Startseite
Icon Pfeil nach unten
Geld & Leben
Icon Pfeil nach unten

Eishockey: Augsburger EV: AEV-Nachwuchs: Torsten Fendt im Interview

Eishockey: Augsburger EV

AEV-Nachwuchs: Torsten Fendt im Interview

Jungen Spielern den Weg weisen – das ist eine der Aufgaben von Torsten Fendt beim Augsburger EV.
Jungen Spielern den Weg weisen – das ist eine der Aufgaben von Torsten Fendt beim Augsburger EV. Foto: Annette Zoepf

Herr Fendt, der Deutsche Eishockey Bund (DEB) hat den Augsburger EV bereits mehrfach mit fünf Sternen für seine Nachwuchsarbeit zertifiziert. Was verbirgt sich dahinter?

Torsten Fendt: Vereinfacht gesagt müssen wir eine bestimmte Punktzahl in verschiedenen Kategorien erfüllen. Wichtige Parameter dabei sind beispielsweise, wie viele hauptamtliche Nachwuchstrainer im Verein tätig sind. Dazu kommen Faktoren wie die Anzahl an Nachwuchsspielern im Verhältnis zur Standortgröße, wie viel Eiszeit man anbieten kann oder ob es Unterkünfte für auswärtige Jugendliche, die bei uns im Leistungsbereich spielen, gibt. Das alles prüft ein DEB-Vertreter – und je nach Punkteniveau erhält man drei, vier oder fünf Sterne.

Der AEV hat deren fünf, also die höchste Auszeichnung. Wie wichtig ist das für den Verein?

Fendt: Sehr wichtig. Denn das System funktioniert so, dass diejenigen Klubs, die drei Stern erhalten haben, in einen Fördertopf einzahlen müssen. Mit vier Sternen ist es ein Nullsummenspiel und bei fünf erhält man einen prozentualen Anteil aus diesem Pott. Ziel ist es so, den deutschen Nachwuchs und somit langfristig die Nationalmannschaft zu stärken. Neben dem finanziellen Aspekt ist es natürlich auch eine Bestätigung unserer guten Nachwuchsarbeit, die so auch nach außen dokumentiert werden kann.

Eishockey-Nachwuchs beim AEV: Enormer Zulauf bei den Jüngsten

Ist der AEV eher ein Breitensport- oder ein Leistungssportverein?

Fendt: Da muss man unterscheiden: An der Basis sind wir ein Breitensportverein, im oberen Nachwuchsbereich geht es in Richtung Leistungssport.

Wie muss man sich das vorstellen?

Fendt: Wir haben bei den Jüngsten, die in der Laufschule starten, einen enormen Zulauf. Das freut uns sehr und dem wollen wir gerecht werden. So bieten wir bis zur U13 in jeder Altersklasse zwei Mannschaften an, denn jeder soll seine Spielpraxis bekommen.

Da dürfte der Niveauunterschied unter den Kindern groß sein ...

Fendt: Wir teilen die jeweiligen Teams schon nach Leistung ein, wenn man so will in eine A- und eine B-Mannschaft. Der Lerneffekt im Zusammenspiel mit Gleichstarken ist einfach am größten.

Torsten Fendt: "Der soziale Aspekt ist uns wichtig!"

Im Fußball wechseln die talentiertesten Spieler schon in jungen Jahren in die Nachwuchsleistungszentren (NLZ). Wirbt man beim AEV auch gezielt Spieler an?

Fendt: In einem NLZ versammeln sich die besten Trainer und Spieler. Wer da nicht recht früh dabei ist, hat kaum mehr Chancen, sich später durchzusetzen. Bei uns ist das anders, da wir an der Basis eher in Richtung Breitensport gehen. Bis zur U15 werben wir niemanden aktiv an. Wer allerdings aus eigenem Antrieb kommen möchte, ist bei uns stets willkommen.

Wie begründet sich diese Philosophie?

Fendt: Zum einen sind wir keine Akademie wie Mannheim, Köln, Berlin oder auch Salzburg. Und zum anderen ist uns der soziale Aspekt wichtig. Zum Profi schaffen es vielleicht ein bis drei Prozent. Wer mit 10 oder 11 herausragend ist, verliert vielleicht in der Pubertät auf einmal die Lust. Man sollte bedenken, wie viele Stunden und Kilometer man investiert, und die Bedürfnisse der Kinder im Fokus haben. Da es bei uns erst später in den Leistungsbereich geht, kann man sich hier womöglich behutsamer entwickeln. Denn ein starker Konkurrenzkampf, wie er in einem NLZ naturgemäß herrscht, kann für Heranwachsende schnell belastend sein.

Augsburger EV: Aufstieg als Ziel bei der U17

Ab wann rückt der Leistungsgedanke im Eishockey in den Vordergrund?

Fendt: Der Cut von der U15 zur U17 ist sicherlich am eklatantesten. In der U15 geht der Ligabetrieb noch bayernweit, in der U17 erweitert sich das Gebiet auf Süddeutschland und in der U20 sprechen wir schon von der nationalen Ebene.

Mit der U20 spielt der AEV in der höchsten Division, die U17 ist aktuell zweitklassig. Dort will man den Aufstieg schaffen.

Fendt: Das ist unser Ziel. Dafür holen wir auswärtige Spieler dazu, was übrigens durch das 5-Sterne-Programm auch vorgesehen ist. Und so wird die Leistungsdichte enger. Da ist es nicht leicht, einem Spieler, der schon viele Jahre dabei ist, zu sagen, es wäre es besser, wenn er bei einem kleineren Verein weiterspielt.

Die U20 trainiert mit John Miner ein ehemaliger Panther-Profi, auch Verteidiger-Legende Arvids Rekis ist im AEV-Trainerstab. Schauen die jungen Spieler zu diesen Coaches besonders auf?

Fendt: Entscheidend ist nicht von wem, sondern wie Inhalte vermittelt werden. Aber klar: Wer schon ein gewisses Standing hat, bekommt anfangs mehr Gehör.

Worauf kommt es sonst als Trainer im Nachwuchsbereich an?

Fendt: Man muss sich bewusst machen, mit welcher Altersgruppe man es zu tun hat, und das nötige Fingerspitzengefühl beweisen. Da kann ich den besten NHL-Trainer nach Augsburg holen. Wenn der nicht weiß, wie man mit Kindern oder Jugendlichen umgeht, bringt ihm sein Name gar nichts.

Torsten Fendt: "Junge Spieler müssen auch Fehler machen dürfen."

Sie waren selbst Profi, haben aber bereits erwähnt, dass es nur die wenigsten bis dahin schaffen. Was geben Sie den Nachwuchsspielern mit, die dieses Ziel erreichen möchten?

Fendt: Die Jungs sollen verstehen, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, Profi zu werden. Da muss man teils auch das Anspruchsdenken der Eltern kanalisieren, die ihr Kind schon als kommenden Superstar in der NHL sehen. Allein den Sprung von einer U20 direkt in die DEL schaffen nur absolute Ausnahmekönner. Oft ist es auch Zufall. Erstliga-Klubs haben Verletzungssorgen, ein Nachwuchsspieler bekommt seine Chance und nutzt sie. Für den Kopf junger Menschen ist das nicht einfach: Ein Mitspieler spielt plötzlich vor Tausenden von Fans, einem selbst ist dieses Gefühl aber erst einmal verwehrt.

Sie sagen erst einmal. Warum?

Fendt: Weil ein Spieler in so jungen Jahren noch nicht fertig entwickelt ist. Wir haben mit dem Oberligisten EV Lindau eine Kooperation. Per Förderlizenz können unsere Nachwuchsspieler dort Spielpraxis im Herrenbereich sammeln – und dürfen auch Fehler machen. Das ist wichtig.

Das wollen die meisten aber nicht gerne hören, oder?

Fendt: Leider. Aber viele Spieler gehen den Weg über die Oberliga. Ein Beispiel: Michael Wolf, lange Rekordtorschütze in der DEL, war noch bis 23 unterklassig unterwegs.

Stichwort „Gute Aussichten“: Obwohl der Weg in den Profibereich steinig ist – sehen Sie zukünftig mehr AEV-Gewächse bei den Panther-Profis?

Fendt: Das wäre sicher im Sinn der Panther. Hier spielen aber viele Faktoren eine Rolle. In der DEL geht es meist um den kurzfristigen Erfolg. Schafft man es in die Play-offs? Verhindert man den Abstieg, den es heuer wieder gibt? Und mehr Erfolg bedeutet in der Regel auch mehr Geld, das gerade an einem Standort wie Augsburg nicht im Überfluss vorhanden ist. Da ist es schwer, jungen Spielern die nötige Eingewöhnungszeit zu geben. Und ich möchte betonen: Das primäre Ziel unserer Nachwuchsarbeit ist nicht, Profis herauszubringen. Da geht es um viel mehr.

AEV-Nachwuchsarbeit: Eishockey kann jungen Menschen viel mitgeben

Was genau meinen Sie damit?

Fendt: Eishockey ist ein fantastischer Sport, durch den wir dem Nachwuchs viel mitgeben können. Einsatzwille und Zusammenhalt im Spiel, Zuverlässigkeit in der Schule und beim Training – und die Hartnäckigkeit, sich auch mal durchzubeißen, wenn’s schwierig wird. Wenn wir diese gesellschaftlichen Komponenten vermitteln, ist schon viel erreicht.

Nehmen wir den Untertitel unserer Beilage: Was macht Ihnen Mut für die Zukunft?

Fendt: In der Pandemie gesehen zu haben, mit welchem Engagement Kinder wie auch Eltern diese völlig neue Herausforderung angenommen haben.

Wie hat sich das gezeigt?

Fendt: Ganz zu Beginn hatten wir einen phänomenalen Zuspruch bei unseren Online-Trainings. Später, als wir in Kleingruppen aufs Eis zurückdurften, oder beim Outdoor-Athletiktraining war die Beteiligung ebenfalls top. Übrigens auch bei diversen Challenges, in die sogar die Eltern eingebunden waren (lacht). Und im Gegensatz zu anderen Standorten war uns viel Eiszeit vergönnt.

War das in Augsburg besonders?

Fendt: Manche Kommunen haben, als der Spielbetrieb in den unteren Klassen ruhte, die Eisflächen abgetaut. Dadurch, dass die Panther hier weitergespielt haben, blieb uns das erspart. In diesem Zusammenhang muss ich der Stadt Augsburg ein riesengroßes Lob aussprechen. Im vergangenen Sommer haben Sie die Eishalle in Haunstetten weiterbetrieben und so konnten wir weiter aufs Eis.

Zum Schluss: Wenn Sie sich für den deutschen Eishockey-Nachwuchs etwas wünschen dürften – was wäre das?

Fendt: Die Kultur der Kurzfristigkeit müsste sich wandeln. In diesem Zusammenhang wäre die Etablierung einer Ausbildungsliga im Seniorenbereich eine gute Entwicklung. Da könnte ein Farmteam-System analog zu Nordamerika Sinn machen. Die Krux ist nur: Wie wird das finanziert? Denn kaum ein Klub ist finanziell in der Lage, sich so etwas zu leisten. Mir sind die Zwänge der DEL-Klubs bewusst – und damit auch, wie schwierig das umzusetzen ist.

Torsten Fendt: Zur Person

Torsten Fendt, geboren am 20. Januar 1977 in München, spielte als Verteidiger von 1994 bis 1997 sowie von 2002 bis 2008 für die Augsburger Panther in der DEL. Weitere Stationen waren Iserlohn (DEL und 2. Liga, 1997 bis 2002) sowie Heilbronn (2. Liga, 2008 bis 2014). Aktuell arbeitet er als Cheftrainer im Wachstumsbereich des Augsburger EV, wo er auch die U11 betreut und als Co-Trainer der DNL-Mannschaft fungiert.

Der Artikel erschien in unserer Sonderbeilage "Gute Aussichten - Mit Mut in die Zukunft". Hier finden Sie weitere Themen, unter anderem:

FC Augsburg: So wichtig ist die Jugendarbeit im Klub

"Bewegt Augsburg": So mobil wird die Region

Diskutieren Sie mit
0 Kommentare
Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden