Katharina Schulze, die Spitzenkandidatin der Grünen für die Landtagswahl in Bayern, sitzt vor einer Tasse Kaffee in Bad Kissingen, der Himmel ist trotz sommerlicher Temperaturen grau verhangen. Neben Schulze der Landtagsabgeordnete Patrick Friedl aus Würzburg. Ihn hat sie sich für das Interview als Unterstützung bei den unterfränkischen Themen zur Seite geholt.
Auch wenn es in den Umfragen derzeit eher nicht danach aussieht, der Anspruch der grünen Spitzenfrau ist klar: "Wir Grüne wollen Regierungsverantwortung übernehmen." Wenn Bayern weiterhin "ein starkes, erfolgreiches Land" bleiben wolle, müsse mehr passieren als lediglich "Maßnahmen-Pakete ins Schaufenster zu hängen", wie es die Söder-Aiwanger-Regierung tue. Allen voran beim Klima-, Moor- und Trinkwasserschutz dürften "keine weiteren fünf Jahre verstreichen, in denen die Söder-Regierung weiterwurschtelt wie bisher", fordert Schulze.
Frage: Ministerpräsident Markus Söder hat erst kürzlich einen Runden Tisch mit Expertinnen und Experten zum Thema Trinkwasserschutz einberufen. Das müsste doch in Ihrem Sinne sein. Trotzdem gibt es Kritik.
Katharina Schulze: Das Problem ist, dass bei dem Treffen nichts Konkretes herausgekommen ist. Wasser ist unser blaues Gold. Wasser ist Leben. Wir haben alarmierende Zustände in Bayern. Unsere Grundwasserpegel sinken - vor allem in Unterfranken. Wir brauchen ein Wassersicherungsgesetz: Wir müssen das Tiefengrundwasser schützen und die Entnahme von Grundwasser regeln. Es ist das Wasser für die nachfolgenden Generationen. Wir wollen die Fläche der Wasserschutzgebiete erhöhen, wir wollen die Wasserwirtschaftsämter personell besser ausstatten. Und: Wir brauchen endlich eine digitale Verwaltung. Zettel, Stift und Faxgerät sind eines Industriestandorts wie Bayern nicht würdig. Hier müssen wir massiv investieren. Das haben Sie ja durch Ihre Recherchen herausgefunden: Die bayerischen Behörden haben keine komplette Übersicht, wer wann wo wie viel Wasser entnimmt - und das bei einem Gut, das immer knapper wird. Das können wir uns nicht mehr leisten.
Sie fordern auch den Wassercent. Wie hoch soll der sein und wer soll ihn bezahlen?
Schulze: Acht Cent pro tausend Liter Grundwasser. Bezahlen sollten ihn alle, die Wasser zu kommerziellen Zwecken benutzen. Sie nutzen ein Allgemeingut, um damit Geld zu verdienen. In 13 Bundesländern gibt es bereits einen Wassercent - da muss Bayern nachziehen.
Im grün-regierten Baden-Württemberg ist die Landwirtschaft vom Wassercent befreit - eine Option auch für Bayern?
Schulze: Landwirte wissen am besten, wie wichtig Wasser für ihre Lebensgrundlage und damit für uns alle ist. Wir brauchen Ernährungssicherheit in Bayern. Es ist deshalb auch im Interesse der Landwirte, dass wir Maßnahmen ergreifen, um unser Wasser zu sichern. Dazu gehört auch, Wasser zu bepreisen.
Immer geht es ums Geld: Wenn Winzer und Landwirte künftig riesige Speicher und Leitungen bauen müssen, weil nicht mehr genügend Wasser da ist - wer soll das bezahlen? In Unterfranken gibt es drei Pilotprojekte - Nordheim, Iphofen (beide Lkr. Kitzingen) und Oberschwarzach (Lkr. Schweinfurt), die finanziell gefördert werden.
Patrick Friedl: Aus der Pilotprojekt-Phase der Staatsregierung sollten wir längst raus sein: Wir müssen eine Förderstruktur für alle hinbekommen, die Wasser brauchen und nicht nur für Einzelne. Gefördert werden sollten aber nur sinnvolle Maßnahmen - also Maßnahmen, die Wasser sparen, Wasser in der Fläche halten und die möglichst auf Oberflächenwasser setzen.
Der bayerische Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) schlägt vor, eine Ringleitung von Süd- nach Nordbayern zu bauen - eine gute Idee?
Friedl: Bodensee-Wasser für die Bewässerung in Unterfranken? Da sage ich klar: Nein. Wir werden höchstens eine Fernwasser-Vernetzung brauchen, um ausfallende Trinkwasser-Brunnen zu kompensieren.
Schulze: Auf komplexe Probleme gibt es keine einfachen Antworten. Anstatt einen See leer zu pumpen, müssen wir langfristig Klimafolgen-Anpassung betreiben. Zum Beispiel: Nicht mehr so viele Flächen versiegeln. Damit es, wenn es mal in Unterfranken regnet, nicht zu Sturzfluten kommt, die alles wegschwemmen, sondern damit der Boden das Wasser aufsaugen und so viel wie möglich für schlechte Zeiten speichern kann.
Gerade sprießen in Unterfranken sehr viele Logistik-Zentren aus dem Boden. Wie wollen Sie den Flächenfraß stoppen?
Schulze: Wir brauchen ein Gesetz, das sagt: nicht mehr als fünf Hektar Flächenverbrauch am Tag in Bayern. Natürlich brauchen wir neue Wohnungen und Kindergärten. Aber: Es muss klug gebaut werden. Denken, bevor der Bagger kommt: Wo kann ich in die Höhe bauen? Wo eine Tiefgarage statt Außenparkplätze bauen? Wo gibt's innerorts Leerstand? Wo können wir nachverdichten? Wo Solar obendrauf setzen? Wo können Gemeinden zusammenarbeiten?
Bundesumweltministerin Steffi Lemke, Ihre grüne Parteifreundin, bezeichnete es als eine "absolut sinnvolle Maßnahme", dass Kommunen die Bewässerung von Gärten am Tag verbieten. Geht's bei den Grünen nur mit Verboten?
Schulze: Ich liebe dieses Thema (lacht). Was ist Ihnen lieber? Genügend Wasser zum Trinken aus der Leitung oder ein Rasen zum Anschauen? Diese Aussage sollte doch aufrütteln, dass wir alles dafür tun müssen, um Wasser in der Fläche zu halten. Die Verbots-Debatte führen doch gerne die, die davon ablenken wollen, was die CSU in Jahrzehnten Regierungsverantwortung verschlafen hat.
Friedl: Wir hätten zum Beispiel längst die Nutzung von Brauchwasser finanziell fördern können - etwa mit dem Bau von Zisternen. Wer braucht für die Klospülung Wasser in Trinkwasserqualität? Doch weil wir nichts tun, hat sich die Wasser-Situation so verschärft. In Bad Königshofen gibt es bereits die Anordnung, Gärten nicht mehr zu bewässern, um zu verhindern, dass die Brunnen trocken fallen. Diese Situation ist in Unterfranken längst Realität.
Rund um Würzburg haben manche Angst, das geplante Trinkwasserschutzgebiet "Zeller Quellen" könnte das Gipsbergwerk der Firma Knauf verhindern. Hunderte Arbeitsplätze in Iphofen (Lkr. Kitzingen) wären in Gefahr, wenn Knauf der Gips ausgeht. Können Sie diese Ängste verstehen?
Friedl: Es geht doch darum: Ist ein Gipsabbau dort möglich, ohne das Grundwasser zu gefährden, oder nicht? Dafür müssen wir die Gutachten abwarten. Natürlich sind wir kritisch, denn es geht um ein Kluft- und Karstgebiet, das die Hälfte der Stadt Würzburg mit Trinkwasser versorgt. Doch Gips- und Wasserschutzgebietsverfahren sind unabhängig voneinander. Daher halte ich es für ein Unding, dass Landrat Thomas Eberth das Wasserschutzgebietsverfahren nicht einleitet. So ein Verfahren dient ja dazu, die Öffentlichkeit zu informieren, Fragen zu klären, Einwendungen zu erörtern. Ich frage mich, was für ein Amtsverständnis er hat. Er ist Landrat und muss so ein Verfahren ordentlich durchführen.
Sie haben also keine Angst, die wirtschaftliche Schlagkraft Bayerns durch mehr Naturschutzauflagen zu schwächen?
Schulze: Ich möchte den Wohlstand in Bayern, die Arbeitsplätze und Innovationskraft, erhalten. Doch Wirtschaftsvertreterinnen und Vertreter wissen genauso: "There is no profit to be done on a dead planet" (Auf einem toten Planeten gibt es keinen Profit zu machen). Die Klimakrise, Dürren und Wassermangel sind ein reales Problem. Unternehmen haben in Zukunft einen Vorteil, wenn sie klimafreundlich wirtschaften. Auch, weil immer mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das von ihnen erwarten.