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München: Welche Versprechen hat die bayerische Regierung eingelöst – und welche gebrochen?

München

Welche Versprechen hat die bayerische Regierung eingelöst – und welche gebrochen?

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    Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) (Archivfoto)
    Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) (Archivfoto) Foto: Peter Kneffel/dpa

    Versprochen – gehalten oder versprochen – gebrochen? Alle fünf Jahre, wenn in Bayern eine Regierungszeit zu Ende geht, stellt sich diese Frage. Doch vor dieser Landtagswahl am 8. Oktober gibt es in vielen Bereichen der Landespolitik keine einfachen Antworten. Niemand konnte die Corona-Pandemie oder den Krieg in der Ukraine vorhersagen. Insbesondere in der Gesundheits- und der Energiepolitik stellten sich plötzlich ganz neue Herausforderungen. Als pauschale Ausrede kann das aber nicht gelten. Der scheidenden Staatsregierung muss noch einmal auf die Finger geschaut werden.

    Ein solider Staatshaushalt hat in Bayern Tradition. Das noch unter der Vorgängerregierung erklärte Ziel, den Schuldenabbau konsequent fortzusetzen, um im Jahr 2030 komplett schuldenfrei zu sein, wurde 2018 im Koalitionsvertrag bekräftigt. Bei einer haushaltsmäßigen Verschuldung von rund 27 Milliarden Euro (Stand: 31. Dezember 2018) hätten, um dieses Ziel zu erreichen, rein rechnerisch im Schnitt mehr als zwei Milliarden Euro Schulden pro Jahr abgebaut werden müssen. Tatsächlich lag die Staatsverschuldung Ende 2022 bei 37 Milliarden Euro. „Dieser Anstieg“, so betont das Finanzministerium, „beruht ausschließlich auf den Folgen der Sonderbelastungen zur Bewältigung der Corona-Krise.“

    Finanzen in Bayern: Schuldenabbau wurde deutlich reduziert

    Die Corona-Sonderbelastungen erklären freilich nur den Anstieg der Verschuldung. Schon vor Corona allerdings entschied sich die Staatsregierung, den Schuldenabbau deutlich zu reduzieren, um die milliardenschwere Hightech-Agenda finanzieren zu können. In den Jahren 2019 und 2020 wurden nur noch 100 Millionen Euro Schulden getilgt. Ursprünglich geplant war eine Milliarde Euro. 2021 und 2022 wurden gar keine Schulden zurückgezahlt. Erst im Haushaltsplan 2023 ist wieder eine Schuldentilgung in Höhe von 50 Millionen Euro vorgesehen. Finanzminister Albert Füracker (CSU) sagt: „In der Krise gezielt in die Zukunft zu investieren, ist sinnvoller und effektiver, als blind zu sparen.“

    Die Kritiker, die den schuldenfreien Haushalt immer schon für eine Wahlkampfparole der CSU hielten, dürfen sich bestätigt fühlen. Wenn weiterhin nur 50 Millionen Euro pro Jahr getilgt werden, dann dauert es rein rechnerisch 740 Jahre, um die 37 Milliarden Euro Schulden abzubauen. Allerdings muss auch darauf hingewiesen werden, dass Bayern nach Sachsen die geringste Pro-Kopf-Verschuldung aller Bundesländer hat und zuletzt mit knapp zehn Milliarden Euro mehr als die Hälfte der Last im Länderfinanzausgleich zu tragen hatte.

    Die Staatsregierung rühmt Bayern als das sicherste Bundesland und die Statistik gibt ihr Recht. Die Kriminalitätsbelastung der Bevölkerung wird mit der sogenannten Häufigkeitszahl gemessen (Zahl der Straftaten pro 100.000 Einwohner pro Jahr). Sie lag im Freistaat im Jahr 2022 bei 4698. Ähnlich sicher lebt es sich nur in Baden-Württemberg (4944). Zum Vergleich: In den Flächenländern Nordrhein-Westfalen (7624) oder Sachsen-Anhalt (8226) wurden weit mehr Straftaten registriert. Am höchsten ist die Kriminalitätsbelastung in den Stadtstaaten. Negativer Spitzenreiter war im Jahr 2022 Berlin mit 14.135 Straftaten pro 100.000 Einwohnern.

