Woher kam der EHEC-Keim? Wie ist er entstanden? Das treibt Helge Karch, Direktor des Instituts für Hygiene an der Uniklinik Münster, und sein Team um. Das hatte im Mai das Erbgut des Erregers entziffert. Von Anfang Mai bis Anfang Juli waren in Deutschland rund 3800 Menschen an dem Keim erkrankt.
Auf wichtige Fragen rund um den Ausbruch des tödlichen Keims wissen selbst Experten wie Karch noch keine Antwort. "Bis heute ist unklar, wo der Ausbruchsstamm entstanden ist", sagte der 58-Jährige. "Er könnte aus Afrika stammen, aber auch aus Asien oder woher auch immer."
Daten von Forschern über Europas Grenzen hinaus müssten zusammengebracht werden, um das Wissen zu bündeln, erklärte der EHEC-Experte. "Wir müssen alles tun, um zukünftige Ausbrüche zu verhindern."
Selbst Experten waren im Mai überrascht von der Wucht, mit der sich der Keim ausbreitete. "Ich bin kein Angsthase und beschäftige mich schon lange mit EHEC-Stämmen, aber einen Stamm mit diesem Potenzial hatte es bis dahin nicht gegeben", sagte Karch rückblickend. Für die Forscher war es die Aufgabe ihres Lebens, dem gefährlichen Keim auf den Leib zu rücken. "Wir haben Tag und Nacht daran gearbeitet, den neuen Erregertyp zu identifizieren und einen Test zu entwickeln, um den Stamm spezifisch nachweisen zu können."
Vier Stunden Schlaf mussten den Forschern reichen, denn Patienten bundesweit hofften auf schnelle Ergebnisse. Auch heute sieht Karch die aggressive Gen-Kombination aus zwei Bakterienstämmen namens O104:H4 jede Woche noch in Stuhlproben. "Manche Patienten scheiden den Keim noch aus, andere haben sich neu infiziert." Aber: "Es sieht so aus, als hätte er sich ein bisschen abgeschwächt."
Dass in naher Zukunft ein neuer großer Ausbruch auf Deutschland zukommt, glaubt Karch nicht. "Aber versprechen kann ich das nicht. Wir müssen wachsam sein und EHEC im Auge behalten." Therapien müssten entwickelt und die Erkrankung früher diagnostiziert werden. "Wenn die Patienten blutigen Durchfall haben, muss man schon an EHEC denken."
Auch emotional lässt Karch die Zeit um den Ausbruch mehr als sechs Monate danach nicht los. "Mich bewegt das immer noch. Am Tag kann ich mich ganz gut ablenken, aber ich träume noch von dieser Zeit, und von den Fragen, was man machen kann und muss. Das ist eine Zeit, die einem bis zum Lebensende im Gedächtnis bleibt." (dpa)