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Kolitzheim: Altes Haus mit Seele gesucht – und in Kolitzheim in einem ehemaligen Pfarrhaus gefunden

Kolitzheim

Altes Haus mit Seele gesucht – und in Kolitzheim in einem ehemaligen Pfarrhaus gefunden

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    Kleine Zen-Pause: Liebevoll pflegte der Winzer Christian Werr im Sommer 2023 die alten Rosenstöcke im Vorgarten des alten Pfarrhauses in Kolitzheim.
    Kleine Zen-Pause: Liebevoll pflegte der Winzer Christian Werr im Sommer 2023 die alten Rosenstöcke im Vorgarten des alten Pfarrhauses in Kolitzheim. Foto: Simone Werr (www.selene-adores.com)

    Ein eisiger Januartag. Das Thermometer ist unter null gefallen, auch im Haus. Aber durch die großen Fenster des alten Pfarrhauses in Kolitzheim strahlt die Mittagssonne. "Es war dieses Licht, vielmehr die Licht- und Schattenspiele in den großen Räumen, die mich beim ersten Betreten des Hauses sofort dafür einnahmen", sagt Simone Werr. Die gebürtige Fürtherin ist Wirtschaftsingenieurin und arbeitet in der Medizintechnik – und als Fotografin, daher ihr feines Gespür für Licht.

    "Kennenlernen 2018, Hochzeit 2022, Haussanierung 2023?" schrieben die 36-Jährige und ihr aus Giebelstadt stammender, 41-jähriger Mann Christian Werr in ihrer Bewerbung an die katholische Kirche, die das Haus im Herbst 2022 im Internet zum Verkauf anbot. Sie versprachen: "Wir möchten dieses alte Schmuckstück aus dem Winterschlaf holen und behutsam – mit Rücksicht auf Altes und Ursprüngliches und auf all die wunderschönen Details, die das Pfarrhaus zu bieten hat – in die Moderne transportieren."

    Immobilien der katholischen Kirche stehen immer öfter leer

    In vielen Dorfkernen macht sich seit Jahren der Leerstand breit. Auch Immobilien der katholischen Kirche stehen immer öfter leer. Das unter dem Würzburger Fürstbischof Julius Echter zur Zeit der Glaubenskriege errichtete Pfarrhaus in Kolitzheim war eine von ihnen.

    Dass dieses Haus und auch die Kolitzheimer Kirche mit dem für Unterfranken typischen Echter-Spitzturm unweit vom protestantischen Zeilitzheim stehen, ist laut Dr. Robert Meier kein Zufall. Der Historiker, Autor und Echter-Biograf erklärt: "Echter setzte im Zuge der Gegenreformation alles daran, verlorenes Territorium zurückzugewinnen und sein Bistum zu rekatholizieren. Kirchen, Pfarrhäuser, Schulen oder auch Rathäuser, sie alle dienten als Markierung und Machtdemonstration in der Landschaft. Sie signalisierten: Hier herrsche ich."

    37 Pfarrer gingen im Kolitzheimer Pfarrhaus seit seiner Fertigstellung 1615 ein und aus. Der letzte war Pfarrer Ludwig Öhrlein. Er übte dort von 1944 bis zu seinem Tod 1976 sein Amt aus. Das Amtszimmer lag im Erdgeschoss. Wer ins Haus wollte, brauchte einen triftigen Grund, etwa eine Hochzeit oder Beerdigung. Er musste zwei Eingangstüren überwinden – und die "Pfarrersköchin" Koletta, die stets dafür gesorgt haben soll, dass der "Herr Pfarrer" nicht unnötig gestört wurde.

    Was treibt zwei junge Menschen an, sich ein so altes Haus "anzutun"? Christian Werr, von Beruf Winzer und Önologe, sagt: "Wir haben lange nach einem Ort mit Vergangenheit, nach einem Haus mit Charme und Seele gesucht – und sind so in Kolitzheim gelandet. Unser Leben in einer monotonen Neubausiedlung zu verbringen, das können wir uns nicht vorstellen." 

    In diesem Haus sind über 400 Jahre Geschichte konserviert

    Da das Haus aus meterdickem Bruchstein besteht, hielt es 400 Jahre stand. Dass es nur zwei Mal aufwändiger umgebaut wurde, 1749 und 1930, bezeichnet der neue Besitzer als großes Glück, denn nur deshalb sei noch so viel Ursprüngliches erhalten. Simone Werr fügt hinzu: "In diesem Haus sind über 400 Jahre Geschichte konserviert. Das macht einem immer wieder deutlich, wie kurz unsere eigene Existenz auf der Welt ist und wie unbedeutend wir im Licht des großen Ganzen doch sind. Das Haus macht uns demütig."