    Personalaufbau bei der Polizei: Versprechen wurde gehalten

    Um das hohe Sicherheitsniveau zu halten, hat die Staatsregierung versprochen, das Personal bei der Polizei um 500 Stellen pro Jahr aufzustocken. Dieses Versprechen hat sie gehalten. Ihr Ziel, bis 2023 einen Personalstand von 45.000 Stellen (Polizisten, Verwaltungsbeamte, Arbeitnehmer) zu erreichen, hat sie sogar übererfüllt. Mit 45.047 Stellen wurde laut Innenministerium ein neuer Höchststand erreicht.

    Gescheitert ist sie mit dem Ziel, die Zahl der Überstunden bei der Polizei abzubauen. Zehn Prozent weniger pro Jahr sollten es sein. Tatsächlich stieg die Zahl der Überstunden von über 2,1 Millionen im Jahr 2018 auf knapp 3,3 Millionen im Jahr 2022. Pro Kopf bedeutet das: Jede Beamtin und jeder Beamte schiebt im Schnitt einen Berg von 98 Überstunden vor sich her. Vor fünf Jahren waren es noch 67. Als wichtigste Ursachen nennt das Innenministerium die Sonderbelastungen durch die Corona-Pandemie und den G7-Gipfel in Elmau im Jahr 2022.

    Noch längst nicht erfüllt hat sich auch der Wunsch von Ministerpräsident Markus Söder nach dem Aufbau einer „bayerischen Kavallerie“. Als neuer Chef der früheren CSU-Alleinregierung hatte er im April 2018 angekündigt, die berittene Polizei auf 200 Pferde auszubauen und in jeder Großstadt eine Reiterstaffel zu etablieren, in München sogar zwei. Im Koalitionsvertrag mit den Freien Wählern wurde die Zielmarke dann im Herbst 2018 auf 100 Pferde reduziert. Tatsächlich verfügt die Polizei aktuell nur über 64 Pferde an den drei Standorten

    Ihr Versprechen, die Dauer der Asylverfahren bei den Verwaltungsgerichten durch zusätzliche Richterstellen zu reduzieren, konnte die Staatsregierung halten. Zwar stieg, weil auch die Zahl der Asylbewerber deutlich zunahm, die Verfahrensdauer zunächst an – von 10,4 Monaten im Jahr 2018 auf 23 Monate im Jahr 2022. Mittlerweile aber ist der Löwenanteil abgearbeitet. Nach 41.000 Verfahren im Jahr 2018 sind jetzt nur noch rund 10.000 Verfahren anhängig. Aktuell sinkt die durchschnittliche Verfahrensdauer wieder. Sie liegt nach Angaben des Verwaltungsgerichtshofs im Moment bei 17,7 Monaten.

    Gerichte und Staatsanwaltschaften wurden gestärkt

    Ähnlich wie bei der Polizei hat die Staatsregierung auch bei der Justiz Wort gehalten. Das Bayerische Oberste Landesgericht, das in der Regierungszeit von Edmund Stoiber trotz heftiger Proteste aus der Justiz abgeschafft worden war, wurde wieder eingerichtet.

    Gerichte und Staatsanwaltschaften wurden gestärkt – um 144 auf aktuell 3400 Stellen. Für 2023 ist ein weiterer Stellenaufbau geplant.

    Die Ankündigungen waren vollmundig, das Ergebnis ist hingegen mager: 10.000 neue Wohnungen bis 2025 versprach Ministerpräsident Markus Söder (CSU) mit der im Juli 2018 gegründeten staatlichen Wohnbaugesellschaft „Bayernheim“. Ende Juni 2023 hat die

    Kritisiert wurde auch immer wieder die Konkurrenz der Bayernheim zu kommunalen oder genossenschaftlichen Wohnungsbaugesellschaften etwa beim Grundstückserwerb, sowie ineffektive Doppelstrukturen in der Verwaltung. Zumindest in der CSU sieht man dies inzwischen offenbar genauso: Im aktuellen CSU-Wahlprogramm wird jedenfalls die Fusion der Bayernheim mit den anderen staatlichen Wohnungsbaugesellschaften StadiBau und Siedlungswerk Nürnberg angekündigt.

