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Schweinfurt: Gegen Krieg und für Verhandlungen: Wie kommt Sahra Wagenknecht bei Schweinfurts Linken an?

Schweinfurt

Gegen Krieg und für Verhandlungen: Wie kommt Sahra Wagenknecht bei Schweinfurts Linken an?

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    Die Linken-Politikerin Sarah Wagenknecht kam auf Einladung des Bundestagsabgeordneten Klaus Ernst nach Schweinfurt und sprach vor über 500 Gästen in der vollbesetzten Stadthalle.
    Die Linken-Politikerin Sarah Wagenknecht kam auf Einladung des Bundestagsabgeordneten Klaus Ernst nach Schweinfurt und sprach vor über 500 Gästen in der vollbesetzten Stadthalle. Foto: Anand Anders

    Nimmt man die Schlagzeilen in den vergangenen Tagen, dann dürfte Sahra Wagenknecht, Linken-Bundestagsabgeordnete und Ehefrau des Parteigründers Oskar Lafontaine, die derzeit umstrittenste deutsche Politikerin sein. In der Schweinfurter Stadthalle war davon nichts zu spüren. Nach einem einstündigen Parforceritt mit linker Seelenmassage und den bekannten Aussagen zum Krieg in der Ukraine gab es stehend dargebrachte Ovationen.

    Kurz bevor Wagenknecht, schwarzer Rock, blaues Sakko, Hochsteckfrisur, den Saal betrat, spielte die DGB-Songgruppe ein Lied der Biermösl Blosn, geschrieben 1985. Der Refrain: "Der Russ, der kommt, der Russ, der kommt, des is ganz gwies". Ist Sahra Wagenknecht die Vorhut? "Ganz gwies" nicht, würden ihre Anhänger sagen. "Ganz gwies" aber auch ihre Position zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine: "Diplomatie statt Krieg."

    Um zu verstehen, warum eine Politikerin wie Wagenknecht in einer Stadt wie Schweinfurt so gut ankommt, ist der 18. Februar 2003 wichtig. Da lud der damalige IG Metall-Bevollmächtigte und jetzige Schweinfurter Bundestagsabgeordnete Klaus Ernst Oskar Lafontaine ein. Es ging um soziale Gerechtigkeit und die Hartz-IV-Reformen des damaligen SPD-Kanzlers Gerhard Schröder, den man wohl unwidersprochen einen Putin-Freund nennen darf.

    Dieser Abend war die Keimzelle der WASG und späteren Linken. Und so ist auch zu verstehen, warum die traditionell linke Arbeiterschaft in der Wälzlagerstadt auch heute noch in Scharen kommt, wenn ihre Partei-Ikonen sprechen.

    Wagenknecht und Ernst verurteilen Angriff auf die Ukraine, ohne Russland zu nennen

    Ernst als auch Wagenknecht verurteilen den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, ohne Russland oder Präsident Wladimir Putin konkret beim Namen zu nennen. Man sei "nicht unsolidarisch mit der Ukraine", betont Ernst, "aber wir müssen den Krieg durch Verhandlungen lösen. Wenn weiter gekämpft wird, sterben Menschen."

    Wagenknecht nennt das Geschehen auf den Schlachtfeldern "barbarisch", "verbrecherisch". Aus ihrer Sicht sei ihre Forderung nach Verhandlungen und dem Stopp von Waffenlieferungen "kein Putinismus, sondern Vernunft."

    Ihre Argumentation kommt an: Es sei kein nationalistisch motivierter Krieg, sondern ein geopolitischer Konflikt. Sprich: NATO vs. Russland, Der Westen vs. Putin. Wagenknecht warnt vor den Gefahren eines Atomkriegs, "sie spielen mit unserer Existenz, wenn Russland gedemütigt wird." Es sei "zynisch" mit immer mehr Waffen die Ukraine in einen jahrelangen Abnutzungskrieg zu zwingen.

    Unter welchen Bedingungen kann es Friedensverhandlungen mit Russland geben?

    Wagenknecht liefert gut eine Stunde eine rhetorisch geschliffene Rede ab. Doch was bedeuten Verhandlungen für die Ukraine? Soll sie Teile ihres Staatsgebietes abgeben, damit Präsident Putin nicht gedemütigt wird, bevor er seine Armee zurückzieht? Diese Fragen werden nicht beantwortet.

    Wagenknecht spricht von zwei Friedensinitiativen aus Israel und der Türkei im vergangenen Jahr, von einem Rückzug Russlands auf die Frontlinie vor dem 24. Februar 2022, dem Beginn des derzeitigen Krieges. Für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyi unvorstellbar. 

    Sahra Wagenknecht wirft deutschen Medien "Scheinheiligkeit" vor

    Die Linken-Politikerin geht auch auf die Aufregung nach der Demonstration am 25. Februar in Berlin ein, zu der mehrere zehntausend Menschen kamen. Sarkastisch listet sie auf, wie Fernseh-Journalisten auch Teilnehmende mit rechtem Gedankengut fanden. Es sei eine "scheinheilige" Diskussion, "dümmer geht's nicht mehr, als zu behaupten, wir seien rechts unterwandert." 

    Eine Spitze auf einer ihrer größten Kritiker im Ausland darf nicht fehlen: Der frühere ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrji Melnyk, hat stets scharfe Worte für Wagenknecht in sozialen Medien parat. Sie auch live in Schweinfurt für ihn, als sie ihm seine Verehrung von Stepan Bandera vorwirft ein Ukrainer, der im Zweiten Weltkrieg für tausende ukrainische Opfer verantwortlich war. Wer der wahre Nazi sei, sei klar.

    Vor allem Annalena Baerbock und Robert Habeck stehen in der Kritik

    Interessant an Wagenknechts Auftritt: Nicht die CDU/CSU steht im Fokus der Kritik, sondern vor allem die Grünen: Außenministerin Annalena Baerbock ("Trampelt wie ein Elefant auf internationalem Parkett") und Wirtschaftsminister Robert Habeck ("Klimaziele erreichen, indem es keine Industrie mehr in Deutschland gibt?").

    Klassisch linke Herzensangelegenheiten baut Wagenknecht auch ein: Das Geld, das für Aufrüstung genommen wird, lieber in Krankenhäuser, Pflege, Bildung stecken. Klaus Ernst bringt die Sichtweise auf den Punkt: "Nicht die Russen, sondern wir selbst sind für die gestiegenen Energiepreise verantwortlich. Weil uns nicht gefällt, was der macht, hauen wir uns selbst eine rein."

    Zu ihrer Ankündigung, nicht mehr für die Linke kandidieren zu wollen, verlor Sahra Wagenknecht in Schweinfurt kein Wort.

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