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Würzburg/Schweinfurt: Eine Stadt kauft ihren Kaufhof: Was Schweinfurt und Würzburg von Hanau lernen können, um Leerstand zu verhindern

Würzburg/Schweinfurt

Eine Stadt kauft ihren Kaufhof: Was Schweinfurt und Würzburg von Hanau lernen können, um Leerstand zu verhindern

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    Diese Illustration zeigt, wie das momentan leer stehende Kaufhof-Gebäude in Hanau nach der Sanierung ausschauen soll.
    Diese Illustration zeigt, wie das momentan leer stehende Kaufhof-Gebäude in Hanau nach der Sanierung ausschauen soll. Foto: Stadt Hanau

    Leere Ladenflächen, Insolvenz großer Warenhäuser - in Unterfranken wie bundesweit ein Problem. In Schweinfurt stehen in der Innenstadt rund zehn Prozent der Geschäfte leer und seit Ende Januar auch die Galeria Kaufhof. Auch in Würzburg ist Leerstand ein Problem, die Zukunft der Kaufhof-Filiale nach der Insolvenz des Konzerns Galeria  Karstadt Kaufhof nicht sicher. Wie gehen andere Kommunen mit der Herausforderung um?     

    Bundesweit bekannt wurde das hessische Hanau: Die Stadt im Rhein-Main-Gebiet, rund 100.000 Einwohner groß, hat ihr Galeria-Kaufhof-Gebäude gekauft und entwickelt es selbst. Martin Bieberle, Stadtentwickler im Rathaus und gleichzeitig Geschäftsführer der Baugesellschaft

    Frage: Herr Bieberle, seit 31. Januar steht das denkmalgeschützte Kaufhof-Gebäude mit 16.000 Quadratmeter Einzelhandelsfläche am Hanauer Marktplatz leer. Was passiert jetzt?

    Martin Bieberle: Mitte März wird uns der Schlüssel übergeben. Dann werden wir unmittelbar in den Schaufenstern und an der Fassade zeigen, dass hier etwas Neues passiert. Öffnen werden wir in mehreren Schritten: Los geht es im Herbst mit einer Zwischennutzung im Erdgeschoss. Das wird bis dahin qualitätvoll umgestaltet, damit dort kein kruscheliger Charakter entsteht. In den nächsten drei Jahren sollen hier Handel, Manufakturen und eine öffentliche Marktplatz-Fläche für Veranstaltungen Menschen anziehen. Wir haben schon 250 Nutzungs-Ideen dafür bekommen.      

    Das restliche Gebäude soll schrittweise bis 2028 saniert werden. Welche Nutzungen sind geplant?

    Bieberle: Das erste Obergeschoss ist dauerhaft als Bildungsetage gedacht, für studentische Nutzung, die Berufsakademie oder Volkshochschule, das zweite Obergeschoss für Gesundheitsthemen wie Arztpraxen oder Therapieeinrichtungen. Im dritten ziehen Teile der Stadtverwaltung ein und im Untergeschoss ist ein Vollsortimenter geplant. 

    Den Beschluss 25 Millionen Euro für Kauf und 40 für die Sanierung des Kaufhof-Gebäudes zu investieren, traf die Stadtverordnetenversammlung schnell und einstimmig. Wie konnten Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky und Sie die Politikerinnen und Politiker überzeugen?   

    Bieberle: Allen war klar, dass ein langanhaltender Leerstand im Herzen Hanaus die umliegenden Geschäfte und Gastronomien und die gesamte Innenstadt nach unten zieht. Wir haben aber das Ziel, unsere Innenstadt lebendig zu halten. Die Innenstadt ist ein Stück europäisches Kulturgut. Ihretwegen leben und arbeiten Menschen hier. Dass man der Stadtführung zutraut, sie lebendig zu halten, hat mehrere Gründe. Kann ich ein bisschen ausholen? 

    Gerne. Was tun Sie gegen Leerstand in der Innenstadt? 

    Bieberle: Bis 2007 war Hanau ein Schmuddelkind im Rhein-Main-Gebiet. Mit städtebaulichen Missständen, rückläufiger Einwohnerzahl und sozial nicht unproblematisch. Seit 2008 haben wir uns aus diesem Image erfolgreich rausgekämpft. 600 Millionen Euro wurden in den Umbau der Stadt investiert, um das Leben und Einkaufen attraktiver zu machen. Darauf aufgebaut haben wir 2019 das Programm Hanau aufLADEN.