    Zahl der Sozialwohnungen in Bayern ist gesunken

    Weitgehend gehalten wurde dagegen die Ankündigung aus 2018, knapp eine Milliarde Euro pro Jahr für sozialen Wohnungsbau zur Verfügung zu stellen: Mit einer leichten „Corona-Delle“ in 2020 und 2021 stieg die Förderung von 885,7 Millionen Euro 2018 auf 906,1 Millionen Euro in 2022 und rund eine Milliarde Euro in 2023. Allerdings stieg auch der Bundeszuschuss seit 2018 von 198 auf 389 Millionen Euro. Unter dem Strich ist die Zahl der Sozialwohnungen in Bayern durch Auslaufen der Sozialbindung dennoch weiter gesunken – von 135.000 in 2020 auf 133.000 in 2022. Als erfüllt sieht die Staatsregierung das Versprechen einfacherer Bauverfahren: So gilt mit der seit 2021 geltenden neuen Bauordnung ein Bauantrag automatisch als genehmigt, wenn die Behörde nicht binnen drei Monaten darüber entschieden hat. Und die bayerische Eigenheimförderung wurde wie angekündigt erhöht – zuletzt Anfang 2023 auf 50.000 Euro bei bestehenden Gebäuden plus 7500 Euro pro Kind.

    „Wir wollen das ganze Land zu einem Musterland des öffentlichen Nahverkehrs machen, mit einheitlichen Tarifen, einem klaren Takt, besseren Anschlüssen und mehr Komfort.“

    Bayerns Ministerpräsident Markus Söder im Jahr 2018

    „Wir wollen das ganze Land zu einem Musterland des öffentlichen Nahverkehrs machen, mit einheitlichen Tarifen, einem klaren Takt, besseren Anschlüssen und mehr Komfort“, hatte Söder 2018 versprochen. „Die Umsetzung läuft auf Hochtouren“, beteuert das zuständige Ministerium. Auf der Haben-Seite sieht man dort das 365-Euro Jahresticket für Schülerinnen und Schüler sowie Auszubildende in den Ballungsräumen, darunter in Augsburg und Würzburg. Zudem gebe es „an über 70 Prozent aller Stationen in Bayern, insbesondere den stärker frequentierten, bereits einen durchgehenden Stundentakt“. Die Servicequalität im Schienennahverkehr habe zudem „im Jahr 2022 ein Allzeit-Hoch erreicht“, die Pünktlichkeit liege auf dem Niveau von 2018.

    „Auf fast allen Strecken in Bayern“ gebe es moderne, klimatisierte und barrierefreie Bahnen. Ende 2023 sollen zudem rund 75 Prozent aller Fahrgäste in den Zügen kostenfreies WLAN nutzen können. Söders Versprechen von 2018 können damit allerdings nicht erfüllt werden: Damals war bis 2023 etwa ein 365-Euro-Ticket für alle Nutzer in Ballungsräumen, ein „einheitliches

    Wenige Versprechungen im Bildungsbereich

    Mit der Gründung eines eigenen Digitalministeriums wollte Ministerpräsident Söder ein Zeichen Richtung Zukunft setzen. Die politischen Ziele für die Digitalpolitik blieben aber überschaubar: So sollten alle Haushalte bis 2025 „gigabitfähig“ werden – aktuell gilt dies laut Ministerium für 66 Prozent, 91 Prozent können mit 100 Mbit/s surfen. Auch die Mobilfunkversorgung sollte „deutlich besser“ werden, aktuell gilt für 99 Prozent der Haushalte eine Versorgung mit 4G/LTE und 90 Prozent mit 5G. Zudem sollte die Verwaltung schon 2020 „komplett digital“ sein. Im kommunalen Bereich sei dies inzwischen zu „rund 98 Prozent umgesetzt“, beteuert das Ministerium. Aktuell werde daran gearbeitet, auf dieser Basis „den Bürgerinnen und Bürgern nutzerfreundliche und unkomplizierte digitale Services anzubieten“.

    Die Schulpolitik ist ein Dauerbrenner im Landtag. Konkrete Versprechen für den Bildungsbereich gab es 2018 allerdings nur wenige. Vor allem sollten bis 2023 laut Koalitionsvertrag 5000 zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer in Bayern eingestellt werden. Dieses Ziel wurde „sogar noch deutlich übertroffen“, teilt das Kultusministerium mit: Zum Schuljahr 2023/24 werde es gegenüber 2018 nun sogar 5780 zusätzliche Lehrerplanstellen geben. Zudem seien 550 Stellen für Schulpsychologen und 600 Verwaltungsstellen sowie 1620 Vollzeitstellen für die Beschulung ukrainischer Flüchtlingskinder geschaffen worden. Bislang sei es zudem immer gelungen, alle neuen Planstellen auch zu besetzen.

