Leise knirschen die Steine unter den Sohlen. Blickt man nach oben, sieht man, wie das warme Licht der Sonne durch die dicke Blätterdecke bricht. Nur an wenigen Stellen gelangt es bis zum Boden und erhellt die moosigen Steine, die verschlungenen Gräser und die tanzenden Insekten. Wer im Wald Ruhe sucht, findet sie. Jedoch wird diese Ruhe durch die Gesänge der Bewohner begleitet. Vögel gleiten gekonnt durch das Wirrwarr aus Bäumen, Blättern und Ästen und lassen keinen Zweifel, dass sie sich in ihrer Heimat bestens auskennen. Grillen melden sich mit stetigem Zirpen aus jeder Ecke und am nahe gelegenen Tümpel quaken die Kröten um die Wette.
Mit 2,6 Millionen Hektar ist Bayern das Bundesland mit der größten Waldfläche. Durch seine Wälder, Wiesen, Flüsse und Weiden bietet Bayern eine besondere Vielfalt und dient zahlreichen Arten als Zuhause. Neben den tierischen Bewohnern ist der Süden Deutschlands auch mit wild wachsenden Pflanzenarten reich ausgestattet. Doch was wächst denn eigentlich auf unseren Wiesen?
Im Gespräch mit Dr. Andreas Fleischmann, Kurator und Wissenschaftler an der Botanischen Staatssammlung München sowie Erster Vorsitzender der Bayerischen Botanischen Gesellschaft, wirft Carina Sirch einen Blick auf die Bayerische Botanik. Dabei setzt der aus Landsberg kommende Experte den Fokus auf die Region Bayerisch-Schwaben.
Was macht die Botanik in Bayerisch-Schwaben besonders?
Dr. Andreas Fleischmann: Es ist eine der botanisch spannendsten Regionen Bayerns, wenn nicht gar Deutschlands! Die Alpenflüsse wie Iller und Lech, aber auch die Wertach, haben alle ihre botanischen Besonderheiten – und der Lech als bedeutende Florenbrücke zwischen den Alpen und der Donau beherbergt auf seinen artenreichen Lechheiden sowohl Pflanzen aus dem Mittelmeergebiet wie Orchideen, Alpenpflanzen wie zum Beispiel die Silberdistel, als auch Pflanzen, die ursprünglich aus dem Norden stammen. Das Lechfeld ist eine der botanisch artenreichsten Regionen Bayerns!
Doch die Artenvielfalt nimmt ab. Welche Gründe gibt es und wie könnte die Pflanzenwelt in zehn Jahren aussehen?
Dr. Fleischmann: Botaniker denken da schon in größeren Zeiträumen. Im Laufe der Evolution verändern sich Arten in Zeiträumen von Millionen von Jahren. Jedoch durch den massiven Einfluss des Menschen auf unsere belebte Umwelt, wie auch den – ebenfalls menschgemachten – Klimawandel, geht es derzeit mit der Artenvielfalt bergab. Überall verschwinden Blumenwiesen, Hecken und Ackerrandstreifen rasend schnell, und man versucht Artenvielfalt mit aktionistischen Aktionen wie dem Aussähen von Blühäckern mit oft fremdländischen Arten zu retten. In zehn Jahren wird es noch so aussehen wie heute, nur dass die Flächen mit bunten heimischen Blumen wohl noch weniger werden – ich würde mir das Gegenteil wünschen. In 50 Jahren werden wir etliche heimische Arten verlieren, vor allem solche, die kühle und feuchte Temperaturen benötigen. Demgegenüber werden sich invasive fremdländische Arten weiter ausbreiten – Arten, die oft bewusst vom Menschen gepflanzt werden. Der Götterbaum ist so eine Problempflanze. Er wird derzeit als „klimaresistenter Zukunftsbaum“ oft gepflanzt, wird uns aber noch große Probleme bereiten. Das können alle bestätigen, die in Regionen leben, wo sich diese invasive Art schon unkontrolliert ausbreitet.
Kann man denn selbst etwas gegen das Artensterben tun?
Dr. Fleischmann: Im eigenen Garten: ja. Mehr Naturgarten, weniger Einheitsgrün. In der freien Landschaft ist es Sache von Naturschutz, Landwirtschaft, Politik, aber auch Städten und Gemeinden – Stichwort: öffentliches Grün. Außerdem sollte man keine seltenen Arten ausgraben oder pflücken, sich vor allem in Schutzgebieten ans Wegegebot halten.
Welche Arten würden Sie Hobbygärtnern empfehlen?
Dr. Fleischmann: Die Anlage einer komplett „künstlichen“ Blumenwiese ist wohl das Schwierigste, was ein Gärtner machen kann. Rosen züchten und Orchideen ziehen ist ein Kinderspiel dagegen. Trotzdem kann man einzelne Wiesenblumen-Arten leicht im Balkonkasten oder im Hobbygarten halten. Es gibt aber einiges zu beachten, wenn man Wiesenblumen ziehen möchte. Ganz einfach gesagt: Machen Sie genau das Gegenteil von dem, was Sie normalerweise für Balkonkastenblumen oder Pflanzen aus der Gärtnerei tun würden: Nicht düngen, keine Blumenerde verwenden, übrigens sollte man überhaupt nie torfhaltige Erde benutzen. Besser ist nährstoffarme, kalkhaltige Gartenerde. Auch mulchen sollte man nicht und bei Blumenwiese im Rasen gilt: Nur zweimal im Jahr mähen und das erste Mal nicht vor Mitte Juni. Wenn man diese Tipps berücksichtigt, kann man fast alle heimischen Wiesenblumen im eigenen Garten kultivieren.
Haben Sie eine Lieblingspflanze?
Dr. Fleischmann: Da gibt es sehr viele. Ich arbeite eigentlich mit fleischfressenden Pflanzen, und hier ist es besonders die Gattung Sonnentau (Drosera), die es mir angetan hat. Von unseren einheimischen Wiesenpflanzen ist es wohl die Wiesenglockenblume (Campanula patula). Sie steht wie viele andere typische Wiesenblumen für den Verlust eines Lebensraumes, den wir noch aus unserer Kindheit kennen, der jetzt aber vom Aussterben bedroht ist: bunte Blumenwiesen. Einst war die Wiesenglockenblume so häufig, dass im Frühsommer die Blumenwiesen von den Tausenden von Blüten lila gefärbt waren. Heute wird sie immer seltener, es gibt schon Regionen in Deutschland, wo die Wiesenglockenblume bereits ausgestorben oder akut vom Aussterben bedroht ist. Sie braucht zum Überleben (Heu-)Wiesen, die zweimal im Jahr gemäht werden. Auf gemulchtem Grün oder in Silagewiesen stirbt sie aus.
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