"Wir Fußballer denken eh nur von heute bis gestern", hat Thomas Müller einmal gesagt. Einer seiner Sprüche, die sich gut auf Fanartikel, Plakate oder Schilder drucken lassen. Nun war er, mal wieder, der Erste, der sich nach einer großen Enttäuschung der Weltöffentlichkeit stellte. Müller durfte nochmal Müller sein. Der Erklärbär der deutschen Fußball-Nation. Das Bindeglied zwischen Fans und Team. Doch am Donnerstagabend war in Katar vieles anders. Kein Lacher, kein lockerer Spruch, kein positiver Blick in die Zukunft. Die Worte des 33-Jährigen klangen verdächtig nach Abschied.
"Ich weiß auch nicht genau, wie es weitergeht"
Es ist außergewöhnlich, wie der Nationalspieler im Rausch des abklingenden Adrenalins immer wieder zu einer Analyse der Lage der Fußball-Nation bereit war. In einem Stadium, in dem andere Nationalspieler nur an die Eistonne denken konnten.
Müller sprach von einem großen Willen des Teams. Müller sprach von einem Gefühl der Ohnmacht, weil Japan gegen Spanien gewann. Und dann sprach Müller über sich. "Für mich ist das eine absolute Katastrophe", sagte er in der ARD. Beim letztlich bedeutungslosen 4:2-Sieg gegen Costa Rica stand der Offensivspieler in der Startelf. Eine Bauchentscheidung von Bundestrainer Hansi Flick. Wegen der Erfahrung des Mannes, der 2014 mit dem DFB-Team Weltmeister wurde.
Müller hat mit dem DFB-Team vieles erlebt. Der Titel als Torschützenkönig bei der WM 2010 in Südafrika. Der Triumph in Rio de Janeiro. Die Aussortierung nach der WM 2018. Das Comeback. Die nächste große Enttäuschung in Katar. Immer begleitet von den Kommentaren des Oberbayern. Zumeist mit einem Ausblick auf das, was kommt. Doch in al-Chaur gab es diesen nicht. "Ich weiß auch nicht genau, wie es weitergeht".
Die Worte von Thomas Müller klingen verdächtig nach Abschied
"Falls das mein letztes Spiel für Deutschland gewesen sein sollte, dann möchte ich nochmal ein paar Worte an die deutschen Fußballfans richten", sagte Müller. Dann nutzte er die größte Fußball-Bühne der Welt in einem der bittersten Momente seiner Karriere genau dafür. Als hätte er die Worte schon vorbereitet.
"Es war ein enormer Genuss, liebe Leute, vielen Dank! Wir haben unglaubliche Momente miteinander gehabt. Ich habe in jedem Spiel versucht, mein Herz auf dem Platz zu lassen, allen Einsatz geliefert. Manchmal gab es Freudentränen durch meine Aktionen, manchmal hatten die Zuschauer auch Schmerzen im Gesicht, weil meine Aktionen nicht gelungen sind. Aber ich habe es mit Liebe getan, da könnt ihr euch sicher sein. Alles weitere muss ich jetzt erstmal sehen. Vielen Dank dafür!"
Seinen Abschied von der WM-Bühne dürfte er mit den Worten auf jeden Fall gegeben haben. Die Frage ist, ob er nun Schluss macht im DFB-Team. Zwei Jahre vor der Europameisterschaft im eigenen Land. Sein zweiter Abschied aus der Nationalmannschaft würde wohl sein letzter sein. Eines ist klar: Thomas Müller dachte bei seinem Interview schon heute an morgen. Vielleicht ein Anzeichen dafür, dass er in Gedanken schon kein Fußballer mehr ist. Zumindest nicht für die deutsche Nationalmannschaft.
Die Fußballweltmeisterschaft in Katar steht in der Kritik, auch in der Redaktion haben wir ausführlich darüber diskutiert. Eine Einordnung, warum wir das Sportevent dennoch ausführlich journalistisch begleiten, lesen Sie in diesem Text.