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Türkei: Deutsche Welle gesperrt: Wie Präsident Erdogan unerwünschte Kritik loswird

Türkei

Deutsche Welle gesperrt: Wie Präsident Erdogan unerwünschte Kritik loswird

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    Der türkische Präsident Erdogan versucht die letzten regierungsunabhängigen Medien zum Schweigen zu bringen.
    Der türkische Präsident Erdogan versucht die letzten regierungsunabhängigen Medien zum Schweigen zu bringen. Foto: Markus Schreiber, dpa

    Als der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan jetzt eine Erhöhung des Mindestlohnes bekanntgab, war ihm ein begeistertes Medienecho gewiss. "Freudenbotschaft" lautete die Schlagzeile in vielen Zeitungen und Fernsehsendern, denn die Regierung kontrolliert die meisten von ihnen. Nur wenige Blätter, Sender und Internetplattformen stellten klar, dass die Lohnanhebung für Millionen Beschäftigte nicht einmal ausreicht, um die Inflation auszugleichen. Für Türken wird es künftig schwieriger, kritische Berichte zu finden, denn die Regierung erhöht vor den Wahlen im kommenden Jahr den Druck auf die Medien – auch auf westliche Anbieter mit türkischem Inhalt. 

    Das türkische Internet unterliegt schon länger der Zensur. Zum ersten Mal verbot die Türkei nun auch die türkischsprachigen Internetangebote öffentlich-rechtlicher Medien aus dem Westen. Auf Antrag der Rundfunk-Kontrollbehörde RTÜK sperrte ein Gericht in Ankara den Zugang zur Internetseite der steuerfinanzierten Deutschen Welle (DW) und zum türkischen Angebot des vom US-Kongress finanzierten Senders Voice of America (VoA). Die Rundfunkaufsicht erklärte, sie respektiere die Pressefreiheit, aber die Medien müssten sich an die Gesetze halten. Vertreter der Regierung haben im RTÜK-Vorstand die Mehrheit.

    Nicht genehme Videos sollten gelöscht werden

    DWund VoAhatten sich geweigert, bei RTÜK eine Sende-Lizenz zu beantragen. Eine Lizenz hätte die DWverpflichtet, Videos zu löschen, deren Inhalte der Rundfunkaufsicht nicht gefallen, erklärte DW-Intendant Peter Limbourg. "Das ist für einen unabhängigen Medienanbieter schlicht inakzeptabel."

    Weil die DWalle Sprachangebote unter einem Dach zusammenfasst, wurde sie in der Türkei komplett gesperrt, während bei VoAnur das türkische Angebot abgedreht wurde. "Hier habt ihr eure Pressefreiheit und eure moderne Demokratie", lautete der sarkastische Kommentar von Ilhan Tasci, einem Oppositionsvertreter bei RTÜK.

    Der Journalistenverband CGD warf RTÜK vor, sich als Knüppel der Regierung missbrauchen zu lassen. RTÜK verurteilte kürzlich vier oppositionelle Fernsehsender zu Geldstrafen, weil sie über eine Ansprache von Oppositionschef Kemal Kilicdaroglu berichtet hatten. In der Videobotschaft sagte Kilicdaroglu, Erdogan lenke Millionensummen auf die Konten regierungsnaher Stiftungen und bereite seine Flucht ins Ausland vor. Nach einer Aufstellung von RTÜK-Mitglied Tasci hat die Behörde im ersten Halbjahr Geldbußen von insgesamt zehn Millionen Lira (570.000 Euro) gegen Oppositionssender verhängt. Regierungskritische Anstalten erhielten 30 Strafen, regierungsnahe Häuser nur drei.

    Die Pressefreiheit ist in der Türkei stark bedroht

    Der Staat belässt es nicht bei Geldstrafen. Nach Zählung der Opposition wurden allein im Juni 30 Journalisten in der Türkei festgenommen. Zwanzig von ihnen kamen bei einer Polizeiaktion im kurdischen Südosten des Landes in Haft. Die

    Vor den nächsten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen, die spätestens im nächsten Juni stattfinden müssen, könnte der Druck noch zunehmen. Die Regierung arbeitet an einer Novelle des Pressegesetzes, die Haftstrafen von bis zu drei Jahren für jeden vorsieht, der "irreführende" Nachrichten verbreitet und damit "Angst und Panik" auslöst. Mit dem geplanten Gesetz werde die regierungstreue Justiz vor der Wahl tausende kritische Twitter-Kommentare verfolgen können, sagt der Medienexperte Yaman Akdeniz. Die Verabschiedung ist für Oktober geplant.

    Noch gibt es über Umwege Zugriff auf das Programm

    Damit würde die Regierung eine Lücke schließen. Sie hat über regierungsfreundliche Verleger die meisten konventionellen Medien auf ihre Linie gebracht, doch bei den sozialen Medien und dem Internet ist ihr das bisher nicht gelungen. Presserechts-Aktivisten sehen in der Sperrung von DWund VoAeinen Versuch dazu. Ziel der Zensur gegen die beiden ausländischen Sender sei es, "vor den Wahlen im nächsten Jahr kritische Medien zum Schweigen zu bringen", erklärte Gulnoza Said, Direktorin für Europa und Zentralasien beim Committee to Protect Journalists in New York.

    Ob die Regierung damit durchkommen wird, ist offen. DWund VoAbieten trotz der Gerichtsentscheidung weiter türkische Berichte im Internet an. Per Twitter, wo sie gemeinsam mehr als eine Million türkische Follower haben, geben sie ihren Lesern Ratschläge, wie sie die Zugangssperren umgehen können.

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