    Die Fenster im Erdgeschoß waren vergittert und sind es noch. Zu den Überraschungsfunden der Werrs im Haus zählten zwei mächtige Safes. Einer im Erdgeschoss. "Der war so schwer, dass wir ihn zu zweit nicht von der Stelle bewegen konnten. Jetzt nutzt ihn ein Nachbar als Bar", erzählt der neue Hausherr. Ein weiterer Safe befindet sich im ersten Stock, eingemauert in die Wand.

    An einer Decke wunderschöner Stuck aus dem 18. Jahrhundert.

    Der erste Stock, wo sich auch das Büro des Pfarrers, zwei Schlafzimmer und weitere Räume befanden, ist herrschaftlicher. Die Decken sind mit 3,50 Meter höher als im Erdgeschoss. Am Boden fränkisches Parkett. An einer Decke wunderschöner Stuck aus dem 18. Jahrhundert. Und an den Wänden unterschiedliche florale Muster, aufgerollt, vermutlich zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

    Wandelt man durch die lichten Räume, drängt sich ein Gedanke auf: Licht- und Schattenseiten im Leben gehören zusammen, früher wie heute. Da ist diese unglaubliche Schönheit im Kleinen und die "kulturelle Leistung" aus einer Zeit, in der die restliche Dorfbevölkerung ihr ärmliches Dasein in kleinen aus Reisig und Lehm zusammengeschusterten Hütten mit Strohdach fristete und in der im Bistum Würzburg Hexenverfolgungen wüteten, auch auf den Dörfern. Jetzt, über 400 Jahre später, bröckelt die Macht der Kirche und mit ihr der Putz an der Wand des Kolitzheimer Pfarrhauses, in das künftig wohl kein Pfarrer mehr einziehen wird.

    Die beiden neuen Besitzer transportieren das Haus nun in die Moderne. Weil sie die vielen kleinen kunstfertigen Details aus der Zeit der Spätgotik und des Barocks unbedingt bewahren möchten, arbeiten sie eng mit den Denkmalschutzbehörden zusammen – auch wenn ihnen das immer wieder Zwangspausen bei der Sanierung beschert. Simone Werr lacht und sagt: "Geduld ist unser großer Zen-Meister."

    35 alte Fenster aus der Zeit zwischen 1750 und 1930

    Ihr Mann nutzte eine dieser Zwangspausen, um von einem Fensterrestaurator zu lernen, wie sich historische Fenster in die Zukunft retten lassen. "Wir haben 35 alte Fenster aus der Zeit zwischen 1750 und 1930 im Haus, jedes ist anders. Ein Fenster sanieren zu lassen, würde rund 5000 Euro kosten. Das wären 150.000 Euro alleine für die Fenster. Das können wir uns nicht leisten, deshalb machen wir das selbst", sagt der Sanierer entschlossen.

    Simone Werr wühlte sich indessen im Haus durch Regale mit alten Büchern. Was sie fand, trug Titel wie "Priestermacht", "Die Pflichten des christlichen Weibes" oder "Wie erkennt man einen Jud". Sie sagt: "Oft fühlen wir uns hier wie auf einer Reise in die Vergangenheit und der Gegenwart entrückt."

    Über ganz andere Fundstücke wie seine Frau freut und wundert sich Christian Werr. Etwa über einen Fensterrahmen aus Sandstein, den er nicht auf, sondern im Dachboden des 300 Quadratmeter großen Hauses fand. Oder über ein Weinfass aus Holz, das auf dicken Eichenbohlen im Gewölbekeller viele Jahre auf einen Winzer gewartet haben muss.

    Ein Text über ein Pfarrhaus sollte mit einem Segen enden. Warum nicht mit jenem, den Julius Echter dem Kolitzheimer Pfarrhaus 1615 zudachte und der über der Eingangstür zu lesen ist: Bischoff Julius auß vatterstreu / Zur Seelen-sorg fürth daz gebeu / Und wündscht nunmehr mit verlangen / Daz wie alleß wol anfangen / Auch geistliches ohnstrefliches leben / Bleibe an disem orth mit Seegen

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