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Urteile haben Gewicht: Finanzgericht: So kann jeder von Musterverfahren profitieren

Urteile haben Gewicht

Finanzgericht: So kann jeder von Musterverfahren profitieren

Erkennt das Finanzamt bestimmte Posten nicht an, können Verbraucher nach Musterprozessen mit ähnlicher Sachlage suchen.
Erkennt das Finanzamt bestimmte Posten nicht an, können Verbraucher nach Musterprozessen mit ähnlicher Sachlage suchen. Foto: Benjamin Nolte/dpa-tmn

Kennen Sie das? Sie haben ihre Steuererklärung gemacht, alle Kosten angegeben, doch das Finanzamt erkennt bestimmte Posten nicht an. Das passiert in der Praxis immer wieder, denn das Steuerrecht ändert sich regelmäßig.

Doch keine Sorge, Sie können in einem solchen Fall nach Musterprozessen suchen. Denn möglicherweise liegt ein ähnlicher Fall schon vor Gericht.

Von solchen Gerichtsverfahren können Steuerzahler profitieren, selbst wenn sie selbst keinen Prozess angestrengt haben. Entscheidet das Gericht zugunsten des klagenden Steuerzahlers, gilt das Urteil auch für alle, die sich an das Verfahren drangehängt haben, erklärt der Bund der Steuerzahler. Das gilt insbesondere bei Verfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH), der im Internet eine Übersicht bietet. Auch der Bund der Steuerzahler macht auf Fälle aufmerksam.

Einspruch einlegen

Sich an einen Prozess dranzuhängen, ist denkbar einfach und kostenlos, erklärt die Stiftung Warentest. Steuerzahlerinnen und Steuerzahler müssen dazu nur Einspruch gegen ihren Steuerbescheid einlegen. Darin schildern sie den Sachverhalt, verweisen auf das entsprechende Gerichtsverfahren und beantragen bis zur Entscheidung das Ruhen des eigenen Falls.

Der Einspruch ist innerhalb von einem Monat möglich. Die Frist beginnt mit der Bekanntgabe des Steuerbescheids. In der Regel bedeutet das: das Datum des Bescheids plus drei Tage. Fällt der Fristbeginn auf einen Samstag, Sonntag oder einen gesetzlichen Feiertag, beginnt die Frist am darauffolgenden Werktag.

Eigener Fall bleibt offen

In welcher Form andere Steuerzahler profitieren, hängt vom Stand des Verfahrens ab: Bei Prozessen vor dem Bundesfinanzhof oder dem Bundesverfassungsgericht besteht Anspruch auf Ruhen des Verfahrens, erklärt der Bundesverband Lohnsteuerhilfevereine. Der umstrittene Steuerbescheid bleibt bis zu einem Urteil offen.

Anders ist es bei Verfahren in unteren Instanzen: Bei Prozessen vor Finanzgerichten können Steuerzahlerinnen und Steuerzahler mit ähnlich gelagerten Fällen zwar das Ruhen des Verfahrens beantragen. Gibt das Finanzamt dem Antrag statt, bleibt der Steuerbescheid bis zu einer Entscheidung offen. Allerdings müssen die Finanzämter dem Antrag nicht entsprechen.

Nach passenden Prozessen schauen

Mitunter enthalten auch die Steuerbescheide selbst einen Vorläufigkeitsvermerk für bestimmte Punkte. Diese Fragen sind dann rechtlich umstritten und sollen bis zu einer endgültigen Klärung von Amts wegen offengehalten werden.

Wer sich jetzt an seine Steuererklärung für 2020 setzt, kann gleich nach passenden Musterprozessen Ausschau halten. Denn im Prinzip müssen Steuerzahler nicht auf ihren Steuerbescheid warten. Umstrittene Kosten können sie direkt in der Steuererklärung geltend machen. Darauf sollten sie das Finanzamt auch hinweisen. Fünf Musterverfahren im Überblick:

1. Kinderbetreuungskosten trotz Arbeitgeberzuschuss (Az.: III R 54/20): In diesem Fall soll der Bundesfinanzhof die Frage klären, ob Kinderbetreuungskosten zu berücksichtigen sind, wenn der Steuerpflichtige Geldleistungen des Arbeitgebers in gleicher Höhe erhält und diese steuerfrei behandelt. Liegt eine Doppelbegünstigung vor? Spielt die Mittelherkunft bei der Beurteilung der tatsächlichen und endgültigen wirtschaftlichen Belastung eine Rolle?

2. Kindergeldanspruch trotz Erkrankung des Kindes (Az.: III R 43/20): Hier geht es um die Frage, ob der Kindergeldanspruch entfällt, wenn die Ausbildung unterbrochen wird, weil das Kind erkrankt ist. Was gilt, wenn die Unterbrechung aufgrund einer unfallbedingten und nicht lediglich auf absehbare Zeit attestierten Erkrankung erfolgt?

3. Nebenkostenabrechnung ohne Aufschlüsselung (Az.: VI R 33/20): Mieter können die Nebenkostenabrechnung für die Steuererklärung nutzen. Hier wirken sich etwa die gezahlten Beträge für Handwerkerleistungen steuermindernd aus. Umstritten ist: Müssen die entsprechenden Kosten auf der Jahresabrechnung gesondert ausgewiesen werden?

4. Doppelbesteuerung von Renten (Az.: X R 20/19 und X R 33/19): Nach welchen Kriterien eine sogenannte Doppelbesteuerung von Renten zu berechnen ist, soll der Bundesfinanzhof gleich in zwei Fällen klären. Das Verfahren wird vom Bund der Steuerzahler als Musterklage unterstützt.

5. Fahrtkosten von Bauhandwerkern (Az.: VI R 6/19 und VI R 14/19): Zwei Handwerker fuhren meist jeweils mit ihren privaten Pkw zum Betrieb des Arbeitgebers. Dort stiegen sie in ein Sammelfahrzeug ein, das sie zu den jeweiligen Baustellen brachte. Für die Fahrten zum Betrieb setzten sie für die Hin- und Rückfahrt 0,30 Euro je Kilometer als Werbungskosten in der Einkommensteuererklärung an. Das Finanzamt akzeptierte nur die Pendlerpauschale, also nur die einfache Fahrt.

© dpa-infocom, dpa:210316-99-848918/6 (dpa)

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