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Schule: Universität Augsburg: Interaktive Praxis für Lehrkräfte

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Universität Augsburg: Interaktive Praxis für Lehrkräfte

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    Der Video-Rundumblick in einer Grundschulklasse hat die Wirkung von interaktiven Trockenübungen. Lehrkräfte in Ausbildung können die reale Situation in Ruhe beobachten, hier im Bild eine Freiarbeit, und über optische oder akustische Hinweise vertiefende Zusatzinformationen abrufen.
    Der Video-Rundumblick in einer Grundschulklasse hat die Wirkung von interaktiven Trockenübungen. Lehrkräfte in Ausbildung können die reale Situation in Ruhe beobachten, hier im Bild eine Freiarbeit, und über optische oder akustische Hinweise vertiefende Zusatzinformationen abrufen. Foto: Universität Augsburg

    Angehende Lehrerinnen und Lehrer sitzen im Klassenzimmer und beobachten, wie guter Unterricht funktioniert. Solche Lehrbesuche während der Ausbildung fielen nicht nur während der Corona-Pandemie aus, sondern werden nicht immer ausreichend angeboten. In der Folge ist der sogenannte Praxisschock ein bekanntes Phänomen in der Ausbildung der Lehrkräfte: Wenn überwiegend in der Theorie ausgebildete Lehrkräfte schließlich vor einer Klasse stehen und praktische Alltagsprobleme oder Gruppendynamiken die Unerfahrenen kalt erwischen.

    Mit neuen Technologien kann der Schock mindestens abgemildert werden. Videoaufnahmen in einem 360-Grad-Blickwinkel lassen zukünftige Lehrkräfte virtuell in reale Lehrsituationen eintauchen und die Eindrücke mit lenkenden Zusatzelementen effektiv vertiefen. Erste Auswertungen zeigen, dass Studierende die didaktisch aufbereiteten Videos als positiv einschätzen, weil sie befähigt werden, selbsterkundend mehr wahrzunehmen und dadurch Sicherheit gewinnen.

    Das Eintauchen in virtuelle Realitäten mittels spezieller Brillen ist seit einigen Jahren nicht nur bei Computerspielen beliebt, sondern wird auch für die verschiedenen Demonstrationen, beispielsweise im Tourismus oder zum Üben operativer Eingriffe in der Medizin, erfolgreich eingesetzt. Im Gegensatz zur computergenerierten Umgebung handelt es sich bei den hier zum Einsatz kommenden 360-Grad-Videos um reale Videoaufnahmen.

    Perspektivenwechsel: 360-Grad-Videos der Universität Augsburg ermöglichen Einblicke ins Klassenzimmer

    Das Medienlabor der Philosophisch-Sozialwissenschaftlichen Fakultät hat die Technik speziell nach den Bedürfnissen für die Lehrerbildung weiterentwickelt, erklärt Medienpädagoge Mario Draghina. „Wir arbeiten mit sogenannten Hotspots, also Elementen, welche die Aufmerksamkeit und das Sehen lenken. Dies sind meist optische Fokussierungshilfen, können aber auch akustische Signale sein, die wir nachträglich in das Videomaterial einbauen.“ Mithilfe der didaktisch gesetzten Hotspots kann das Videomaterial einer realen Unterrichtseinheit mit Erklärungen, Aufgabenstellungen und Verständnisfragen, aber auch mit weiterführenden Weblinks oder Multimediadateien versehen werden. Die Studierenden können sich aus verschiedenen Perspektiven hinein- und herauszoomen, ihrem jeweiligen Wissensstand angepasst und im eigenen Lerntempo.

    „Forschendes Lernen mit gelenkten Aufmerksamkeitspunkten“ heißt das Konzept. Den Betrachtern wird die Chance gegeben, den Klassenraum aus verschiedenen Perspektiven zu erkunden und sich jederzeit im Verlauf der Aufzeichnung in die Position einzelner Personen hineinzuversetzen. Ein Hotspot befindet sich beispielsweise über dem Kopf der Lehrkraft. Wenn die Nutzer auf ihn klicken, sehen sie ein Zusatz-Video, das ihnen den Raum aus Sicht der Lehrkraft oder ihre Arbeitsmaterialien zeigt. Sie können auch auf Schülerperspektiven in vorderen oder hinteren Reihen springen und auf die Notizen auf dem Tisch schauen. Was zunächst wie ein simpler Perspektivwechsel erscheint, erhöht tatsächlich das Präsenzerleben, da es bewusste inhaltliche Vertiefungsentscheidungen erlaubt.

    Augsburger Studierende schildern positive und negative Fakten zur Technologie

    Diese Art der Wissensvermittlung fördert das forschende Sehen, ein im wissenschaftlichen Kontext noch neues Konzept. Dabei sollen Personen nicht nur passiv sehen, sondern zielgerichtet Vorgänge, Ereignisse und Verhaltensweisen wahrnehmen. Ein verstärktes Präsenzerleben, freie räumliche Erkundung und dadurch eine Vertiefung von Kompetenzen sind das Ziel. Auch die Grenzen der Technologie wurden bereits deutlich: Kognitive Überlastung oder die Angst, wichtige Details zu übersehen, sind zwei der am häufigsten angegebenen Eindrücke von Studierenden. Positiv wirkt sich bei den Aufnahmen im Klassenraum aus, dass die 360-Grad-Kameratechnik weniger auffällt und ablenkt.

    Die Lehrkräfteausbildung ist ein Schwerpunkt an der Universität Augsburg. Das Medienlabor entwickele, teste neue Technologien im Umfeld von Lehr-Lernprozessen und biete ein Experimentierfeld, sagt sein Leiter Dr. Ulrich Fahrner. Die 360-Grad-Videografie geht, verbessert durch Expertenhinweise und die wissenschaftliche Auswertung von Blickdaten (Eye-Tracking), als Nächstes in den Praxistest. ds

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