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Würzburg: Würzburger Jurist zum "Generalstreik"-Aufruf gegen die Ampel: Arbeitsrechtlich ist das "Blödsinn"

Würzburg

Würzburger Jurist zum "Generalstreik"-Aufruf gegen die Ampel: Arbeitsrechtlich ist das "Blödsinn"

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    "Zum Streik aufrufen dürfen in Deutschland nur Gewerkschaften", sagt Bernd Spengler, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Würzburg.
    "Zum Streik aufrufen dürfen in Deutschland nur Gewerkschaften", sagt Bernd Spengler, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Würzburg. Foto: Silvia Gralla

    Die Bahn will wieder streiken, der Bauernverband ruft ab 8. Januar zu einer Protestwoche auf und die Spediteure wollen sich anschließen. Das allein klingt bereits nach Chaos. Nun kursieren in sozialen Netzwerken Aufrufe zu einem sogenannten Generalstreik, alle Berufsgruppen sollen demnach aus Protest gegen die Ampel-Regierung am kommenden Montag ihre Arbeit niederlegen.

    Arbeitsrechtlich sei das "Blödsinn", sagt Bernd Spengler, Fachanwalt für Arbeitsrecht. Im Gespräch erklärt der Würzburger Jurist, wo der Unterschied zwischen Streik und Protest liegt, warum er den Aufruf zum wilden

    Frage: Herr Spengler, im Internet kursieren derzeit Aufrufe zu einem sogenannten Generalstreik am 8. Januar. Ist das in Deutschland erlaubt?

    Bernd Spengler: Theoretisch wäre ein Generalstreik in Deutschland möglich – aber nur, wenn es um tarifvertragliche Regelungen geht und nicht um politische Proteste. Das Wesentliche eines Streiks ist, dass er zwischen Arbeitsvertragsparteien stattfindet: Der Zweck ist das Durchsetzen von Forderungen gegenüber Arbeitgebern. Ein Generalstreik wäre somit einzig erlaubt, wenn weite Teile der Arbeitnehmerschaft durch die Gewerkschaften zur Arbeitsniederlegung aufgefordert werden.

    Entscheidend ist also, wer zum Streik aufruft?

    Spengler: Richtig. Zum Streik aufrufen dürfen in Deutschland nur Gewerkschaften. Und Ziel eines Streiks muss es, wie gesagt, immer sein, Arbeitsbedingungen zu verbessern – und nicht Regierungen abzulösen. Der Aufruf zum Generalstreik aus Protest gegen die Ampel ist arbeitsrechtlicher Blödsinn.

    Wer darf in Deutschland überhaupt streiken?

    Spengler: Grundsätzlich haben alle Arbeitnehmer das Recht zu streiken und werden dabei von Gewerkschaften vertreten. Ausnahmen gibt es beispielsweise bei Beamten, die keinen Arbeitnehmerstatus haben und Einschränkungen zum Beispiel im Rettungsdienst beziehungsweise in Krankenhäusern.

    Im Gesundheitswesen sind Streiks generell schwieriger zu organisieren, denn ein Streik muss verhältnismäßig sein. Er darf nicht die Allgemeinheit schädigen, sondern soll den Arbeitgeber unter Druck setzen, das ist der Gegner. Aus diesem Grund gelten beispielsweise in Krankenhäusern Notstandsregelungen, die die Behandlung von Notfällen sichern.

    Und wann können Gewerkschaften zum Streik aufrufen?

    Spengler: Streiks sind möglich, wenn ein Tarifvertrag ausgelaufen ist und die zukünftigen Arbeitsbedingungen vereinbart werden. Sobald ein Tarifvertrag geschlossen ist, gilt die sogenannte Friedenspflicht. Das bedeutet, für die Laufzeit des Tarifvertrages gibt es keine Möglichkeit mehr, zu streiken. So legt es das deutsche Streikrecht fest.

    Wo liegt der Unterschied zwischen einem Streik und einem Protest?

    Spengler: Beim Streik geht es eben um Arbeitsbedingungen von Beschäftigten und er richtet sich gegen Arbeitgeber. Ein Protest richtet sich gegen eine politische Entscheidung. Entgegen mancher Äußerungen vom rechten Rand darf man in diesem Land jederzeit seine Meinung sagen und dafür auf die Straße gehen. Und selbstverständlich können die Landwirte gegen Maßnahmen der Bundesregierung protestieren – aber das ist politischer Protest und hat mit einem Streik nichts zu tun.

    Welche Konsequenzen zieht der Unterschied nach sich? Sprich, was heißt das arbeitsrechtlich für diejenigen, die am Montag dem Generalstreik-Aufruf folgen wollen?

    Spengler: Bei einem normalen Streik, den eine Gewerkschaft durchführt, darf ich als Arbeitnehmer teilnehmen, ohne dass mir arbeitsrechtlich irgendeine Gefahr droht. Sollte etwa die GDL im Tarifstreit mit der Bahn ab Montag zu Streiks aufrufen, können Lokführer die Arbeit niederlegen.

    Nur: Wenn am 8. Januar aufgrund des dubiosen Aufrufs zum Generalstreik ein Arbeitnehmer sagt, "ich streike heute mal" und das seinem Arbeitgeber mitteilt, riskiert er im schlimmsten Fall eine fristlose Kündigung. Das ist aus meiner Sicht das Gefährliche an diesem Aufruf: Es wird der Anschein erweckt, dass es ein gewerkschaftlich gesteuerter Streik sei. Aber es gibt niemanden, der berechtigtermaßen dazu aufgerufen hat, ausgenommen eben im Bereich der Lokführer.

    Also ist der in den Netzwerken angekündigte Generalstreik arbeitsrechtlich schlicht kein Streik?

    Spengler: Genau. Natürlich hat jeder das Recht auf Demonstrationsfreiheit. Ich kann mir Urlaub nehmen, den Protest der Landwirte unterstützen und neben den Traktoren herlaufen. Oder als Gastronom meine Kneipe auf eigenes wirtschaftliches Risiko geschlossen lassen. Aber das ist eine Privatangelegenheit. Wer unentschuldigt der Arbeit fern bleibt, riskiert sein Arbeitsverhältnis.

    Wäre es möglich, dass sich Gewerkschaften und Verbände branchenübergreifend zusammenschließen und es so zu einem Massenstreik kommt?

    Spengler: Es ist theoretisch denkbar, dass nicht nur die GDL zu einem Streik für die Lokführer aufruft, sondern parallel dazu Verdi oder diverse weitere Gewerkschaften. Allerdings haben Tarifverträge unterschiedliche Laufzeiten. Damit ist es unwahrscheinlich, dass alle Arbeitnehmer ihre Bedingungen zeitgleich gegenüber den Arbeitgebern durchsetzen wollen und es zu einem echten Generalstreik kommt.

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