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Fußball: Thorsten Fischer über die Profijahre der Würzburger Kickers: Die Trennung von Michael Schiele "war menschlich ein Fehler"

Fußball

Thorsten Fischer über die Profijahre der Würzburger Kickers: Die Trennung von Michael Schiele "war menschlich ein Fehler"

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    "Es war aufregend und außergewöhnlich", sagt Thorsten Fischer rückblickend über seine Zeit als Geldgeber, Antreiber und Investor bei den Würzburger Kickers.
    "Es war aufregend und außergewöhnlich", sagt Thorsten Fischer rückblickend über seine Zeit als Geldgeber, Antreiber und Investor bei den Würzburger Kickers. Foto: foto2press/Frank Scheuring

    So lange Thorsten Fischer als wichtigster Geld- und Ideengeber bei den Würzburger Kickers aktiv war, hatte er Interviewanfragen rund um das Thema Fußball stets abgelehnt. Nun hat seine Firma Flyeralarm die Anteile an der Profifußball-AG verkauft, und Fischer zieht Bilanz. Im siebten Stock des Firmengebäudes in der Würzburger Dürrbachau spricht er über eine bewegte Zeit bei den Würzburger Kickers - und darüber wie schwer es ist, den Profifußball in Würzburg zu etablieren.

    Frage: Welche Überschrift würden Sie der Ära von Thorsten Fischer und Flyeralarm bei den Würzburger Kickers geben?

    Thorsten Fischer: Nach dem ersten Aufstieg in die 2. Bundesliga 2016 habe ich die Überschrift "Das Wunder von Bernd" gelesen – damals natürlich bezogen auf unseren Trainer Bernd Hollerbach. Ich würde rückblickend eher vom "Wunder von Würzburg" sprechen. Es hatte doch anfangs niemand daran geglaubt, was wir am Ende erreicht haben. Es war aufregend und außergewöhnlich. Eine außergewöhnliche Story, die wir geschrieben haben – und zwar alle zusammen, die daran teilgenommen haben. Es hat mit einer Flasche Rotwein begonnen, die ich zusammen mit dem damaligen Kickers-Vorstandsvorsitzenden Michael Schlagbauer getrunken habe. Da hat er mich überredet, einmal zum Dallenberg zu kommen und mir die Sache anzuschauen. Es war rückblickend die teuerste Flasche Rotwein meines Lebens. Bei der ersten Vorstandssitzung, bei der ich dabei war, ging es darum, den Getränkeeinkauf für das Training der ersten Mannschaft zu optimieren – nehmen wir Pfand- oder Einwegflaschen und solche Dinge. 2. Liga und DFB-Pokal waren damals unvorstellbar. Aber die Dinge bekommen halt manchmal eine Eigendynamik.

    Was war Ihre Motivation, die Kickers so zu unterstützen, wie Sie es getan haben?

    Fischer: Fußball ist ein sehr emotionales Thema. Da lässt du dich leichter anstecken, als wenn es um manche Firmenprojekte geht. Beim Fußball sind immer gleich mehrere Leute zusammen, wollen mithelfen, da bildet sich ein Team. So etwas motiviert ungemein. Und so war ich dann eben mutig, vielleicht auch ein bisschen verrückt. Zu Beginn meiner Zeit haben fast alle gesagt: "Würzburg kann keinen Profifußball". (Er lächelt) Ich glaube, die wenigsten haben bereut, was wir gemacht haben. Ich denke, unterm Strich haben ganz viele profitiert.

    Sie haben einmal gesagt, Sie glauben daran, dass mit dem Fußball Geld zu verdienen sei.

    Fischer: Im Fußball wird viel Geld bewegt, vor allem in der Vermarktung von Spielern, mit Provisionen, TV-Rechten und so weiter. Ich glaube aber auch daran, dass du als Verein in diesem System mit Ausbildung von Nachwuchsspielern Geld verdienen kannst.

    Sie hatten bei Flyeralarm aber einen Unternehmenszweig mit dem Namen Global Soccer gegründet. Das klang schon nach Big Business?

    Fischer: Dabei ging es um die Vermarktung des Ganzen. Ich selber wollte kein Geld mit dem Fußball verdienen. Ich wollte, dass der Verein Geld verdient, dass er vielleicht auch einmal ein Festgeldkonto hat, sich ein eigenes Stadion leisten kann. Das wäre mein Traum gewesen. Die Idee war: Eine Marke aufzubauen, mit der du Geld verdienst.

    Welcher Moment bleibt Ihnen besonders in Erinnerung?

    Fischer: Da gab es ganz viele. Aber das Aufstiegsspiel zur 3. Liga gegen Saarbrücken 2015 war echt ein extremes Erlebnis, als da Robert Wulnikowski den Ball im Elfmeterschießen gehalten hat ... Mehr Gänsehaut geht nicht. Das war ein Ding. Dabei ist Wulle zwei Minuten vor dem Spiel in der Kabine noch umgefallen – war ohnmächtig. Dann musste Amir Shapourzadeh nach zehn Minuten verletzt vom Platz. Liridon Vocaj spielte mit einer Gehirnerschütterung – was keiner wusste. Auch er musste früh runter. Dann bekommen wir einen Elfmeter, liegen hinten, und das alles bei knapp 40 Grad Hitze. Dieser Sieg war echt besonders, vielleicht noch mehr als ein Jahr später der Aufstieg in Duisburg. Am Ende bleiben aber nicht nur die Siege, sondern auch die Niederlagen haften. Ohne die kann man die Erfolge ja gar nicht genießen. Mehr Auf und Ab, wie wir in den letzten zehn Jahren erlebt haben, geht ja kaum.

    "Es war rückblickend die teuerste Flasche Rotwein meines Lebens."

    Thorsten Fischer über das Treffen mit dem damaligen Kickers-Vorstandsvorsitzenden Michael Schlagauer

    Warum ist jetzt für Sie damit Schluss?

    Fischer: Es gibt im Leben eben manchmal Punkte, an denen du spürst: Die Zeit ist reif. Es haben sich bei den Kickers neue Leute hervorgetan, die sich sehr engagieren wie Lars Krakat oder Dominik Möhler, der auch meine Anteile an der AG übernommen hat. Ich glaube, dass es richtig ist, dass die jetzt ihre ganze Kraft und Energie in die Sache geben, frischen Wind hineinbringen und auch ein paar Dinge anders machen. Es ist an der Zeit, dass andere sich an die Spitze stellen und Gas geben.

    Die Würzburger Kickers spielen nach sieben Jahren im Profifußball nun wieder in der Regionalliga. Das Stadion ist noch immer das alte, die erste Mannschaft trainiert nach wie vor auf fremdem Terrain in Randersacker. Was bleibt am Ende? Fehlte es dem Projekt an Nachhaltigkeit?

    Fischer: Das kann man vielleicht so sehen, wäre mir aber zu einfach betrachtet. Wir haben sieben Jahre ununterbrochen im Profifußball gespielt – das gab es in der Region noch nie und wird schwer zu wiederholen sein. Das Stadion ist noch immer marode, keine Frage. Aber es konnte dort Zweitliga-Fußball gespielt werden. In Sachen Infrastruktur ist viel passiert: Es gibt eine Rasenheizung, ein VIP-Zelt für 500 Leute, eine renovierte Gaststätte, die Stahlrohrtribüne. Es wurden Millionen in das Stadion investiert, ohne die könntest du noch nicht einmal 3. Liga dort spielen. Dazu kommt die Fusion mit dem Post SV Sieboldshöhe, das Leistungszentrum, das vom DFB zertifiziert wurde. Wir haben Profifußball gespielt, haben eine Marke aufgebaut. Das spielt ja auch eine Rolle, wenn in der Regionalliga jetzt über 2000 Zuschauer im Schnitt kommen. Ich finde: Wir haben ein Fundament geschaffen, auf dem man nun weiter aufbauen kann. Nachhaltig ist für mich vor allem das, was im Bereich der Jugend passiert ist, was da investiert wurde. Die Ligazugehörigkeit der ersten Mannschaft ist nur ein Aspekt.

    Warum ist in der Stadionfrage in all den Jahren im Profifußball nichts wirklich vorangegangen?

    Fischer: Ganz einfach: Hauptgrund ist der Kontostand. Bei einem neuen Stadion sind 100 Millionen Euro weg - inklusive Parkplätzen und Infrastruktur. Es ist unrealistisch, so etwas zu planen, wenn du nicht weißt, ob du das bezahlen kannst.

    Trotz aller Erfolge gab es in Würzburg bei vielen Vorhaben der Kickers immer wieder Gegenwind: von Anwohnern, im Stadtrat, von Leserbriefschreibern … Hätten Sie in der Vergangenheit mehr kommunizieren müssen? Hätten die Kickers die Dinge, die sie tun, besser erklären sollen, um so für mehr Akzeptanz zu werben?

    Fischer: Wir haben es tatsächlich nicht geschafft, dass alle erst einmal das Positive sehen. Es wurde von vielen immer versucht, das Schlechte zu finden. Ich glaube, wir haben Dinge, die wichtig waren, kommuniziert. Aber es gibt einfach Sachen, die im kleinen Kreis bleiben sollten. Das ist auch eine Frage der Seriosität. Es ging darum, den Verein zu schützen. Das war ein Stück Professionalität, das auch Bernd Hollerbach bei uns hereingebracht hat. Es ist auch eine Frage von Vertrauen. Ich hätte mir nach den Erfolgen erhofft, dass manche sagen: "Die wissen schon, was sie tun." So war es aber selten.

    Im Rückblick kommen wir an der Personalie Felix Magath nicht vorbei. Vor ziemlich genau drei Jahren wurde er als Head of Flyeralarm Global Soccer vorgestellt. Ein Projekt, das nach anderthalb Jahren wieder beendet wurde.

    Fischer: Mit dem Ergebnis unserer Zusammenarbeit ist niemand zufrieden, weder ich noch Felix oder irgendjemand anderes außenherum. Was aber nie deutlich wurde: Eigentlich ist Felix gekommen, um bei uns Spieler aus der eigenen Jugend in die erste Mannschaft zu implementieren, weil die günstiger sind und womöglich noch Ablösen bringen. Felix ist ein absoluter Profi und hat ein Auge für Spieler. Die besten Jugendlichen zu holen, hier top auszubilden – das war der Plan. Aber just als Felix kam, ging es mit Corona los. Die Jugend hat nicht mehr gespielt, und es gab für Felix da keine Spiele anzuschauen.

    In Erinnerung bleiben aus der Zeit mit Felix Magath aber Verpflichtungen wie die des beinahe 40-jährigen Stefan Maierhofer oder von Douglas, der wegen einer Dopingsperre jahrelang kein Spiel absolviert hatte. Mit einem Jugendkonzept hatte das alles herzlich wenig zu tun.

    Fischer: Ein Jungendkonzept kann nicht von heute auf morgen umgesetzt werden und war ja auch nicht im Kontext eines überraschenden Aufstieges geplant. Dass wir in der Zusammenstellung des Profi-Kaders allerdings Fehler gemacht haben, ist ja klar, sonst wären wir nicht abgestiegen. Felix war lediglich Berater. Aber er ist halt immer hochmotiviert. Wahrscheinlich wollten wir zu schnell zu viel. Das ist uns am Ende auf die Füße gefallen.

    Was haben Sie gedacht, als Sie das Wort Europapokal im Zusammenhang mit den Kickers in einem Interview von Felix Magath gelesen haben?

    Fischer: Im Nachhinein lacht man darüber. Aber Felix hat auch an anderen Orten Dinge geschafft, die man vorher nicht geglaubt hätte. Diese Aussage war sicher nicht der Grund dafür, dass wir keinen Erfolg hatten. Er wollte einfach zeigen: Sei frei von allen Grenzen, die du dir baust!

    Wie ist heute ihr Verhältnis mit Ex-Kickers-Trainer Michael Schiele?

    Fischer: Ich will ihn gerne wieder einmal treffen. Wir haben das auch vor. Leider hat es seit seiner Entlassung in Würzburg noch nicht geklappt. Er ist ein toller Mensch.

    In Schieles Entlassung am zweiten Zweitliga-Spieltag sehen viele die Ursache für den folgenden Absturz der Kickers.

    Fischer: Emotional war die Entscheidung ausgesprochen herausfordernd. Und sportlich rückblickend wohl auch falsch. Aber man muss die damalige Situation sehen. Wir hatten ja nicht nur die ersten beiden Ligaspiele verloren, das wird oft vergessen. Wenn man die Vorbereitung dazu rechnet, waren wir saisonübergreifend elf Partien ohne Sieg. Auch die letzten beiden Drittliga-Spiele vor dem Aufstieg wurden nicht gewonnen. Wenn man etwas ändern will, dann früh in der Saison. Wir wollten unbedingt in der 2. Liga bleiben. Aus sportlicher Sicht kann man die Trennung deshalb vielleicht auch heute verstehen. Menschlich war sie ein Fehler. Und in der Außenwirkung hat sie uns sehr geschadet. In den letzten zehn Jahren wurden bei den Kickers, glaube ich, viele gute Entscheidungen getroffen. Aber das war eine falsche Entscheidung. Über die wird noch immer geredet. Aber man sollte auch nicht vergessen, wie wir Michael Schiele drei Jahre vorher nach vier Niederlagen in Folge und unmittelbar nach einer 1:5-Niederlage gegen Wiesbaden zum Cheftrainer gemacht haben. Das hat damals auch keiner verstanden. Das war aber eine sehr richtige Entscheidung.

    Sie treffen auch in ihrem Unternehmen täglich Entscheidungen. Wie unterscheidet sich das Fußball-Business von anderen Wirtschaftsfeldern?

    Fischer: Beim Fußball sind Emotionen und die Atmosphäre innerhalb eines Teams noch viel wichtiger als in einer Firma. Ob es der Physiotherapeut oder der Co-Trainer ist – eine Person, eine Emotion kann die ganze Saison kaputt machen. Selbst die Stimmung in der Geschäftsstelle färbt auf die Mannschaft ab. Deshalb ist es wichtig, dass ein ganzer Verein auf einer Linie geht. Alle müssen gerne zusammenarbeiten – sonst hast du keine Chance. Das fasziniert mich am Fußball. Bei unseren Zweitliga-Aufstiegen hatten wir nie die stärkste Mannschaft – aber die Atmosphäre hat gepasst. Umgekehrt war bei den Abstiegen immer das Gegenteil der Fall. Wenn es nach den Einzelspielern geht, hätten wir in der vergangenen Saison nie absteigen dürfen. Mannschaft, Trainer – jeder gegen jeden. Da war die Atmosphäre einfach nicht gut.

    "Emotional war die Entscheidung ausgesprochen herausfordernd. Und sportlich rückblickend wohl auch falsch."

    Thorsten Fischer über die Trennung vom damaligen Trainer Michael Schiele

    Ihre Firma Flyeralarm taucht nun als Sponsor bei Drittliga-Spitzenreiter SV Elversberg auf. Was steckt dahinter? Versuchen Sie im Saarland das zu schaffen, was bei den Kickers nicht geklappt hat?

    Fischer: Nein. So wie wir in der Vergangenheit auch schon Düsseldorf oder St. Pauli gesponsert haben, sind wir jetzt dort aktiv. Eine große Strategie steckt da nicht dahinter.

    Auch beim Deutschen Fußball-Bund sind Sie nach wie vor Sponsor. Dabei hatten Sie doch einmal angekündigt, wegen der vielen Fehlentscheidungen zu Ungunsten der Kickers in der 2. Bundesliga Ihr Engagement zu beenden.

    Fischer: Dass seinerzeit die Schiedsrichterentscheidungen nicht alle glücklich waren, darüber braucht man, glaube ich, nicht diskutieren. Ich habe das damals für die Kickers gemacht. Wir hatten ein klärendes Gespräch. Am Ende muss man sagen: Beim DFB arbeiten ja auch Menschen. Auch dort passieren Fehler. Gerade derzeit nach dem Vorrunden-Aus bei der Weltmeisterschaft wird viel über einige dieser Fehler gesprochen. Aber letztlich ist das ein toller Verband. Und unterm Strich muss man ja sagen: Es macht für uns als Firma absolut Sinn, mit dem größten Einzelsportverband der Welt zusammenzuarbeiten. Wir verschenken kein Geld. Wir bekommen eine tolle Werbeleistung dafür.

    Auch wenn die Männer-Nationalmannschaft derzeit nicht der beste Werbeträger ist?

    Fischer: Es ist doch wichtig, auch in schlechten Zeiten die Fahne hochzuhalten. Es ist auch ein Spiegelbild des ganzen Landes, dass man während der Weltmeisterschaft in Katar nicht so zusammengestanden ist wie früher einmal. Diese Stimmung hat sich auch auf die Mannschaft übertragen. Auch da sind wir wieder beim Thema Atmosphäre.

    Würden Sie noch einmal Ihr Geld in einen Fußballverein stecken und Anteile kaufen?

    Fischer: Derzeit habe ich nicht diesen Plan. Aber man soll nie nie sagen. Ich entscheide oft aus dem Bauch heraus. Die Dinge in Würzburg haben sich letztlich ja auch im Laufe der Jahre so ergeben.

    Was wünschen Sie den Kickers für die Zukunft?

    Fischer: (lacht) Europapokal und ein neues Stadion. Im Ernst: natürlich den größtmöglichen Erfolg.

    Was braucht es, damit die Kickers sich auf Dauer im Profifußball etablieren?

    Fischer: Viel Geld und viel Zeit. Geld beschleunigt den Prozess ungemein. Wenn ein Verrückter über 100 Millionen reinsteckt, dann spielst du in vier Jahren 1. Liga. Nur sehe ich niemanden, der das aktuell investieren kann oder will.

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