    Worum geht es da?

    Bieberle: Wir unterstützen zum Beispiel Privatleute bei Geschäftseröffnungen. Wir helfen bei Behördengängen, vernetzen sie mit anderen und unterstützen sie 15 Monate mit je 500 Euro. Da wir auch selbst Immobilien vermieten, bieten wir Geschäftsräume günstig an, damit neue Ideen ausprobiert werden können. Das funktioniert natürlich nicht immer, aber aus zehn Pop-Up-Stores sind in den vergangenen zwei Jahren dauerhafte Läden geworden. Wir haben aber auch große und kleine Kulturräume geschaffen - auch das gehört zur lebendigen Innenstadt. Solche Projekte werden in Hanau unabhängig von der Parteizugehörigkeit gemeinschaftlich diskutiert und entschieden. In dieser Tradition steht auch der Beschluss, das Kaufhof-Gebäude am Marktplatz zu kaufen.     

    Ein Argument gegen solche Eingriffe der öffentlichen Hand, ist, dass die Privatwirtschaft wirtschaftliche Probleme am effektivsten löst . . . 

    Bieberle: Natürlich braucht eine Stadt für ihrer Entwicklung privates Know-how und Kapital. Aber die reine Privatwirtschaft führt erkennbar nicht unbedingt in die richtige Richtung. Man sieht es an der Pleite des Kaufhof-Karstadt-Konzerns. In der Logik der freien Marktwirtschaft würde das Kaufhof-Gebäude ziemlich sicher das nächste Jahrzehnt leer stehen. Rentabel wäre es derzeit nicht zu entwickeln. Wir wollen aber, dass hier rasch etwas mit viel Strahlkraft entsteht.

    Was müssen die Hanauer dafür bezahlen? 

    Bieberle: Wir werden vom Bund und vom Land Hessen gefördert, aber natürlich braucht es einen relevanten dauerhaften Zuschuss. 2,5 Millionen Euro im Jahr müssen die Hanauer Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in den nächsten 20 Jahren investieren. Aber der Nutzen, den wir dafür bekommt, ist das wert. Der wirtschaftliche Schaden eines durch langen Leerstand ausgelösten Abwärtstrends in der Innenstadt wäre sicherlich größer.  

    Hanau hat sich 2019 eine Vorkaufsrechtssatzung gegeben, mit der sich die Stadt den Erstzugriff auf Immobilien im Zentrum sichert. Warum?

    Bieberle: Wir haben erkannt, dass der reine Marktmechanismus der Innenstadt nicht guttut. Häuser werden von Fonds gekauft, die es nicht interessiert, ob die Nutzung das Angebot an Geschäften erhöht oder ob sie leer stehen. Der Grundsatz "Eigentum verpflichtet" zählt ja nur noch selten. Unsere Satzung ist das Signal: Diese Stadt kümmert sich um ihre Immobilien. Weil wir uns professionell mit dem Markt auseinandersetzen, verhindern wir zum Beispiel Spekulationsgeschäfte. 

    Wie funktioniert das konkret?

    Bieberle: Wenn ein Eigentümer seine Immobilie verkauft, können wir sie zu einem marktüblichen Preis kaufen. So haben wir in den vergangen zwei Jahren 15 Häuser erworben und sorgen mit fairen Mieten dafür, dass hier keine weiteren Barbershops oder Spätis einziehen, sondern zum Beispiel ein Spielzeug- oder Haushaltswarengeschäft, was bislang fehlte.

    In Würzburg stehen in der Innenstadt rund fünf Prozent der Geschäfte leer. In Schweinfurt liegt die Leerstandsquote bei rund zehn Prozent - ohne Galeria Kaufhof. Wie sieht es aktuell in Hanau aus? Bringen Ihre Maßnahmen was?

    Bieberle: Die Zahl an leerstehenden Geschäften konnten wir dank unserer Maßnahmen deutlich senken. Die Leerstandsquote in der Kerninnnenstadt liegt bei 2,8 Prozent exklusive dem Einkaufszentrum.  Wir haben hier in Hanau eine Kultur, Dinge auszuprobieren und robust nach vorne zu gehen, ohne die letzte Sicherheit zu haben, dass alles genau so richtig ist. Wir kämpfen für die Zukunft unserer Stadt. 

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