen Bundesamtes vertraut er der Zuverlässigkeit der Zahlen und hat gelernt, mit kleinen Abweichungen zu leben. Rund 60,4 Millionen Menschen waren bei der Bundestagswahl 2021 wahlberechtigt, da können kleinere Pannen vorkommen.

    Wahlberechtigte mussten stundenlang in der Sonne warten

    Die Berliner Pleiten-Serie indes veranlasste Thiel, einen geharnischten Brief an die verantwortliche Landeswahlleiterin Petra Michaelis zu schicken und einen Bericht anzufordern. Michaelis trat kurz nach der Wahl von ihrem Amt zurück, ihren Bericht lieferte sie noch – er könnte aus einer Bananenrepublik stammen. Einige Wahllokale waren am 26. September verschlossen, in anderen fehlten Stimmzettel. Im Berliner Bezirk Pankow mussten die Wahlberechtigten bei brütender Hitze bis zu zwei Stunden Wartezeit in Kauf nehmen. Viele Wählerinnen und Wähler konnten von ihrem Wahlrecht gar nicht Gebrauch machen, wie Thiel kritisierte. Flächendeckend war die Stimmabgabe vielfach bis 19 Uhr, in einigen wenigen Orten bis 20 Uhr, in einem Wahllokal gar noch bis kurz vor 21 Uhr möglich.

    Grundsätzlich dauert eine Wahl von 8 bis 18 Uhr. Das Chaos hatte auch damit zu tun, dass in Berlin nicht nur über den Bundestag, sondern auch über das Abgeordnetenhaus, die Bezirksverordnetenversammlung sowie viertens über den Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen!“ abgestimmt wurde. Die Komplexität des Wahlsonntags mit gleich vier Wahlgängen sei „massiv unterschätzt worden“, urteilte eine vom Berliner Senat eingesetzte Expertenkommission. Sie gibt gleichzeitig aber auch „unklaren Verantwortlichkeiten“ die Schuld am Chaos – eine vergleichsweise charmante Beschreibung einer sorglosen Haltung in den Berliner Amtsstuben, die es schon Friedrich Wilhelm Voigt ermöglichte, als Hauptmann von Köpenick Kasse zu machen.

    Die Wiederholung der Wahl in Berlin dürfte teuer werden

    Die Obleute im Wahlprüfungsausschuss des Bundestags lasen sich den Bericht der Kommission genau durch, schüttelten die Köpfe – und entschieden sich für eine teilweise Wiederholung der Bundestagswahl in 400 der rund 2300 Berliner Wahllokale. Betroffen wären alle zwölf Berliner Bundestags-Wahlkreise. Die Verwaltung soll nun eine Beschlussvorlage erarbeiten, abgestimmt wird im Oktober. Die Wahl könnte im Frühjahr 2023 wiederholt werden. Ein genauer Termin hängt davon ab, ob und wann die Landtagswahl in Berlin ebenfalls wiederholt wird, denn aus Kostengründen sollen beide Urnengänge an einem Tag stattfinden. Was wiederum mit Blick auf Berlin schwierig zu werden scheint, denn laut Expertenkommission mangelt es in der Verwaltung an den entscheidenden Strukturen, um eine Wahl pannenfrei abhalten zu können.

    Für notwendige Verbesserungen müsste zudem das Wahlrecht geändert werden, das dauert. Darüber hinaus fehlt es am Geld. Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hat noch nicht erkennen lassen, ob sie einer Wahlwiederholung auf Landesebene zustimmt. Der Generalsekretär der Berliner CDU, Stefan Evers, hingegen erklärte bereits, die Stadt müsse sich "in großem Umfang auf Wiederholungswahlen einstellen". Er warf dem Senat vor, trotz aller Warnungen noch keine Vorbereitungen dafür getroffen zu haben. "Kopf in den Sand ist keine Strategie, Frau Giffey", kritisierte er.

    Die Folgen einer Neuwahl in Berlin dürften begrenzt bleiben

    Bundeswahlleiter Thiel hat eine komplette Wahlwiederholung in sechs der insgesamt zwölf Wahlkreise verlangt. Davon wären rund 1200 Wahllokale betroffen. Die Union will ebenfalls in sechs Wahlkreisen neu wählen lassen. Beim Wahlvolk könnte es angesichts des ganzen Hickhacks an der Einsicht mangeln, dass eine Wiederholung überhaupt Sinn macht. Zumal die Auswirkungen offenbar überschaubar sind. Das Wahlrecht und die Berechnung der Stimmenanteile gestalten sich zwar kompliziert, aber dass die Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP ihre Mehrheit verliert, erwartet im Reichstagsgebäude niemand.

    Denkbar sind allenfalls kleinere Verschiebungen. So gewann die ehemalige Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) ihr Direktmandat im Wahlkreis Berlin-Reinickendorf nur knapp gegen den SPD-Herausforderer Torsten Einstmann. Grütters bekam 34.148 Stimmen, Einstmann 32.375. In solchen Fällen könnte eine Wahlwiederholung Veränderungen auslösen. Ob das jedoch als Begründung ausreicht? Viele Menschen, so wird im politischen Berlin gemutmaßt, könnten den Wahlurnen aus Desinteresse fernbleiben. Was einen Vorteil hätte: Die Wahlen würden pünktlich fertig werden.

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