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Erlabrunn/Giebelstadt: Gefährliche PFAS-Chemikalien nachgewiesen: So belastet ist das Grundwasser im Landkreis Würzburg

Erlabrunn/Giebelstadt

Gefährliche PFAS-Chemikalien nachgewiesen: So belastet ist das Grundwasser im Landkreis Würzburg

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    Der Main bei Erlabrunn im Landkreis Würzburg. Hier wurden PFAS-Chemikalien gemessen. Jetzt überprüft die EU-Chemikalienagentur, ob die Stoffe weitgehend verboten werden.
    Der Main bei Erlabrunn im Landkreis Würzburg. Hier wurden PFAS-Chemikalien gemessen. Jetzt überprüft die EU-Chemikalienagentur, ob die Stoffe weitgehend verboten werden. Foto: Achim Muth

    Schon lange ist bekannt, wie gefährlich per- und polyfluorierte Alkylverbindungen, kurz PFAS-Chemikalien, für Mensch und Natur sein können. Trotzdem sind sie bis heute kaum reguliert, nach Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung lassen sie sich an mehr als 1500 Orten in Deutschland PFAS nachweisen.

    Die Gruppe der sogenannten Ewigkeitschemikalien umfasst laut Bundesumweltministerium mehr als 10.000 verschiedene Stoffe. PFAS kommen nicht natürlich vor. In Regenjacken sorgen sie für das Abperlen, in Bratpfannen helfen sie, dass nichts anbrennt, auch in Zahnseide sind sie zu finden. Gleichzeitig stehen sie jedoch in Verdacht, Krebs zu verursachen oder unfruchtbar zu machen.

    Die Recherche zeigt nun erstmals: In Deutschland sind weit mehr Orte mit den Chemikalien verseucht als bislang bekannt. Auch in Unterfranken sind PFAS-Chemikalien im Wasser in der Vergangenheit nachgewiesen worden: in Erlabrunn und in Giebelstadt im Landkreis Würzburg.  

    Am Flughafen Giebelstadt: Belastung durch Löschschaum

    Am Flughafen Giebelstadt wurden innerhalb des Routine-Umwelmonitorings im Grundwasser 213 Nanogramm pro Liter gemessen, wie aus der Antwort des bayerischen Umweltministeriums auf eine Anfrage der SPD-Landtagsfraktion von 2019 hervorgeht. Dass von der PFAS-Belastung vor allem Militärflughäfen belastet seien, liegt laut Bayerischem Landesamt für Umwelt (LfU) am langjährigen Einsatz von PFAS-haltigen Löschschäumen. Weder in Giebelstadt, noch in Erlabrunn würden sich die Daten auf Messungen im Trinkwasser beziehen.

    Trinkwasser im Versorgungsbereich Sulzfeld: Sieben PFAS-Verbindungen gemessen 

    Der Markt Giebelstadt wird von der Fernwasserversorgung Franken (FWF) mit Trinkwasser aus dem Versorgungsbereich Sulzfeld (Lkr. Kitzingen) versorgt. FWF-Sprecherin Ann-Christine Häßlein erklärt auf Anfrage, dass es keine gesetzliche Verpflichtung zur regelmäßigen Analyse von PFAS im Trinkwasser gebe. Im Oktober 2021 habe die FWF jedoch freiwillig eine analytische Untersuchung am Hochbehälter Neuhof durchgeführt. 

    Dabei seien sieben verschiedene PFAS-Verbindungen gemessen worden, sagt Häßlein. Die Werte würden unterhalb der Bestimmungsgrenze (< 1 Nanogramm pro Liter) liegen, "sodass kein Anlass zur Besorgnis beim Verzehr des Trinkwassers besteht".

    Wie das Landesamt für Umwelt verweist auch Geschäfts- und Werkleiter Dr. Hermann Löhner auf die Löschschaum-Problematik im Bereich von Flughäfen. "Aber auch dort, wo Industrie PFAS verarbeitet, sind Werte gemessen worden", sagt Löhner. "Diese Kontaminationen gibt es und sie werden immer transparenter."

    Fernwasserversorgung Mittelmain: Keine regelmäßigen Untersuchungen auf PFAS

    In Erlabrunn wurde 2022 ein deutlich höherer Wert von 1650 Nanogramm pro Liter gemessen. Laut LfU  stammt der Wert aus dem "Main von Einmündung Mainkanal bis Einmündung Fränkische Saale". Eine Gefahr für die Bevölkerung sei "nach Aussage der zuständigen Behörden vor Ort" nicht gegeben. Wie in Giebelstadt würden auch in Erlabrunn weitere Erkundungen zur Klärung laufen, teilt ein LfU-Sprecher mit. Auswirkungen auf das Trinkwasser gebe es aktuell keine.

    Die 1600-Einwohner-Gemeinde im Nordwesten des Würzburger Landkreises wird über die Fernwasserversorgung Mittelmain (FWM) versorgt. Auch dort finden keine regelmäßigen PFAS-Untersuchungen statt, erklärt Eva von Vietinghoff, Vorständin des Kommunalunternehmens des Landkreises und Werkleiterin bei FWM, "da sie nicht vorgegeben werden".

    Studien: PFAS wirken toxisch auf die Entwicklung

    Doch was macht die PFAS-Chemikalien eigentlich so gefährlich für den Menschen und die Natur? Einmal aufgenommen, reichern sich insbesondere langkettige PFAS im menschlichen Körper an, da sie kaum verstoffwechselt und nur langsam ausgeschieden werden, erklärt Prof. Angela Mally vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie an der Uni Würzburg.

    In Tierversuchen zeigten sich einige PFAS leberschädigend, beeinflussten den Fettstoffwechsel und das Immunsystem oder wirkten toxisch auf die Entwicklung, sagt Mally. Studien würden zudem einen Zusammenhang zwischen PFAS-Gehalten im Blut und höheren Cholesterinspiegeln, reduziertem Geburtsgewicht und einer verminderten Immunantwort nach Impfungen nahelegen.

    Eine weitere Gefahr: Durch die starke chemische Bindung zwischen Kohlenstoff und Fluor sind PFAS in der Umwelt extrem stabil und biologisch praktisch nicht abbaubar, sagt Mally. "Sie reichern sich daher in der Umwelt an und gelangen über kontaminierte Gewässer und Böden in die Nahrungskette."

    Deutschland und weitere EU-Staaten wollen generelles Verbot

    Die fünf EU-Staaten Dänemark, Niederlande, Norwegen, Schweden und Deutschland haben in diesem Februar  vorgeschlagen, die PFAS-Chemikalien nach einer Übergangsfrist überwiegend zu verbieten. So sollen die meisten der mehr als 10.000 Stoffe nach wenigen Jahren nicht mehr verwendet werden dürfen. Doch der Widerstand gegen ein Verbot seitens der Industrie ist mächtig.

    Für Toxikologin Angela Mally ist klar: "Wir müssen verhindern, dass persistente Substanzen wie PFAS in die Umwelt gelangen. Der Einsatz der Einzelsubstanzen PFOA und PFOS ist ja deshalb – bis auf wenige Ausnahmen - mittlerweile bereits verboten, für andere PFAS gibt es Beschränkungen."

    Ein generelles Verbot habe vor allem das Ziel, zu verhindern, dass in der Anwendung eine inzwischen verbotene Substanz einfach durch eine andere, weniger gut untersuchte Verbindung aus der Gruppe ersetzt wird. In vielen Bereichen müsse man sich auch die Frage stellen, ob eine Oberflächenbehandlung mit solchen "ewigen Chemikalien" überhaupt nötig sei. Die Professorin nennt etwa Backpapier oder Coffee-to-go-Becher als Beispiele.

    Frage der Alternativen: PFAS "gesamtgesellschaftlich unabdingbar"?

    "In anderen, vor allem technischen Bereichen, gibt es aber bisher keine Alternativen zu PFAS", sagt Mally. Das Verbot sehe daher Verwendungen von PFAS vor, die nicht als "gesamtgesellschaftlich unabdingbar" gelten. "Bei mehreren Tausend Verbindungen und unzähligen Anwendungen für PFAS ist diese Differenzierung keine leichte Aufgabe."

    Die EU-Chemikalienagentur (ECHA) prüft jetzt, ob Verbote mit EU-Recht vereinbar sind. Die  öffentliche, sechsmonatige Anhörung dazu hat gerade begonnen. Die Entscheidung über Einschränkungen und Verbot trifft danach die Europäische Kommission mit den EU-Mitgliedsstaaten. 

    PFAS-Chemikalien

    PFAS steht für Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen

    und bezeichnet eine Stoffgruppe von Industriechemikalien. Sie bestehen aus Kohlenstoffketten unterschiedlicher Länge, in denen die am Kohlenstoff gebundenen Wasserstoffatome teilweise (polyfluoriert) oder vollständig (perfluoriert) durch Fluoratome ersetzt sind. Mehr als 4700 verschiedenen PFAS sind bekannt,  Perfluoroktansäure (PFOA) und Perfluoroktansulfonsäure (PFOS) sind bislang am besten untersucht.

    PFAS

    sind wasser-, fett- und schmutzabweisend, dazu chemisch und thermisch sehr stabil. Diese besonderen physiko-chemischen Eigenschaften machen PFAS attraktiv für vielfältige Anwendungen, insbesondere für die Oberflächenbehandlung von Metallen,

    Kunststoffen

    oder Textilien, um diese hitze-, wasser- und fettabweisend zu machen. Durch die chemische und thermische Stabilität der PFAS bleiben die erzielten Eigenschaften lange erhalten.

    Der Nachteil:

    Durch die starke chemische Bindung zwischen Kohlenstoff und Fluor sind PFAS aber auch in der Umwelt extrem stabil und biologisch praktisch nicht abbaubar. Sie reichern sich daher in der Umwelt an und gelangen über kontaminierte Gewässer und Böden in die Nahrungskette.

    Quelle:

    Angela Mally

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