Wem die Heimat am Herzen liegt, die oder der konsumiert bewusst regionale Lebensmittel. Dabei wird die Auswahl immer größer. Durch Zuchterfolge und neue Sorten wachsen in Bayern mittlerweile Wassermelonen, Reis, Quinoa, Kichererbsen – und seit 2017 auf dem Sieber Hof im Wittelsbacher Land Süßkartoffeln. Ursprünglich kommt die Knolle aus den tropischen Gebieten Südamerikas.
Monika und Josef Sieber aus Inchenhofen betreiben seit vielen Jahren Direktvermarktung mit Kartoffeln und Fleisch von Freilandschweinen. Auf Süßkartoffeln gestoßen sind die beiden beim Tag der offenen Gartentür eines befreundeten Gärtners. „Als Kartoffelbauern waren wir sofort neugierig“, erzählt Monika Sieber. „Es hat sich dann aber rausgestellt, dass Anbau, Ernte und Lagerung komplett anders funktionieren.“
Tatsächlich teilen sich Süßkartoffeln mit Kartoffeln praktisch nur den Namen. Während man Kartoffeln direkt in die Erde pflanzt und daraus die nächste Generation wächst, werden bei Süßkartoffeln Teile der Pflanze eingepflanzt. Diese Ableger werden Slips genannt und bilden Wurzeln, die sich verdicken – die erntereife Süßkartoffel.
Die Slips kaufen die Siebers von einem Züchter in Belgien zu. Da diese keine Wurzelmasse haben, sind sie extrem empfindlich. „Das ist jedes Jahr ein Nervenkitzel, weil man nach der Lieferung für das Pflanzen nur drei Tage Zeit hat und da das Wetter passen muss“, erzählen die Landwirte.
Anbau funktioniert auch in kühleren Sommern
Eine Pflanzmaschine mussten die beiden aus China – dem weltweit größten Produzenten von Süßkartoffeln – importieren, weil es hierzulande kein passendes Gerät auf dem Markt gab. Die Slips werden in Erdhügel, sogenannte Dämme, gepflanzt. Diese werden mit einer schwarzen Folie aus Maisstärke abgedunkelt, damit sie sich schneller erhitzen. „Das funktioniert sehr gut. Wir erzielen auch in einem kalten und nassen Sommer relativ gute Ernten“, berichten die Siebers.
"Aus Süßkartoffeln kann man mehr machen als klassische Ofenkartoffeln"Monika Sieber
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Erntereif sind die Süßkartoffeln im frühen Herbst. Im Gegensatz zu ihren Namensvettern deutet kein äußerliches Anzeichen auf die reifen Knollen hin. „Beim ersten Mal haben wir wie bei den Kartoffeln darauf gewartet, dass das Kraut abstirbt – und das ist nicht passiert“, erzählt Monika Sieber. „Dann war es bei der Ernte schon zu kalt und die Süßkartoffeln sind alle gebrochen.“
Doch das waren Startschwierigkeiten. „Wir mussten uns einige Jahre einfuchsen, aber mittlerweile läuft es“, berichtet sie. Zusammen mit den klassischen Kartoffeln werden die Süßkartoffeln von den Siebers direkt vermarktet. Zudem gibt es alle Erzeugnisse und andere regionale Produkte im eigenen Hofladen mit Selbstbedienung zu kaufen.
Doch für die Kartoffelbauern bleibt die Süßkartoffel ein kleines Zusatzprodukt. Normale Kartoffeln bauen sie weiterhin auf mehr als zehnmal so viel Fläche an. Das liegt auch daran, dass Süßkartoffeln auf dem deutschen Markt nicht so nachgefragt sind. Im Hofladen wurde das neue Gemüse zwar durchweg positiv angenommen, doch im Verkauf gewinnen die Kartoffeln.
Trotzdem ist Monika Sieber optimistisch: „Vor 35 Jahren war auch Kürbis sehr exotisch und jetzt gibt es ihn am Straßenrand als Massenware.“ Großes Potenzial sieht die Landwirtin darin, dass man die Süßkartoffeln sehr gut lagern kann und sie bei einer saisonalen und regionalen Ernährung eine Ergänzung auf dem Speiseplan sein können.
Sie hofft, dass sich das Gemüse langfristig etabliert. „Ich denke, man muss einfach die Leute dafür begeistern“, so Sieber. „Denn aus Süßkartoffeln kann man mehr machen als die klassische Ofenkartoffel.“ Auf der Website des Hofes teilt Monika Sieber regelmäßig Süßkartoffel-Rezepte und nach dem Umbau des Hofladens sind Kochkurse in Planung.
Eine weitere Hürde, mit der die Siebers zu kämpfen haben: Bei den Süßkartoffeln gebe es viel zweite Wahl – Knollen, die beispielsweise zu groß für den Verkauf sind – und im Gegensatz zu herkömmlichen Kartoffeln keine industrielle Verwertungsmöglichkeit in der Region.
Zudem ist der Süßkartoffelanbau arbeitsintensiv. Während Josef Sieber für Kartoffeln mit etwa 50 Arbeitsstunden pro Hektar und Jahr rechnet, sind es bei Süßkartoffeln rund 500 Stunden und damit das Zehnfache. „Alles was bei Kartoffeln automatisch passiert, ist hier Handarbeit“, erzählen die Siebers. Da es in der Region keinen Krankheitsdruck bei Süßkartoffeln gibt, ist kein Spritzmittel notwendig. Das Unkraut wird gehackt und mit einer Maschine Reihe für Reihe entfernt – was ebenfalls Zeit kostet.
Bei der Ernte werden die empfindlichen Süßkartoffeln behandelt wie rohe Eier und jede Knolle einzeln von Hand aus dem Erdstrang auf dem Vollernter entnommen. Weil so viel Arbeitszeit dafür benötigt werden, ist der Anbau teuer, was es schwer macht, mit dem Ausland zu konkurrieren.
Bevor die Süßkartoffeln eingelagert werden, müssen sie einige Tage lang bei hoher Luftfeuchtigkeit auf 25 Grad Celsius erhitzt werden. Dieses sogenannte „Curring“ gibt der Knolle den süßen Geschmack und macht sie haltbar. Anschließend können die Süßkartoffeln gut ein Jahr gelagert werden – ein großer Vorteil. „Dadurch machen wir uns vom Import sehr unabhängig“, betonen die Siebers.
Die Familie hält viel von ihren Süßkartoffeln: „Es hätte schon mehr als genug Gründe gegeben, wieder mit dem Anbau aufzuhören. Aber wir sind jetzt einfach von den Süßkartoffeln überzeugt, weil sie gut zu unserem Hof und in die Region passen. Und warum sollte man etwas importieren, wenn es bei uns auch wächst?“
Für den Teig:
Für das Frosting: