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Karlsruhe: Gewalt gegen Politiker: Wie erleben Karlsruher Parteien den Wahlkampf?

Karlsruhe

Gewalt gegen Politiker: Wie erleben Karlsruher Parteien den Wahlkampf?

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    KAL-Plakat am Boden (Oststadt).
    KAL-Plakat am Boden (Oststadt). Foto: Corina Bohner

    In den vergangenen fünf Jahren haben Sicherheitsbehörden laut stern.de wurden im vergangenen Jahr etwa 10.500 Angriffe auf Politiker registriert - Sachbeschädigungen kommen noch hinzu. Trauriger Höhepunkt: Der brutale Angriff Anfang Mai auf Matthias Ecke.

    Die verbalen Rundumschläge, die im Ton auch härter werden, nehmen auch an den kommunalen Wahlkampfständen zu. Wie erleben es die Parteien und Wählervereinigungen derzeit in Karlsruhe?

    Die ausführlichen Antworten der jeweiligen Parteien und Wählervereinigungen sind am Ende des Artikels verlinkt.

    "Gefühl von Beklemmung schwingt mit"

    Es sei wichtiger denn je, "offensiv Farbe zu bekennen" und "ganz klar für unsere freiheitliche Demokratie" einzustehen, so die SPD.

    Sie äußert als einzige Karlsruher Partei ein grundlegendes Unwohlsein: "Leider schwingt dabei ein Gefühl von Beklemmung mit, weil wir beobachten, dass es derzeit mehr Menschen gibt, die sich in Wut über wo auch immer begründete Missstände hineinsteigern. Dadurch kann Hass entstehen, den manche sogar in Taten ausdrücken."

    Immer mehr beschädigte Wahlplakate

    Der politische Unmut richtet sich in Karlsruhe aktuell vor allem gegen Wahlplakate jeder Parteicolour: Bemalte, geschwärzte, heruntergerissene oder gestohlene Plakate sind im Vorfeld der Kommunalwahl an der Tagesordnung.

    "Aktuell kommt es regelmäßig zu Sachbeschädigungen an Wahlplakaten aller Parteien", bestätigt die Karlsruher Polizei.

    Unmut trifft vor allem Parteien, die auch auf Bundesebene aktiv sind

    Dabei trifft es vor allem die Parteien, welche auch in der Bundespolitik in der Verantwortung stehen: SPD, Grüne und FDP.  

    "Es werden mehr Plakate als früher verschandelt, zerstört oder einfach entfernt – hier richtet sich der Hass vor allem gegen diejenigen, die an der Spitze Verantwortung für unsere Gesellschaft und unser Land übernehmen, allen voran Bundeskanzler Olaf Scholz." (Yvette Melchien, Spitzenkandidatin SPD)

    Diesen Eindruck bestätigt die rein auf kommunaler Ebene organisierte Wählervereinigung Freie Wähler (FW): Bei Wahlveranstaltungen begegne man häufig Bürgerinnen und Bürgern, die Frust über die Bundespolitik äußerten, heißt es gegenüber ka-news.de.

    "Bei den Gesprächen ist ein großer Politikverdruss und Frustration mit 'der Politik' zu spüren, dies bezieht sich jedoch meist auf Bundes- und Landespolitik", so FW-Spitzenkandidatin Rena Thormann.

    Bei der Karlsruher FDP vermutet man ebenfalls gezielte Attacken auf die Wahlplakate: "Bei uns wird oft das Logo oder das Gesicht beschmiert, also schwarz eingefärbt. Dies betrifft auch gezielt unsere FDP-Plakate – die Plakate darüber oder darunter sind meist unversehrt", sagt FDP-Spitzenkandidat van Ryk.

    "Angriff auf demokratische Prozesse"

    Bei den Grünen schätzt man, dass jedes zehnte Wahlplakat mutwillig beschädigt oder entfernt wurde; bei den Linken sei es rund ein Drittel.  

    "Seit Beginn des Wahlkampfes verzeichnet der Kreisverband eine spürbare Zunahme von Beschädigungen und Diebstählen von Wahlplakaten. In den vergangenen Wochen wurden zahlreiche unserer Wahlplakate mutwillig beschädigt oder entfernt, was einen Angriff auf die demokratischen Prozesse darstellt." (Grüne Kreisverband)

    Die SPD beziffert die Menge mit "häufiger als in der Vergangenheit"; "verdoppelt" im Vergleich zu 2019 hat es sich bei der FDP und "zuhauf" lautet die Mengenangabe der Karlsruher AfD.

    Während bei den Freien Wählern herunter gerissene Plakate "hin und wieder bemerkt" werden, stellt FÜR Karlsruhe einen deutlichen Anstieg fest: "Wir haben eine sehr große Anzahl an Sachbeschädigungen registriert, die über das Maß der letzten Jahre deutlich hinaus geht."

    Bei der Karlsruher Liste (KAL) werden nach eigenen Angaben in diesem Wahlkampf "sehr viele" Plakate zerstört. Man habe den Eindruck, dass vor allem ein Plakat stärker von Vandalismus betroffen sei, als andere: "Vielfalt macht stark."

    In Karlsruhe ist der Ton rau, aber das Klima sonst friedlich

    Noch kam es zu keinen tätlichen Handlungen in der Karlsruher Lokalpolitik - doch der Ton auf der Straße wird rauer. 

    Die Grünen sprechen von einem "echten Gewaltpotential" gegenüber Wahlhelfern. Beleidigungen und Beschimpfungen erlebe man gelegentlich. Man nehme wahr, dass der Ton insgesamt wesentlich angreifender geworden sei.

    "Ein Wahlkämpfer der Grünen war Anfang Mai auf dem Friedrichsplatz von einer Person, in Kleidung einer Karlsruher Fahrschule, als 'Faschist' bezeichnet worden", berichtet der Kreisverband der Grünen. Die positive Wendung: "Nach wenigen Minuten kehrte die Person zurück und hat sich für ihre Handlungen entschuldigt."

    SPD-Spitzenkandidatin Yvette Melchien tritt stets offensiv und gut erkennbar mit einem SPD-Shirt im Wahlkampf auf: "Bisher hat das nur vereinzelt zu wütenden Blicken oder mehr provokanten Kommentaren geführt, tatsächlich angegriffen wurde ich bisher zum Glück aber nicht."

    Bei den Karlsruher Linken richten sich die Angriffe gegen das "feministische Spitzenteam" - "ein nicht zu akzeptierender Zustand", heißt es. Sie berichten von mehreren verbalen Einschüchterungsversuchen und konkreten Drohungen beim Plakatieren oder an Infoständen

    "Verbale und digitale Gewalt ist vorhanden", bestätigt auch FDP-Spitzenkandidat Hendrik van Ryk. "Zugenommen haben die 'stummen' Übergriffe wie anonyme Briefe oder Drohungen, die auch oft auf das Privatleben abzielen – es werden mein Mann oder Hund involviert."

    Und weiter: "Natürlich fragt man sich da, wie schnell der Schritt von der anonymen Bedrohung zur konkreten Tätlichkeit geht. Aktuell habe ich aber nicht das Gefühl, dass die Stimmung in Karlsruhe derart aufgeheizt wäre."

    Bei der Karlsruher Liste sei die Rückmeldung überwiegend positiv. "Einzelne ablehnende Wort gibt es sicher auch", heißt es auf  ka-news.de-Anfrage. Aber konkrete Anfeindungen oder Pöbeleien habe man bislang nicht erleben müssen.

    Bespuckte Wahlhelfer, Messer in der Haustür und Angriffe auf Büroräume

    Auch wenn es 2024 noch keine Tätlichkeiten gegenüber Karlsruher Politikern gegeben hat, zeigt die Vergangenheit, dass sie nicht ausgeschlossen sind.

    So berichtet die Karlsruher Kommunalpolitik von mehreren Vorfällen: Darunter Bespuckte Wahlkampfhelfer, eingeschlagene Scheiben, beschmierte Büroräume und ein feststeckendes Messer an der Haustür.

    • "Schon vor dem Kommunalwahlkampf gab es mehrfach direkte Angriffe auf das Büro der Grünen in der Karlsruher Südweststadt. Es wurde bereits zweimal mit Graffiti besprüht und es wurde eine Farbbeutelattacke verübt, die auch eine Fensterscheibe zerstörte. Die Graffitis standen inhaltlich jeweils mit bundespolitischen Themen im Zusammenhang: Kohlekompromiss und Gemeinsames Europäisches Asylsystem (GEAS) – aktuell noch zu lesen ist 'GEAS tötet'). Der verursachte Schaden liegt im fünfstelligen Bereich." (Grüne Kreisverband)
    • "2023 hatten wir zweimal Bauschaum im Briefkasten des Parteibüros. (...) Früher wurden noch die privaten Adressen in der Amtlichen Bekanntmachung der Listen veröffentlicht – das gibt es heutzutage nicht mehr. Dennoch zeigt man sich mit Gesicht und Wohnort. Vor zehn Jahren wurde mir beispielsweise auch mal das Plakat mit Messer an die Haustür genagelt – das ist nicht ohne." (Hendrik van Ryk, FDP)
    • "Wir haben in den vergangenen Jahren Drohbriefe erhalten. Sie liegen dem Staatsschutz vor." (Karlsruher Liste)
    • "In den Jahren zuvor gab es (...) immer mal Infostände, an denen Wahlkämpfende bespuckt oder angefasst wurden. 2017 wurden die Scheiben des damals frisch gewählten Bundestagsabgeordneten Michel Brandt eingeschlagen." (Die Linke)
    • "(...) außerdem Angriffe auf Infostände in den vergangenen Jahren, verschmierte Hausfassaden, mit Bauschaum gefüllte Briefkästen, den Versuch, den Hund eines unserer Karlsruher Kandidaten durch einen mit Nägeln versetzten Fressköder zu töten, durch indymedia veröffentlichte Adressen von Mitgliedern, die Androhung, Fahrzeuge eines unserer Kandidaten abzufackeln ..." (Oliver Schnell, AfD)

    Was sagen die Sicherheitsbehörden?

    Auf Nachfrage bei der Karlsruher Polizei heißt es: "Dem Polizeipräsidium Karlsruhe sind in den letzten zwei Jahren kein gezielter Vandalismus oder körperliche Übergriffe auf Kommunalpolitiker bekannt."

    Sachbeschädigungen seien mehrfach beim Grünen-Parteibüro vorgekommen, dazu habe sich die örtliche Antifa bekannt, so eine Sprecherin gegenüber ka-news.de.  

    Tenor: Keine Angst, lassen uns nicht einschüchtern

    Mit welchem Gefühl geht die Karlsruher Lokalpolitik auf die Straße - wurden Sicherheitsvorkehrungen getroffen, hat man den den Wahlkampf verändert? Der Tenor ist klar - man lässt sich nicht einschüchtern. Die Antworten der Lokalpolitik:

    Grüne: Schränken Präsenz nicht ein!

    "Was Karlsruhe angeht, sind wir jedoch grundsätzlich zuversichtlich und haben unsere Präsenz im öffentlichen Raum in keinster Weise eingeschränkt. Wir haben keine Angst, aber es ist grundsätzlich empfehlenswert, nie alleine Haustürwahlkampf zu machen oder am Infostand zu stehen. Diese Empfehlung gab es aber auch schon in den Wahlkämpfen zuvor." (Grüne Kreisverband)

    SPD: Können keinen Wahlkämpfer alleine losschicken

    "Die Sicherheit derjenigen, die sich engagieren, steht immer an erster Stelle. Bei der SPD, die ja sehr auf die direkte Begegnung mit den Menschen setzt, etwa in Form von Hausbesuchen, gilt schon immer die Devise, nur zu zweit loszuziehen, möglichst in gemischten Teams. Dies galt bisher nicht für die Plakatierung und andere öffentliche Aktionen."

    "Doch da mussten wir vor dem Hintergrund der besorgniserregenden Entwicklungen umsteuern. Die gewalttätigen Überfälle in Berlin und Leipzig zeigten uns deutlich: Wir können derzeit guten Gewissens keine Wahlkämpferin und keinen Wahlkämpfer alleine Aufgaben in der Öffentlichkeit übernehmen lassen." (Yvette Melchien, SPD)

    FDP: Mann oder Hund dabei, nie alleine

    "Im Moment hat sich im kommunalen Bereich nichts verändert. (...) Wir sind oft am reinen Wahlkampfstand, wo alle zusammen unterwegs sind. Wahlkampf an den Haustüren machen wir für die Kommunalwahl nicht – unabhängig von den aktuellen Ereignissen. Meine Plakate habe ich oft mit meinem Mann oder Hund zusammen aufgehängt. Ganz alleine würde ich in den Randbezirken nicht losziehen." (Hendrik van Ryk, FDP)

    FÜR Karlsruhe setzen auf Dialog - Linke, AfD und FW haben keine Angst

    "Wir lassen uns nicht einschüchtern, sind in der ganzen Stadt weiter aktiv." (Die Linke)

    "Wir haben keine weitergehenden Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Grundsätzlich passen wir immer aufeinander auf und unterstützen uns in unangenehmen Situationen." (Karlsruher Liste)

    "In Karlsruhe nehme ich aber auch ein gutes Miteinander unter den im Gemeinderat vertretenen Parteien und Wählergemeinschaften wahr, in dem man relativ fair miteinander umgeht. Das finde ich gut – denn ich glaube der Dialog und der Austausch miteinander, auch wenn man sich mal nicht einer Meinung ist, oder sogar weiß, die Meinung ist komplett konträr, hilft Kompromisse zu finden oder Ideen/Meinungen nochmal zu revidieren. Wo der Austausch nicht stattfindet, oder Menschen ausgegrenzt werden, kommt es unweigerlich zu einer Verbitterung und Radikalisierung, oder einem Beharren auf der eigenen Meinung ohne Prüfung neuer Argumente." (Micha Schlittenhardt, FÜR Karlsruhe)

    "Da wir sowieso in Teams auf den verschiedenen Infoständen und Wahlkampfveranstaltungen unterwegs sind, haben wir keine Angst. Schon allein diese Team-Struktur halten wir für eine Sicherheitsvorkehrung." (Rena Thormann, Freie Wähler)

    "Angst haben wir keine." (Oliver Schnell, AfD)

    Angefragt wurden für diesen Artikel alle im Karlsruher Gemeinderat vertretenen Parteien und Wählervereinigungen. Die Karlsruher CDU sowie "Die Partei" haben sich auf die ka-news.de-Anfrage nicht zurückgemeldet und sind daher nicht im Artikel vertreten.

    Die vollständigen Antworten und Erfahrungen der jeweiligen Parteien und Wählervereinigungen aus Karlsruhe gibt es in den folgenden Artikeln:

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