    Ein weiteres konkretes Versprechen aus 2018: Weniger Unterrichtsausfall und im Schnitt kleinere Klassen. Der Unterrichtsausfall sei „auf niedrigem Niveau stabilisiert“, so das Kultusministerium und lag zuletzt bei zwei Prozent. Die Klassengröße lag 2018 im Schnitt bei 21,1 und 2022 bei 21,2. Allerdings stieg die Zahl der Schülerinnen und Schüler unter anderem durch 30.000 ukrainische Kinder und Jugendliche von 1,64 Millionen im Jahr 2021 auf 1,67 Millionen in 2023. Kurz vor der Landtagswahl 2023 wurde zudem die 2018 versprochene Erhöhung der Eingangsbesoldung für Lehrkräfte an Grund- und Mittelschulen beschlossen, deren Gehalt nun stufenweise auf die Besoldungsstufe A 13 steigen soll. Ab 2028 erhalten dann alle Lehrkräfte in Bayern mindestens A 13.

    Rund 73.500 Kita-Plätze mehr als vor fünf Jahren

    Im Koalitionsvertrag 2018 waren 42.000 neue Betreuungsplätze für Kinder unter sechs Jahren angekündigt – ein Ziel, das trotz anhaltender Kritik an der angespannten Versorgung mit Kinderbetreuungsplätzen deutlich übertroffen wurde: Rund 73.500 Kita-Plätze gibt es nun mehr, als vor fünf Jahren. Auch die Zahl der Fach- und Ergänzungskräfte zur Kinderbetreuung stieg an – von 96.500 in 2018 auf 114.400 in 2023. Zudem seien rund 6000 „Teamkräfte“ zur Entlastung des Fachpersonals finanziert worden. Wie angekündigt, wurde zudem das einkommensabhängige staatliche „Krippengeld“ von bis zu 100 Euro pro Kind und Monat bis zum dritten Lebensjahr sowie der Zuschuss von 100 Euro pro Kind und Monat zum Elternbeitrag in staatlich geförderten Kitas bis zum Schuleintritt eingeführt. Zusammen mit dem ebenfalls neuen Familiengeld von 250 Euro pro Kind und Monat für ein- und zweijährige Kinder zahlt der Freistaat aktuell rund 1,37 Milliarden Euro für die Familienförderung. Damit wurde das Versprechen einer „Familienmilliarde“ im

    Bayern kümmert sich um alle Generationen“, hatte Ministerpräsident Söder zum Beginn seiner Amtszeit versprochen – und deshalb auch die Bereiche Gesundheit und Pflege zu einem Schwerpunkt-Thema erklärt. Bereits seit September 2018 gibt es etwa ein Landespflegegeld von tausend Euro pro Jahr – was den Freistaat rund 400 Millionen Euro kostet. Versprochen wurde zudem der Ausbau von mindestens tausend neue stationäre Pflegeplätze und 500 Kurzzeitpflegeplätze. Entstanden sind laut Gesundheitsministerium mehr als 4000 Pflegeplätze, davon 215 für die Kurzzeitpflege.

    Versprechen einer "Pflegeplatzgarantie" wurde nicht eingehalten

    Nicht eingehalten wurde Söders Versprechen einer „Pflegeplatzgarantie“ bis 2023 („Diese Form der Menschlichkeit gibt es in keinem anderen Land.“) – der Rechtsanspruch auf einen Pflegeplatz war wohl allein schon aufgrund des Fachkräftemangels nicht umsetzbar und wurde im letzten Winter heimlich, still und leise einkassiert. Das Holetschek-Ministerium will lieber von einer „Weiterentwicklung“ des Pflegeangebotes sprechen, das die Pflege in den eigenen vier Wänden in den Mittelpunkt stellt. Die angekündigte Verdoppelung der Versorgungsangebote für Schwerstkranke wurde trotz eines Ausbaus der Hospize nicht erreicht – die Zahl verfügbarer stationärer Plätze stieg von 184 in 2018 auf nun 263 Plätze. Damit sei jedoch „überall ein flächendeckendes Angebot gewährleistet“, findet das Ministerium. Als erfüllt sieht das Ministerium zudem Söders Ankündigung, tausend neue Landärzte zu gewinnen: Seit 2018 habe man exakt 739 neue Niederlassungen im ländlichen Raum mit einer Landarztprämie gefördert. Hinzu kämen 325 Studierende, die sich mit einer „Landarztquote“ verpflichtet haben, nach ihrem Abschluss mindestens zehn Jahre als Mediziner im ländlichen Raum zu arbeiten.

    Praktisch für eine Regierung sind stets ambitionierte Ziele, deren Endpunkt möglichst weit nach der eigenen Amtszeit liegt – siehe die inzwischen unerreichbaren Seehofer-Versprechen einer Schuldentilgung bis 2030 oder der kompletten Barrierefreiheit bis 2023. In dieser Tradition muss man wohl auch die Klima-Ziele der Söder-Regierung sehen: Bis 2040 will Bayern klimaneutral sein und schon bis 2030 im Vergleich zu 1990 65 Prozent weniger CO2 ausstoßen.

    Bayern läuft seinen Klimazielen hinterher

    Laut bayerischem Klimabericht müssten die CO2-Emissionen dafür von 95 Millionen Tonnen in 2019 auf 47 Millionen Tonnen in 2030 sinken – zuletzt gab es im Schnitt aber nur einen Rückgang von 0,5 Millionen Tonnen im Jahr – statt der rechnerisch nötigen sechs Millionen Tonnen. Beim bisherigen Tempo wäre Söders Klimaziel deshalb nicht 2030, sondern erst im Jahr 2117 erreicht. Auch beim Moorschutz gibt es ambitionierte Ziele: Bis 2040 sollen 55.000 Hektar Moorflächen saniert werden. Geschafft hat man bislang laut Umweltministerium rund 5000 Hektar – was bei gleichbleibendem Tempo auf eine Zielerfüllung nicht vor 2070 deuten würde.

    Aber auch im Kleinen kann man an ambitionierten Zielen scheitern: Rund 1300 Solaranlagen auf staatlichen Dächern versprach Söder bis 2023 – nach letzten Zahlen gibt es jedoch aktuell nur auf rund 520 der gut 11.000 staatlichen Dächer Photovoltaik. Zum Handeln gezwungen wurde die Söder-Regierung zudem durch das erfolgreiche Bienen-Volksbegehren und verfassungsrechtliche Vorgaben für ein Klimaschutzgesetz, das nach nur wenigen Monaten noch einmal revidiert werden musste. Während sich die Regierung hier wie dort auf einem guten Weg wähnt, gibt es scharfe Kritik von Opposition und Umweltverbänden an beiden Gesetzen und ihrer Umsetzung

    Das Prestigeprojekt der Wahlperiode war für Ministerpräsident Söder die im Oktober 2019 vorgestellte Hightech-Agenda: Mehr als zwei Milliarden Euro Investitionen in Forschung und Wissenschaft sollten „den Freistaat in die Zukunft beamen“, beteuerte Söder damals. Das Programm sei „geballte Zukunft“. Mehr als tausend neue Professorenstellen, 13.000 zusätzliche Studienplätze, 20 neue Spitzenforschungszentren in ganz Bayern, vor allem in den Bereichen Künstliche Intelligenz, Quantencomputer oder Luft- und Raumfahrt („Bavaria One“) wurden versprochen.

    Nicht alle Ziele der Hightech-Agenda wurden bereits erreicht

    Der Start des ambitionierten Programms war allerdings zäh – nicht zuletzt wegen Corona. Inzwischen seien aber 68 Prozent der neuen Professorenstellen besetzt, bei weiteren 20 Prozent laufe das Berufungsverfahren. Rund ein Fünftel der neuen Professoren stamme aus dem Ausland, oft von renommierten Unis. 400 Millionen Euro seien zudem in neue Gebäude geflossen. Das neue KI-Netzwerk München-Würzburg-Erlangen-Ingolstadt gehöre „zu den Top-3-KI-Regionen der Welt“, findet das Wissenschaftsministerium. Kurz vor der Landtagswahl gab es zudem den ersten Spatenstich für „Europas größte Luft- und Raumfahrtfakultät“ in Ottobrunn bei München mit bis zu 50 Professuren und 4000 Studienplätzen. Auch eine von Söder 2018 versprochene Hyperloop-Teststrecke wurde kürzlich eingeweiht. Nicht alle Ziele der Hightech-Agenda wurden bereits erreicht, aber inzwischen stehen inklusive „Beschleunigungsprogramm“ sogar 3,5 Milliarden Euro für das Programm zur Verfügung.

    Kritik gab es jedoch immer wieder an einer vermeintlich zu starken Fokussierung auf den Hochschulstandort München – obwohl Söder 2019 beteuert hatte, „Forschung ist nicht nur in München, Forschung ist in ganz Bayern“. In Unterfranken wurden inzwischen wie angekündigt unter anderem das Center für künstliche Intelligenz (CAIRO) und ein "KI-Knoten Data Science" in Würzburg und das Center für Robotik in Schweinfurt in Betrieb genommen. Ein Neubau für die Chemie in Würzburg soll bis 2025 fertig sein. Jenseits der Hightech-Agenda wurde aber im Juni 2023 ein weiteres Söder-Versprechen aus 2018 realisiert: ein Nationales Tumorzentrum zur Krebsforschung an den Standorten Würzburg, Erlangen, Regensburg und Augsburg (WERA).

    Ihre ambitionierten Ziele bei der Umstellung auf Ökolandbau hat die Staatsregierung verfehlt. Zu Beginn der Legislaturperiode hieß es, der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Fläche solle von knapp zehn auf 20 Prozent verdoppelt werden. Später wurde mit der Änderung des bayerischen Naturschutzgesetzes die Zielmarke sogar noch weiter nach oben geschraubt – auf 30 Prozent bis 2030. Tatsächlich stieg der Anteil der Nutzfläche, die von Biobauern bewirtschaftet wird, nur von 9,2 Prozent (Ende 2017) auf 13,4 Prozent (Ende 2022).

    Bis zum Jahr 2030 soll Bayern 200.000 Hektar klimaneutrale Wälder haben

    Dafür gibt es nach Aussage des Agrarministeriums allerdings Gründe: Es habe zwar das umfangreiche Förderprogramm „BioRegio 2030“ gegeben, staatlich verordnet werden könne der Ökolandbau allerdings nicht. Der Markt für Bioprodukte stagniere seit Mitte 2021. Gleichzeitig sei der Preisabstand zwischen ökologisch und konventionell erzeugten landwirtschaftlichen Produkten geringer geworden. Somit fehle Landwirten die Bereitschaft, auf Ökolandbau umzustellen. Vorangekommen ist das Landwirtschaftsministerium nach eigenen Angaben bei der Reduktion des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln – minus 20 Prozent bei Ackerbaukulturen und minus 26 Prozent bei den Sonderkulturen Wein und Apfel. Fortschritte gab es auch in Bayerns Wäldern.

    Das Ziel, zehn Prozent der Waldfläche aus der Nutzung zu nehmen und ganz der Natur zu überlassen, wurde sogar früher und in größerem Umfang umgesetzt als geplant. Das Netzwerk der Naturwälder umfasse seit November 2022 rund 83.000 Hektar. Und auch der Waldumbau laufe dank eines „bundesweit einzigartigen Förderprogramms“ auf Hochtouren. Bis zum Jahr 2030 soll Bayern 200.000 Hektar klimaneutrale Wälder haben. Dank des Engagements der Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer seien bereits 100.000 Hektar im Privat- und Körperschaftswald „fit für die Zukunft gemacht“.

    Das erklärte Ziel bis zum Jahr 2023 „insgesamt 250.000 zusätzliche Arbeitskräfte zu mobilisieren“, konnte erreicht werden. Von Juni 2018 bis Juni 2022 gab es nach Angaben des Wirtschaftsministeriums ein Plus von knapp 267.000 sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen.

    Noch keine "Fast Lane" für Jungunternehmer

    Wort gehalten hat die Staatsregierung auch bei der Meisterausbildung. Aus der versprochenen Erhöhung des Bonus ist sogar eine kostenfreie Meisterausbildung geworden. Der staatliche Beitrag stieg von 30 auf zuletzt rund 58 Millionen Euro.

    Noch nicht umgesetzt wurde dagegen die Ankündigung einer „Fast Lane“ für Jungunternehmer. Es fehlen laut Wirtschaftsministerium noch „rechtliche und technische Voraussetzungen“ binnen eines Tages auf digitalem Weg ein Unternehmen zu gründen.

    Komplett gescheitert ist die Staatsregierung im Kampf gegen den zunehmenden Flächenfraß im Freistaat. Dem mittelfristigen Ziel, in Bayern nicht mehr als fünf Hektar Fläche pro Tag zu verbrauchen, ist das Wirtschaftsministerium keinen Schritt näher gekommen. 2018 waren es im Schnitt zehn Hektar pro Tag, 2021 lag dieser Wert bei 10,8.

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