Da stutzt mein Begleiter ein wenig: „Heinemann – wie?“ „Ja, das ist Heinemanns Rote Spätlese.“ Er nimmt etwas ungläubig die prallen Johannisbeeren in die Hand und kostet. „Die heißen so“, erkläre ich. „Ach so!“ Und dann lacht er laut und schallend, denn auch er heißt so: Heinemann, Vorname Ingolf. Von seinen roten Namensvettern hat er bisher allerdings noch nichts gewusst. Wir streifen durch die Beerenhecken des Weißenhorner Kreismustergartens, zupfen hier, pflücken da, diskutieren, ob Heinemanns Rote Spätlese besser schmeckt als die Rovada oder eine der anderen Beerensorten.
Start in Illertissen: Auf der Radtour sehen Sie blühende Oasen
Hier darf probiert werden – von den Beeren oder den mehr als 100 Obstsorten. Und wenn jemand sich mal ein Salatblatt aus dem Hochbeet in den Mund steckt, sagt auch niemand was. Schließlich will diese 9000 Quadratmeter große Anlage eine Art Garten der Möglichkeiten sein und Hobbygärtner inspirieren. Der Kreismustergarten ist eine blühende Oase – und Oasen sind das Ziel unserer Tour.
Nach dem Start in Illertissen sind wir erst mal über die Iller ins württembergische Regglisweiler zum Kloster Brandenburg hochgestrampelt, einem modernen Tagungszentrum, in dem aber auch 39 Nonnen leben. Sie haben einen schönen Garten angelegt und bieten Räume zum Innehalten an. „Wir haben einen Hausgeistlichen. Die Radfahrer können hier also auch beichten, meditieren oder einfach nur mittags zum Essen kommen“, sagt Hannelore Stroppel, Leiterin des Hauses. Oder sie kaufen im Klosterladen selbst gemachte Marmelade oder Kuchen im Glas, hergestellt von den „Immakulata-Schwestern vom seraphischen Apostolat“. Empfehlenswert: Schwester Ediths Zitronenkuchen.
Der ließe sich wunderbar verspeisen im Herrenweihergarten, dem grünen Herz von Regglisweiler. Er wird von den Bürgerinnen und Bürgern des Ortes gepflegt, ist klein, fein, ruhig und besitzt eine Kneipp-Tretanlage. Es geht recht entspannt weiter nach Illerrieden und von dort über die Iller zurück ins Bayerische.
Die Radwege zum Kloster Brandenburg bieten wunderbare Natur
Kurz vor der Flussüberquerung lohnt sich ein winziger Schwenk zur Seite nach links: Im Illerauwald schimmert ein Biotop durch die Bäume, das nicht einfach nur irgendein Altwasser ist. Drei ältere Herren haben es vor Jahren vom Müll befreit und liebevoll einen kleinen Kunstgarten angelegt mit Material, das sie in der Nähe fanden: Steine, bizarre Wurzeln, Federn – eine Oase für die Fantasie.
Das lässt sich natürlich noch um ein Vielfaches steigern: Die Illertisser Jungviehweide mit der Staudengärtnerei und den „improvisierten Gärten“ nebendran ist nach dem Kreismustergarten Weißenhorn das Ziel und gleichzeitiger Höhepunkt unserer Garten- und Kräuter-Tour. Mit Sicherheit wäre Dieter Gaissmayer mit seiner Gärtnerei etwas weniger erfolgreich, wenn er und sein Team sie nicht so liebevoll mit allerlei Krimskrams zu einer Art Recycling-Zaubergarten umgestaltet hätten. Da wird das rostige Fahrrad auf einer Holzbrücke ebenso zum Landschafts-Kunstwerk wie das alte Bettgestell, in dem steinerne Fische „herumschwimmen“.
Die Fahrradtour endet mit Entspannung
Ein wunderbarer Platz in den improvisierten Gärten, die von unterschiedlichen „Paten“ sehr spielerisch angelegt wurden, ist der quadratische Birkenhain. In der Mitte steht ein alter Gartenstuhl zum Ausruhen oder Meditieren. Natürlich beenden Ingolf Heinemann und ich die Tour standesgemäß mit etwas Rotem: einer Apfel-Johannisbeerschorle. Ob der Saft allerdings aus „Heinemanns Roter Spätlese“ stammt, werden wir wohl nie erfahren.
Tourüberblick
Schwierigkeitsgrad: 2 von 5
Streckenlänge: 46,8 km
Höhenmeter: 238 m
Belag: Die Wege sind überwiegend gut, allerdings wird es durch das Ried zwischen Tiefenbach und Grafertshofen etwas steinig, da dort die Route über Feldwege führt. Der überwiegende Teil der Strecke wird aber auf Asphalt zurückgelegt. Davon sind etliche Radwege, vor allem entlang von Ortsverbindungsstraßen.
Start/Ziel: Die Tour beginnt und endet in Illertissen am Bahnhof. Sie kann auch alternativ in Vöhringen gestartet werden. Um von dort aus auf die Strecke zu gelangen, bitte die südlich des Bahnhofs gelegene Unterführung in den Haselnussweg nehmen und rechts abbiegend in die Mittelstraße bis zur Rue de Vizilles fahren. Von dort geht es nach links in Richtung Weißenhorn.
