Ginge es nach der Bayerischen Finanzgewerkschaft (bfg), würde die Grundsteuer ganz abgeschafft werden. Auch wenn sie gerade erst in einem aufwändigen Verfahren reformiert worden ist. Der Vorsitzende Gerhard Wipijewski schätzt, dass die Grundsteuer den Kommunen bundesweit 13 bis 14 Milliarden Euro einbringt. Das stehe in keinem Verhältnis zum betriebenen Aufwand, sagt Wipijewski: "Bei keiner anderen Steuer investieren wir soviel Personal allein in den Finanzämtern."
Dazu kämen die Sachbearbeiter in den Kommunen, die die Grundsteuer-Festsetzung machen müssten. Der bfg-Vorsitzende meint: "Völlig verrückt und unverantwortlich." Auch der Würzburger Steueranwalt Detlef Mayer-Rödle sieht in der Abschaffung der Grundsteuer eine Möglichkeit, Bürokratie abzubauen.
Umsetzung der Grundsteuerreform: Hoher Personal- und Verwaltungsaufwand für Kommunen
Wie hoch der Aufwand ist? Die Stadt Würzburg hat in der Fachabteilung Steuern und Gebühren drei Vollzeitstellen und eine Sachgebietsleitung, teilt Pressesprecherin Claudia Lother auf Anfrage mit. Die Beschäftigten seien seit Jahresbeginn und sicherlich bis Herbst 2025 intensiv mit der Umsetzung der Grundsteuerreform beschäftigt. Der Verwaltungsaufwand sei nicht zu unterschätzen: Circa 50.000 Objekte im Stadtgebiet Würzburg müssten nach den neuen Regelungen veranlagt werden, sagt Lother. Sei die Reform umgesetzt, werde der Aufwand sich wieder auf bisherigem Niveau einpendeln.
In den Finanzämtern aber höre die Arbeit nach der Reform nicht auf, sagt Wipijewski, Chef der Fachgewerkschaft der Beschäftigten in der Finanzverwaltung. Schon jetzt gebe es allein in Bayern rund eine Million Zurechnungsfortschreibungen, die immer dann fällig würden, wenn der Eigentümer einer Immobilie wechselt. Die Zahl der Einsprüche gehe in die hunderttausende. Und künftig sei jede Änderung der Verhältnisse gegenüber dem Finanzamt meldepflichtig, sagt Anwalt Mayer-Rödle.
Finanzgewerkschaft: Zusätzliche Stellen in Finanzämtern reichen nicht aus
Thomas Wagner, Vorstand der Finanzgewerkschaft für Nordbayern, ist überzeugt, dass die Grundsteuerreform die Finanzämter noch einige Zeit beschäftigen wird. 400 Stellen seien bayernweit dafür zusätzlich geschaffen worden, sie würden aber schlicht nicht ausreichen. Matthias Derleth, bfg-Ortsvorsitzender und Personalratsvorsitzender am Finanzamt Würzburg, schätzt, dass die Bearbeitung einer Steuererklärung durch Grundsteuerreform und die Folgen der Corona-Pandemie aktuell bis zu einem halben Jahr in Anspruch nehmen kann.
Punktuell sei in den Ämtern sogar der Außendienst zur Bearbeitung hinzugezogen worden, sagt Wipijewski. Dabei bedeute gerade seine Arbeit Millionen an Steuermehreinnahmen für den Staat: "Wenn ich den dann für die Grundsteuerreform abziehe, bei der für den Staat nichts herauskommt und für die Kommunen nicht viel, dann ist das eine sehr kritische Geschichte." Einfacher und einträglicher wäre es gewesen, die Grundsteuer abzuschaffen und den Kommunen aus der Umsatzsteuer entsprechend mehr zukommen zu lassen, ist Wipijewski überzeugt.
Welche Folgen der Wegfall der Grundsteuer für Kommunen hätte
Allein in der Stadt Würzburg beträgt das Volumen der Grundsteuer etwa 24 Millionen Euro, sagt Sprecherin Claudia Lother. Eine erhebliche Einnahmequelle, auf die die Stadt nicht verzichten könne. Selbst eine kleinere Kommune wie die Stadt Haßfurt plane für 2024 mit zwei Millionen Einnahmen aus der Grundsteuer, teilt Bürgermeister Günther Werner mit. Er hält den Aufwand für absolut vertretbar - und die Forderung nach Abschaffung für "Quatsch".
Würde die Grundsteuer abgeschafft werden, müsste die Umsatzsteuer erhöht werden und die Allgemeinheit hätte die Folgen zu tragen, sagt Claudia Lother: Immobilieneigentümer würden dann zwar entlastet, Bürgerinnen und Bürger dafür aber bei jedem Einkauf mehr belastet. Die "Fliehkräfte" zwischen Besitzenden und Nicht-Besitzenden würden noch verstärkt.
Der Chef der Finanzgewerkschaft wendet indes ein, dass in der Regel gar nicht der Grundbesitz besteuert werde. Der meiste Wohnraum sei vermietet, die Grundsteuer könne auf Mieterinnen und Mieter umgelegt werden. Der soziale Gedanke trage hier also nicht, meint Wipijewski.
Nach dem großen Aufwand der Reform sei eine Abschaffung aber wohl kaum vermittelbar, sagt Steueranwalt Mayer-Rödle. Man müsse abwarten, inwieweit Klagen gegen die neue Grundsteuer erfolgreich sind und ob das Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand hat: "Dann wird man sich erneut unterhalten müssen."
Für Kommunen: Planbare Größe und Gestaltungsmöglichkeit bei Einnahmen
Der Würzburger Steuerberater Frank Rumpel, Leiter der Kanzlei ECOVIS, warnt davor, die Bedeutung der Grundsteuer zu unterschätzen. Es sei zwar "nicht abzusprechen, dass die Neubewertung von rund 36 Millionen Einheiten auf der Seite der Finanzverwaltung eine Mammutaufgabe war und immer noch ist", sagt Rumpel. Doch da die Grundsteuer keinen Konjunkturschwankungen unterliege, seien die Einnahmen eine planbare Größe für die Gemeinden.
Und die Sprecherin der Stadt Würzburg ergänzt: Bei einer Abschaffung würde den Kommunen die Möglichkeit genommen, über das individuelle Hebesatzrecht ihre Einnahmen selbst zu gestalten.