Die Situation für die Industriearbeit in der Region Main-Rhön spitzt sich weiter zu. Nachdem der Automobilzulieferer Preh in einer kurzfristig anberaumten Betriebsversammlung am Dienstag den Abbau von 420 Arbeitsplätzen an seinem Standort in Bad Neustadt angekündigt hat, sollen nun nach Mitteilung der IG Metall die Streichung weiterer Stellen bei Unternehmen im Raum Schweinfurt anstehen. Demnach plant der Automobilzulieferer ZF den Abbau von 380 Beschäftigten bis Ende des Jahres 2024 am Unternehmensstandort Schweinfurt.
Auf einer Pressekonferenz der Gewerkschaft am Mittwoch erklärte der stellvertretende Betriebsrat von ZF in Schweinfurt, Reiner Niklaus, der Abbau dort beschränke sich auf den Bereich Elektromobilität. Allein am Standort Schweinfurt arbeiten 6000 ZF-Beschäftigte im Elektromobilität-Bereich. Die Arbeitnehmervertreter befürchten, dass die Zahl an Stellenstreichungen in der Abteilung angesichts der aktuellen Entwicklungen noch weiter steigt.
"Diese 383 sind nur die Spitze, wir kennen aber den Eisberg nicht", sagt Thomas Höhn, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Schweinfurt. Laut Betriebsrat laufen auch in anderen Abteilungen Gespräche über deren künftige Ausrichtung. Betriebsrat Reiner Niklaus befürchtet, dass am Ende Stellen in anderen Sektoren bei ZF um ein Vielfaches gestrichen und Arbeitsplätze aus der Region heraus an günstigere Standorte verlagert werden könnten.
ZF spricht von "Anpassung flexibler Kapazitäten"
Vom Beginn eines groß angelegten Stellenabbaus möchte man bei ZF selbst indes nicht reden. "Der Verband der Automobilindustrie (VDA) prognostiziert für 2024 einen Rückgang um neun Prozent bei E-Fahrzeugen", erklärt Fabiola Wagner, Pressesprecherin bei ZF in Schweinfurt. Diese Tendenz stelle das Unternehmen ebenfalls fest. "Befristete Stellen und Verträge von Zeitarbeitern werden daher in der Division E aktuell nicht verlängert", bestätigt Wagner.
Nach dem Verständnis des Konzerns handele es sich um eine Anpassung der "flexiblen Kapazitäten, aber nicht um den Start eines Stellenabbaus". Der Konzern werde künftig auch mit einer kleineren Mannschaft auskommen, sagt die Sprecherin. "Zu Zahlenspekulationen äußern wir uns jedoch nicht."
Preh-Betriebsrat: "Für die Region Bad-Neustadt-Rhön ist es eine absolute Vollkatastrophe"
Eine solche Streichung wurde am Dienstag bei Preh in Bad Neustadt bereits angekündigt. 420 Stellen sollen wegfallen. Wie und wer genau davon betroffen sein wird, ist noch offen. Preh ist als Zulieferer deutscher Autokonzerne vor allem im Bereich Elektromobilität tätig. In diesem Bereich zeichnet sich laut dem Preh-Betriebsratsvorsitzenden Daniel Rossmann seit Ende 2023 ein "drastischer Einbruch der Umsätze". Die Auftragssituation sei am Standort Bad Neustadt fast auf 50 Prozent gesunken.
"Wir wussten, dass wir Maßnahmen definitiv brauchen, um am Standort Bad Neustadt Einsparungen zu generieren", erklärt der Betriebsratsvorsitzende. Man habe versucht, in Gespräche zu gehen, um Maßnahmen wie Stundenabsenkungen dem Arbeitgeber anzubieten. "Leider ist es seitens der Unternehmensführung überhaupt nicht angenommen worden", bilanziert Rossmann.
Am Dienstag sei dann die "Hiobsbotschaft gekommen, dass wir das alles nicht brauchen, sondern wir brauchen 420 Personen weniger am Standort Bad Neustadt". Die Verhandlungen sollen nach derzeitigem Stand wohl Anfang Juli beginnen.
Rossmann betont: "Für die Region Bad Neustadt-Rhön ist es eine absolute Vollkatastrophe." Es gehe nicht primär um Arbeitsplätze in Fertigung und Produktion. Betroffen seien Bereiche, die an anderen Standorten der Welt ausgeübt werden könnten. Als Beispiel nannte er die Lohnbuchhaltung. Preh sei, was die Produkte in der Elektromobilität angehe, gut für die Zukunft aufgestellt, beteuert auch Höhn.
Schwache Auftragslage: Arbeitszeit bei Schaeffler reduziert
Auch außerhalb der Automobilbranche kämpfen Unternehmen weiter mit Problemen. Der Maschinenbau- und Automobilzulieferer Schaeffler hat laut dem Betriebsratsvorsitzenden Jürgen Schenk verschiedene Maßnahmen angekündigt, um auf die weiter sinkende Auslastung zu reagieren. Bereits im April hatte Schaeffler ein Freiwilligenprogramm gestartet, mit dem 50 Personen aus dem indirekten produktionsnahen Bereich ausscheiden sollen. Die Zahl sollte laut IG Metall sogar höher liegen.
Um den Stellenabbau deutlich zu reduzieren, war damals für rund 700 Schaeffler-Beschäftigte bis Jahresende eine Arbeitszeitabsenkung auf 32 Stunden in der Woche vereinbart worden. Laut Betriebsrat soll nun die Arbeitszeit von weiteren rund 2000 "indirekt Beschäftigten" am Standort Schweinfurt für ein Jahr auf 30 Stunden in der Woche abgesenkt werden.
"Es ist eine sehr belastende Situation", meint Schenk. Auch wenn die Unternehmen versuchten, den Abbau der Stellen sozialverträglich zu gestalten, würden die Arbeitsplätze dauerhaft verloren gehen. "Darum ist das für uns genauso dramatisch, wie wenn es letztlich um betriebsbedingte Kündigungen geht."
Der Konzern bestätigt auf Anfrage, dass wegen geringerer Auftragseingänge die Kapazitäten in Abstimmung mit den Arbeitnehmervertretern angepasst werden müssten. "Diese Maßnahmen sehen unter anderem eine Absenkung der Arbeitszeit und Kurzarbeit in bestimmten Bereichen in Schweinfurt vor", so Unternehmenssprecher Marco Bosch.
Große Sorge auch bei SKF in Schweinfurt
Große Sorgen bereitet den Arbeitnehmervertretern auch die Lage bei dem Wälzlagerhersteller SKF. Nach wie vor herrsche dort weiterhin eine hohe Unterauslastung, sagt der Vorsitzende des Betriebsrats Norbert Völkl. Der Konzern werde nun die nächste Phase des Personalabbaus mit Altersteilzeit am Standort Schweinfurt vollziehen.
In den vergangenen 18 Monaten wurden bei SKF bereits 500 Arbeitsplätze sozialverträglich abgebaut. Für die Jahre 2024 und 2025 hat das Unternehmen einen Überhang von rund 400 Beschäftigten prognostiziert. Laut IG Metall laufen aktuell Gespräche zu einer flächendeckenden Kurzarbeit.
Aus Sicht der IG Metall überschlagen sich die Ereignisse in der Industrie in der Region Main-Rhön derzeit: "Es fühlt sich wie ein Erdrutsch an", sagt Höhn. Seiner Ansicht nach handle es sich um tiefgreifende strukturelle Probleme, mit denen die Unternehmen in Deutschland zu kämpfen haben. Sein Appell: "Wir brauchen einen Aufschrei in dieser Region und in diesem Land."