Wegbeschreibung
Illertisser Bahnhof: Die Tour beginnt am Illertisser Bahnhof. Wir unterqueren die Bahnlinie durch die Unterführung, fahren in der Fabrikstraße nach Norden, biegen in die Friedrich-Ebert-Straße, folgen ihr bis zur Siegfried-Ott-Straße. Der Radweg-Beschilderung nach bis zur Straße „Zur Siede“. Von dort nach Norden bis zur Ortsmitte von Au, immer weiter, bis links die Lange Straße abzweigt, nach 100 Metern in die Brandenburger Straße. Über die Iller geht es nach Regglisweiler.
Regglisweiler: Auf der Staatsstraße nördlich zur Abzweigung der Zollerbergstraße. Nach dem Abstecher zum Kloster Brandenburg (ausgeschildert) weiter über Brandenburger Straße, links zur Mittelstraße und danach zur Pfarrer-Brunner-Straße. Dort liegt nach 200 Metern der Herrenweihergarten. Über die untere Weiherstraße führt die Route nach Norden über den Radweg nach Wangen und Richtung Illerrieden. Ein kurzes Stück auf der L260, dann rechts auf den Radweg bis Ende des Industriegebiets. Nach rechts und am Waldrand entlang zur Vöhringer Straße kurz vor der Illerbrücke. Das Biotop „Grüne Lunge“ liegt links im Wald.
Vöhringen: Auf der Illerstraße zum Rathaus, rechts in die Kolping- und links in die Bachgasse. Über die Memminger Straße in die Rue de Vizilles. Auf dem Radweg über den Kreisverkehr hinaus. Nach etwa zwei Kilometern folgen wir der Beschilderung Richtung Riedhof (Unterführung). Etwa 800 Meter nach der Gaststätte Riedhof links auf einen Feldweg nach Tiefenbach.
Tiefenbach: An der Kreuzung links bis zum nach rechts abzweigenden Weg nach Bubenhausen.
Bubenhausen: Rechts über die Roth-Brücke, danach gleich links auf den Feldweg. Diesem teilweise schlechten Weg folgen wir nach Grafertshofen. Rechts über die Brücke, dann links über die St. Wendelin Straße zum Kreisverkehr.
Weißenhorn: Im Kreisverkehr gleich links auf die Staatsstraße, über den nächsten Kreisverkehr in die Herzog-Ludwig-Straße. Beim folgenden Kreisel links in Richtung Senden bis zur Abzweigung zum Kreismustergarten.
Der Rückweg: Zurück in Richtung Innenstadt der Ulmer Straße folgen. Durch das Untere Stadttor und die Altstadt, durch das Obere Tor. Rechts in die Memminger Straße. Geradeaus nach Süden. Zwischen Gannertshofen und Obenhausen rechts in den Weg zur Riedmühle. Nach Westen bis zur Staudengärtnerei auf Wegen, die etwas zickzack verlaufen. Danach über die A7-Brücke, links, bis zur Vöhlinstraße. Rechts hinunter nach Illertissen.
Tipps
Einkehr
- Kloster Brandenburg: Am Schlossberg 3, Regglisweiler, Telefon 0 73 47/95 50. Sonntag Mittagstisch nach Voranmeldung. Mit reichhaltigem Klosterladen. Internet www.kloster-brandenburg.de
- Hubertus Biergarten: Illerstraße 28 in Vöhringen, 0 73 06/92 28 81, täglich 16.30 bis 23 Uhr, Sonntag 11 bis 23 Uhr, Montag Ruhetag. Internet www.schuetzenheim-voehringen.de
- Riedhof: Riedhofstraße 40, Vöhringen, Tel. 0 73 06/45 51, Internet http://web2.cylex.de/firma-home/riedhof-4010867.html
- Eiscafé Saviane: Hauptplatz 6, Weißenhorn, Montag bis Samstag ab 10.30 Uhr, Sonntag ab 11 Uhr. Telefon 0 73 09/92 91 18. Internet www.saviane.de
- Cafe Sonnenschein: In der Staudengärtnerei Illertissen, April bis September von Montag bis Freitag 11 bis 18 Uhr, Samstag 11 bis 14 Uhr. Telefon 01 72/8 86 53 97. Internet www.cafesonnenschein.de
Natur
- Kreismustergarten in Weißenhorn: Er hat das ganze Jahr über geöffnet. Weitere Infos unter 07 31/70 40-4 40.
- Staudengärtnerei Gaissmayer: Sie ist zwischen April und Oktober von Montag bis Freitag, 8 bis 18 Uhr geöffnet, samstags bis 14 Uhr. Telefon 0 73 03/72 58. Internet www.gaissmayer.de
- Die Gartenlust: Im September eine Schau rund um den Garten auf der Jungviehweide Illertissen
Kultur
- Museum der Gartenkultur: Jungviehweide 1, 89257 Illertissen, Das im Februar 2013 eröffnete Museum zeigt unter anderem historische Gartengeräte und alte Kulturpflanzen. Es ist in seiner Art deutschlandweit einmalig. Montag bis Samstag 10 bis 18 Uhr (Bei der Staudengärtnerei), Telefon 0 73 03/9 52 47 48, www.museum-der-gartenkultur.de