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Ochsenfurt: 100 Jahre alte Schnappschüsse: Was die geretteten Glasnegative vom Dorfleben am Main zeigen

Ochsenfurt

100 Jahre alte Schnappschüsse: Was die geretteten Glasnegative vom Dorfleben am Main zeigen

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    Fotografiert von Josef Murr vor 100 Jahren mit der Plattenkamera: Vermutlich die jüngeren Schulkinder von Goßmannsdorf (Lkr. Würzburg) bei einem Ausflug an die Tauber. Das Bild wurde auf dem Holzplatz auf einem Stapel Floßholz aufgenommen.
    Fotografiert von Josef Murr vor 100 Jahren mit der Plattenkamera: Vermutlich die jüngeren Schulkinder von Goßmannsdorf (Lkr. Würzburg) bei einem Ausflug an die Tauber. Das Bild wurde auf dem Holzplatz auf einem Stapel Floßholz aufgenommen. Foto: Josef Murr

    Frau am Brunnen, spielende Kinder, ein Kuhgespann. Josef Murrs Fotos vom Alltag in Mainfranken um 1920 kamen auf glücklichem Weg ins Ochsenfurter Stadtarchiv. Das ist zu sehen.

    Besonderheit Nummer eins: Die 150 Glasplattennegative waren schon im Bauschuttcontainer gelandet. Und es würde die Fotos nicht mehr gehen, hätte ein aufmerksamer Passant sie nicht vor der Entsorgung gerettet. Besonderheit Nummer zwei: Die Fotografien aus der Gegend um Goßmannsdorf und Ochsenfurt sind gut 100 Jahre alt – und sie zeigen Alltagsszenen.

    Häcker im Weinberg. Spielende Kinder am Main. Eine alte Frau am Brunnen beim Wasserholen. Der Kolonialwarenladen. Ofenhändler mit ihrem Pferdegespann. Ein Kuhgespann auf der Dorfstraße. Gewöhnliches, Vertrautes, Alltägliches – das nach dem Ersten Weltkrieg der Goßmannsdorfer Josef Murr auf Glasplatten bannte.

    Dieser Alltag, diese unmittelbaren und - oft wohl - ungestellten Motive, sind es, die Josef Murrs Aufnahmen für den Ochsenfurter Stadtarchivar Georg Menig besonders machen. "Wir haben tausende Glasplattenbilder", sagt der Archivar. "Aber sehr wenige Alltagsbilder."

    Vor 100 Jahren – da ließen sich Brautpaare fotografieren und Familien mit Vater, Mutter, Kinder, alle im Sonntagsgewand, ordentlich gekämmt und mit ernstem Blick. Kommunionkinder wurden fotografiert. Und Schulklassen. Und ruhig hatte man zu sitzen und still zu stehen – das Aufnehmen vor der Erfindung des Rollfilms war aufwändig und dauerte. "Fotografen waren oft Maler oder Künstler, die das nebenbei gemacht haben", sagt Menig.

    Die Bilder von Josef Murr, im Mai 1903 in Goßmannsdorf geboren, wirken da fast schon wie "Schnappschüsse". Sein Vater Gustav Murr hatte einen Gemischtwarenhandel, sagt Menig. Murr wurde Kaufmann und sei 1928 nach Köln gezogen. "Und anscheinend machte er in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg viele Aufnahmen in der Maingegend."

    Kinder beim Schulausflug, ein Mann beim Sägen, ein Schmied. Der Hohestadter Sammler Winfried Dürr war vor Jahrzehnten schon irgendwann an eine Hausentrümpelung in Goßmannsdorf vorbeigekommen, spickte aus heimatkundlicher Neugier in den Schuttcontainer – und zog neun große buntbedruckte Pappschachteln heraus.

    Darin: 150 lichtempfindlich beschichtete Glasplatten-Negative, 9 mal 12 Zentimeter groß. Dürr verwahrte sie. Und fand viele Jahre später im Hohestadter Peter Honecker zufällig jemanden, der Fotos digitalisieren konnte und sich des kompletten Fundus‘ annahm.

    Die Digitalisierung solch großer Glasplatten – eine komplizierte und aufwändige Sache und nur möglich mit speziellen Scannern, sagt Stadtarchivar Menig. Das Ergebnis aber: sehenswert. Zwar waren manche der Aufnahmen aus dem Ochsenfurter Gau oder von der Mainschleife unter- oder überbelichtet – andere aber gestochen scharf.

    Die zerbrechlichen Originalplatten und die digitalisierten Abzüge überließen Dürr und Honecker dem Ochsenfurter Stadtarchiv. "Murr hat seine Kamera wohl öfter mitgenommen zu Ausflügen", sagt Menig beim Blick auf die Bilder. Den Archivar und Geschichtsforscher interessieren oft die „Nebensächlichkeiten“ und Details am Rande. Wie sah ein Gebäude in den 1920ern aus? Wie die Straßenzüge? "Alles, was die historische Wirklichkeit herholt."

    Bei der Fotografie mit der älteren Frau beim Wasserholen hält er zum Beispiel nicht nur das  knorrigen Brunnenhäuschen für erwähnenswert. Sondern auch ihre Arbeitskleidung – "mit Schürze, die früher bei der Haus- und Gartenarbeit stets getragen wurde".

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