Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bauen & Wohnen
Icon Pfeil nach unten

Gute Aussichten: Wenn der Wohn(t)raum Wirklichkeit wird

Gute Aussichten

Wenn der Wohn(t)raum Wirklichkeit wird

Das Sheridan-Areal in Augsburg ist ein relativ neu entwickeltes Wohnbaugebiet in Augsburg und bietet neben Wohnraum viel Grün.
Das Sheridan-Areal in Augsburg ist ein relativ neu entwickeltes Wohnbaugebiet in Augsburg und bietet neben Wohnraum viel Grün. Foto: Ulrich Wagner

Wer aktuell eine Wohnung oder ein Haus sucht, braucht einen langen Atem. Die meisten Immobilien sind inzwischen so teuer, dass sich viele Menschen einen Kauf gar nicht mehr leisten können. Doch auch die Mieten schießen immer weiter in die Höhe. Was nun?

Diesen Zustand einfach zu akzeptieren und nichts dagegen zu unternehmen, das kommt nicht infrage. Das jedenfalls müssen sich die Teilnehmer der Veranstaltung „Wolkenkuckucksheim für alle. Initiative Genossenschaft – Gründung nicht ausgeschlossen“ des Augsburger Friedensfest 2018 gedacht haben. Hier trafen sich Interessierte unter der Leitung der Architekturhistorikerin, Kuratorin und Literaturwissenschaftlerin Dr. Hilde Strob und sprachen über alternative Wohnformen und schließlich auch über die Möglichkeit, eine Genossenschaft zu gründen. „Zwischen 30 und 40 Teilnehmer waren sofort begeistert und sagten zu“, erzählt Strobl.

Worten folgten Taten: Ein gutes Jahr später, am 22. September 2019, wurde schließlich die Baugenossenschaft Wogenau gegründet. Dies war die erste Neugründung einer Genossenschaft in Augsburg seit 75 Jahren! Die Wogenau wird von den drei Vorständinnen Dr. Hilde Strobl, Steffi Weber (Grandhotel) und Sabine Pfister (Architektin und Politikerin) ehrenamtlich geleitet und hat inzwischen über 100 Mitglieder.

Nach der Gründung der Genossenschaft ging die Wogenau auf das Stadtplanungsamtder Stadt Augsburg zu. „Wir wurden sehr offen empfangen und man gab sich wirklich Mühe, ein Grundstück für uns zu finden. Aber zu dem Zeitpunkt waren nur Grundstücke in Erbpacht verfügbar und das kam für uns nicht infrage“, so Strobl.

Konzept wichtiger als der Kaufpreis

Als die Stadt Augsburg vier Grundstücke im Sheridan-Areal im Stadtteil Pfersee im Konzeptverfahren ausschrieb – das bedeutet, dass in diesem Fall nicht der höchste Preis, sondern das Konzept über den Zuschlag entscheidet – reichte die Wogenau im Mai 2021 ihren Entwurf für ein gemeinschaftlich geplantes, gebautes und genutztes Haus beim Referat für Stadtentwicklung, Planen und Bauen der Stadt Augsburg ein. Ende Juli 2021 erhielten sie die Reservierungszusage für eines der vier Grundstücke an der Siegfried-Aufhäuser-Straße. „Ich würde sogar behaupten, dass wir ein bisschen mit verantwortlich dafür sind, dass es nun im Sheridan Park das Konzeptverfahren gab“, erzählt die Vorständin weiter.

Diese Idee des gemeinschaftlichen Wohnens wird in Augsburg gerade wieder neu entdeckt und von der Stadt gefördert, sagt die Projektverantwortliche Carolin Rößler-Schick: „Im Endeffekt ist es ein Mittel, um Leuten selbst gestalteten Wohnraum wieder zu ermöglichen. Aufgrund der angespannten Situation auf dem Wohnungsmarkt ist es so, dass das Modell der Doppelhaushälfte, des Einfamilienhauses vor allem in der Großstadt fast nicht mehr leistbar ist.“

Und was passiert jetzt? „Wir sind in der Reservierungsphase und bekommen den Zuschlag erst, wenn wir den Bauantrag einreichen“, erklärt Strobl. Bis Anfang kommenden Jahres müssen der Stadt konkrete Pläne vorliegen, damit der tatsächliche Grundstücksverkauf über die Bühne gehen kann.

Genossenschaft heißt auch: Nachhaltig bauen für alle Generationen

Gebaut werden auf einem Grundstück mit fast 4000 Quadratmetern über 40 Wohnungen von 31 bis 118 Quadratmeter in nachhaltiger, ökologischer und hochwertiger Holzbauweise. Die Bewohnerschaft aus 70 Erwachsenen und über 30 Kindern bildet mehrere Generationen in verschiedenen Familienverhältnissen ab und ist eine bunte Gruppe aus verschiedenen sozialen und beruflichen Kontexten.

