Erstmals ist in Deutschland ein Kind auf die Welt gekommen, dessen Mutter vor einer Krebsbehandlung Eierstockgewebe entnommen und später wieder eingepflanzt worden war. Die Frau war nach Angaben des Gynäkologen-Teams aus Dresden, Erlangen und Bonn auf natürliche Weise schwanger geworden, nachdem sie ihren Lymphdrüsenkrebs überstanden hatte. Der kleine Maximilian kam bereits im Oktober 2011 per Kaiserschnitt zur Welt.
Vor Chemotherapie und Bestrahlung war der Patientin das Eierstock-Gewebe entnommen und tiefgefroren worden, wie der Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Universitätsklinikum Dresden, Professor Wolfgang Distler, sagte. "Mittels Proben konnten wir zudem weltweit erstmals nachweisen, dass die Eizelle, die zur Schwangerschaft führte, nur aus dem Retransplantat stammen kann." Bisher wurden laut Distler weltweit 15 Babys nach einer solchen Behandlung geboren - aber ohne diesen Nachweis.
Der knapp drei Monate alte Maximilian liegt zufrieden lächelnd auf dem Schoß seiner Mutter Caroline in Radebeul bei Dresden. "Er ist ein Wunschkind", sagte die 33-Jährige. 2003 war bei ihr das Hodgkin-Lymphom, eine aggressive Form von Lymphdrüsenkrebs, festgestellt worden.
Als die Krankheit nach der Chemotherapie zurückkehrte, habe die Familie sie gedrängt, Eierstockgewebe sichern zu lassen. "Für mich war in erster Linie nur wichtig, wieder gesund zu werden", sagte sie. Heute sei sie froh, dass sie sich habe überreden lassen. "Aus den Eierstöcken wurden Gewebe und Eizellen entnommen, tiefgefroren und eingelagert", erklärte Distler. Nach weiteren Chemotherapien und einer Stammzelltransplantation galt die Patientin als geheilt.
2010 wurde ihr per Bauchspiegelung das fünf Jahre zuvor entnommene Gewebe wieder eingesetzt - nahe des alten Eierstocks an der rechten Beckenwand. "Wichtig war, dass das Retransplantat in Reichweite des Eileiters lag, damit dieser unbefruchtete Eizellen aufnehmen konnte." Mit Hilfe einer Hormonbehandlung formierte sich aus dem Gewebe ein funktionierender Eierstock, 2011 wurde die Patientin schwanger.
Experten können nicht ausschließen, dass bei solchen Verfahren auch Krebszellen verschleppt werden. Beim Hodgkin-Lymphom sei dies jedoch sehr unwahrscheinlich. "Bei den bisherigen weltweiten Fällen wurden bislang keine Rezidive beschrieben", sagte Distler. Routinemäßig wird nach Angaben der Gynäkologen ohnehin eine Gewebeprobe im Labor auf Tumorzellen untersucht.
Die wissenschaftlich neue Methode sei schon lange in der Diskussion gewesen, sagte der Erlanger Spezialist Professor Matthias W. Beckmann. "Das Kinderkriegen ist das eine, Frauen die Möglichkeit der Hormonproduktion zurückzugeben, das andere."
Distler und seine Kollegen wollen Mediziner für das Thema sensibilisieren. "Onkologen sollten Frauen mit Tumorerkrankungen, die vor Bestrahlung oder Chemotherapie stehen, über diese Option informieren", sagte er. Angestrebt werde zudem die Finanzierung der Behandlung durch die Krankenkassen. "Denn es ist ein ähnlicher Erfolg wie das erste Retortenbaby." (dpa)