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Würzburg/Maßbach: Schon wieder ein Rückgang bei den Organspenden: Kommt doch noch die Widerspruchslösung für alle?

Würzburg/Maßbach

Schon wieder ein Rückgang bei den Organspenden: Kommt doch noch die Widerspruchslösung für alle?

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    Eine Frau hält einen Organspendeausweis in ihren Händen. Viel zu wenige Menschen in Deutschland haben bisher ihre Einwilligung zur einer Organspende nach dem Tod erklärt.
    Eine Frau hält einen Organspendeausweis in ihren Händen. Viel zu wenige Menschen in Deutschland haben bisher ihre Einwilligung zur einer Organspende nach dem Tod erklärt. Foto: Hendrik Schmidt, dpa

    Wenn es um Fragen von Leben oder Tod geht, um Grundwerte und ethisch relevante Entscheidungen  – dann schwinden im Bundestag in aller Regel parteipolitische Barrieren, dann sind die Abgeordneten nur ihrem persönlichen Gewissen verpflichtet. Anträge werden fraktionsübergreifend formuliert. Die Debatte um die Sterbehilfe ist so ein Fall, der assistierte Suizid soll demnächst neu geregelt werden.

    Durchaus überraschend ploppte am Montag nun ein Thema auf, das zumindest die Befürworter der letzten Gesetzesänderung aus dem Jahr 2020 auf einem guten Weg wähnten: die Organspende. Doch es zeigt sich eine besorgniserregende Entwicklung – und die Debatte dürfte wieder Fahrt aufnehmen.

    Deutsche sehen Organspende positiv, dokumentieren dies aber zu selten

    Die Zahl der Organspenden in Deutschland ist im vergangenen Jahr um 6,9 Prozent zurückgegangen. Dies gab die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) bekannt. Obwohl in Umfragen regelmäßig acht von zehn Deutschen einer Organspende positiv gegenüberstehen, fehlt es vielfach an erklärten Einwilligungen. Laut DSO konnte deshalb die Hälfte aller möglichen Transplantationen nicht stattfinden. Oft würden sich Angehörige gegen eine Organspende entscheiden, wenn ihnen der ausdrückliche Wille des Verstorbenen nicht bekannt ist.

    Der DSO zufolge haben im vergangenen Jahr hierzulande 869 Menschen nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe gespendet. Dies sind 64 weniger als 2021 und entspricht 10,3 Spendern pro eine Million Einwohner (2021: 11,2). Fast überall in Europa sind die Zahlen höher: In Spanien sind es 38  Spenderinnen und Spender pro Million Einwohner, in Kroatien immerhin noch 20,4.

    Auch die Summe der entnommenen Organe, die für eine Transplantation an die internationale Vermittlungsstelle Eurotransplant gemeldet werden konnten, sank auf 2662 (Vorjahreszeitraum: 2905). Damit ging die Zahl der postmortal entnommenen Organe um 8,4 Prozent zurück.

    Pandemie hat auch die Organtransplantationen ausgebremst

    Allein im ersten Quartal 2022 brachen die Organspendezahlen um 30 Prozent ein. Grund dafür war nach Einschätzung der DSO die Corona-Pandemie und die daraus resultierenden Krankenstände beim Personal in den Kliniken. In Deutschland stehen derzeit rund 8500 Menschen auf den Wartelisten für ein Organ, allein in Bayern sind es 1100.

    Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach dringt angesichts der negativen Entwicklung weiter auf grundlegend neue Spenderegeln. "Das geltende Gesetz ist gescheitert", sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur am Montag. Viele Menschen seien zwar zur Organspende bereit, dokumentierten das aber nicht. "Deswegen sollte der Bundestag einen erneuten Anlauf nehmen, über die Widerspruchslösung abzustimmen. Das sind wir denjenigen schuldig, die vergeblich auf Organspenden warten."

    Widerspruchslösung bedeutet, dass alle Menschen zunächst automatisch als Spender gelten sollen – außer man widerspricht aktiv. Vor drei Jahren lehnte der Bundestag eine solche Lösung ab. . Stattdessen wurde eine moderatere Regelung beschlossen, wonach Organspenden nur mit ausdrücklicher Zustimmung erlaubt bleiben. Allerdings sollte eine bessere Aufklärung mehr Bürger zu einer konkreten Entscheidung über eine Spende bewegen. Ein Kernstück der Reform, ein neues Register, in dem man seine Spendenbereitschaft online speichern kann, wurde bisher nicht eingerichtet. 

    Sabine Dittmar, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, äußerte sich am Montag besorgt: "Die Zahlen sind erschreckend", wird sie in einer Mitteilung zitiert. Auch die Ärztin aus Maßbach (Lkr. Bad Kissingen) fordert ein Umdenken in Sachen Organspende: "Wir brauchen einen neuen Anlauf für die Widerspruchslösung."

    Die SPD-Politikerin hatte den 2020 im Bundestag gescheiterten Gruppenantrag maßgeblich mitgetragen und initiiert. Sie verweist darauf, dass die Widerspruchslösung in Frankreich, Irland, Italien, Österreich oder Spanien und in zwölf weiteren europäischen Ländern angewendet wird. "Alle anderen Regelungen und Ideen haben leider nicht zum gewünschten Erfolg und zu einer Erhöhung der Spenderzahlen geführt", so Dittmar. Tagtäglich müssten Menschen sterben, weil es für sie kein passendes Spenderorgan gibt.

    Die Staatssekretärin mahnt, die Entscheidung über eine Organspende nicht den Hinterbliebenen aufzubürden: "Eigentlich sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, die Entscheidung, ob man mit einer Organspende nach seinem Tod Leben schenken will, zu treffen und zu dokumentieren." Dadurch könne man seinen Angehörigen in einer sowieso schon schweren Situation eine große Last nehmen.

    In Bayern  ist die Zahl der Organspender im vergangenen Jahr zwar leicht um 18 auf 128 gestiegen. Bezogen auf die Bevölkerungszahl ist die Spendenbereitschaft im Freistaat aber weiterhin unterdurchschnittlich. 

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