Das Gebäude soll ein Ort sein, an dem es für jeden Lebensabschnitt der Bewohnerinnen und Bewohner eine passende Wohnung gibt, erklärt Strobl. Reicht vielleicht anfangs eine kleinere Wohnung, braucht eine Familie später mehr Platz und wenn die Kinder ausgezogen sind – innerhalb des Gebäudes oder außerhalb – dann reicht wieder eine kleinere Wohnung. Auf diese Weise soll vermieden werden, was aktuell in vielen Städten der Fall ist: Ältere Menschen wohnen allein in einer viel zu großen Wohnung, da sie ihre gewohnte Umgebung nicht verlassen möchten und, weil kleine Wohnungen kaum verfügbar und/oder erschwinglich sind. Aus diesem Grund werden sogenannte Flex-Wohnungen Teil des Konzepts sein. Hier kann man einziehen, wenn man sich in einer Phase befindet, in der man kurzfristig mehr oder weniger Platz benötigt, zum Beispiel, weil ein Elternteil pflegebedürftig geworden ist und zu sich geholt wird. Zudem sollen rund 300 Quadratmeter an gemeinschaftlich genutzten Räumen geschaffen werden.

Wagnis gingen vor 22 Jahren ein Wagnis ein und gründeten die Genossenschaft

Das zweite Konzept, das wir hier vorstellen, stammt von der Genossenschaft wagnis aus München. Diese hat zwar bereits viel Erfahrung mit Genossenschaftsbauten, wagt sich aber auf bisher unbekanntes Terrain, denn dies ist ihr erstes Projekt außerhalb Münchens.

In München ging laut Christine Grosse, die bei wagnis für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, viel preisgünstiger Wohnraum durch die Übernahme durch Investoren verloren. Die 21 Gründer der Genossenschaft wagnis wollten Alternativen schaffen. „Im Jahr 2000 gründeten sie die Genossenschaft und leisteten Pionierarbeit. Viele der bestehenden münchner Genossenschaften hatten schon lange aufgehört, Wohnraum zu schaffen. Es wurde nur verwaltet. Durch wagnis entstand tatsächlich ein Aufschwung der Genossenschaften in München. Nicht nur wurden und werden seither immer mehr Baugenossenschaften gegründet, auch haben die Bestandsgenossenschaften wieder angefangen, Wohnungen zu bauen“, so Grosse weiter.

Auf Dauer preisgünstig zu wohnen, ohne Angst haben zu müssen, aufgrund einer Eigenbedarfskündigung oder einer Übernahme durch einen Investor die Wohnung zu verlieren – das ist laut Christine Grosse der ursprüngliche Antrieb der Genossenschaftsgründerinnen und -gründer.

Neues Terrain, bewährtes Konzept

Die Baugruppe hat ihr Augsburger Projekt wagnisSHARE genannt: „Die Bezeichnung nimmt nicht nur Bezug auf den Sheridan Park, sondern beinhaltet auch unser Grundkonzept, durch solidarisches Teilen bewusster mit unseren Ressourcen umzugehen und gleichzeitig neue Gestaltungspotenziale zu erschließen“, so Christine Grosse.

In unmittelbarer Nachbarschaft von Wagnis sollen auf dem Baufeld 12 in nachhaltiger und ökologischer Bauweise insgesamt 45 Wohnungen in drei Häusern entstehen. Die Wohnungstypen sollen bunt gemischt sein und so auch die Diversität der Bewohnenden fördern. So zum Beispiel Cluster-Wohnungen, die sich unter anderem für Wohngruppen eignen.

Ein weiterer wichtiger Bestandteil sind Gemeinschaftsflächen wie Gäste-Apartment, Werkstatt und Dachterrassen. Diese sorgen nicht nur dafür, dass die einzelnen Bewohner weniger Wohnraum benötigen, sie sollen wie die Gewerbeflächen als Begegnungsstätte dienen.

„Wir stehen im engen Austausch und Kontakt mit der Wogenau aus Augsburg. Unsere Grundstücke sind benachbart und wir planen einen gemeinsamen Quartiersplatz an der Schnittstelle unserer Baufelder zur Kirche. Unsere Freiraumplaner werden sich da abstimmen. Auch sonst tauschen wir uns immer aus. Wir haben mehr Erfahrung im Umsetzen von Genossenschaftsbauten, dagegen verfügt die Wogenau über Ortskenntnisse und ist in Augsburg vor Ort. Wir profitieren also gegenseitig voneinander“, erklärt Grosse.

Neben Wogenau und wagnis erhielten das Mietshäuser-Syndikat „Paläste für Alle“, und die Baugemeinschaft „Sheridan Park & Junia“ den Zuschlag für eine Grundstücksreservierung. Ingesamt gab es 19 Bewerbungen.

Der Artikel erschien in unserer Sonderbeilage "Gute Aussichten - Mit Mut in die Zukunft". Hier finden Sie weitere Themen, die in diesen merkwürdigen Zeiten Mut machen.

Diskutieren Sie mit
0 Kommentare
Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden