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Nordische Ski-WM: Skisprung-Trainer Horngacher muss "manchmal ein Machtwort sprechen"

Nordische Ski-WM

Skisprung-Trainer Horngacher muss "manchmal ein Machtwort sprechen"

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    „Wir erarbeiten uns gemeinsam eine Vision, wie man Skispringen soll“: Bundestrainer Stefan Horngacher umarmt Karl Geiger nach einem Wettkampf (vor den Corona-Beschränkungen).
    „Wir erarbeiten uns gemeinsam eine Vision, wie man Skispringen soll“: Bundestrainer Stefan Horngacher umarmt Karl Geiger nach einem Wettkampf (vor den Corona-Beschränkungen). Foto: Ralf Lienert

    Herr Horngacher, ab Freitag fliegen die Springer bei der Nordischen Ski-Weltmeisterschaft von der kleinen Schanze im Schattenbergstadion. Was verbinden Sie mit der Marktgemeinde?

    Stefan Horngacher: In Oberstdorf steigt traditionell der Auftakt zur Vierschanzentournee Ende Dezember. Ich bin dort als Aktiver sehr oft gesprungen. Früher haben wir uns noch im Bus an der Schanze umgezogen. Der Ort ist gewachsen und die Anlage auch. Mittlerweile ist Oberstdorf das Trainingszentrum für Skispringerinnen und Skispringer in Deutschland. Sowohl im Sommer als auch im Winter, ausgestattet mit modernsten Analyse-Geräten.

    Worauf müssen die deutschen Springer auf den beiden Anlagen achten?

    Horngacher: Auf der großen Schanze ist es das Timing beim Absprung. Der Anlauf hat zuerst einen lang gezogenen Radius, der dann aber schnell zum Schanzentisch hin zumacht. Dort müssen die Athleten aufpassen, den Absprung nicht zu verpassen. Es gilt, zackig wegzuspringen.

    Man sieht es an den guten TV-Einschaltquoten: Skispringen zählt in Deutschland viele Fans. Wie gehen Sie mit dem Druck um?

    Ski-WM in Oberstdorf: Die Erwartungshaltung ist in Deutschland hoch

    Horngacher: Die Erwartungshaltung an das Skispringen in Deutschland ist traditionell hoch, und bei einer WM im eigenen Land damit noch höher. Damit leben wir schon seit Jahren und wissen: Wir müssen uns auf uns selbst fokussieren, und das drumherum so gut es geht ausblenden. Aber die Athleten haben ja auch eine Erwartungshaltung an sich selbst. Und schließlich ist eine Erwartungshaltung ja auch eine Wertschätzung der bisher erbrachten Leistung.

    Lesen Sie vor der WM Medienberichte in der Zeitung oder im Internet?

    Horngacher: Nein, das lasse ich bewusst sein. Ich bin als Trainer ja immer dabei, sehe alles, weiß vieles. Dazu muss ich keine Zeitungsberichte lesen, weder die guten noch die schlechten.

    Karl Geiger als Skiflug-Weltmeister und Weltcupsieger in dieser Saison springt stark. Wie charakterisieren Sie den Oberstdorfer?

    Horngacher: Karl ist ein akribischer Arbeiter, der strukturiert und durchgeplant agiert. Auf diese Weise hat er sich über Jahre nach oben gearbeitet. Er hat ein klares Konzept, wenn er springt, weiß genau, woran er arbeiten muss. Er ist der Denker und bringt immer wieder außergewöhnliche Leitungen zustande.

    Wie schätzen Sie Markus Eisenbichler ein?

    Horngacher: In seiner Herangehensweise zum Skispringen ist Markus der emotionale Typ. Er lebt seinen Sport emotional, will einfach fliegen. Der Kindheitstraum schwebt immer noch extrem mit. Für ihn ist wichtig, dass er ein gutes Gefühl in der Luft hat. Markus muss auch an den Kleinigkeiten arbeiten. Aber um seine maximale Leistung abrufen zu können, muss er in einen gewissen emotionalen Zustand kommen. Dann kann er große Resultate liefern.

    Wie beurteilen Sie Ihre augenblickliche Nummer drei, Pius Paschke?

    Horngacher: Pius liegt irgendwo zwischen Karl und Markus. Er ist ein cleverer Bursche. Über Jahre ist er als großes Talent gehandelt worden, hat aber nie den Sprung ganz nach vorne geschafft. Erst seit dem letzten Jahr ist er fester Bestandteil der Weltcup-Mannschaft und hat sich toll entwickelt. Pius kann beides: emotional springen und strukturiert vorgehen. Sein kleiner Nachteil ist, dass er erst relativ spät in die Weltspitze vorgedrungen ist. Manchmal hat er mit sich selbst zu kämpfen und muss sich selbst zutrauen, zu den Besten der Welt zu gehören. Er ist noch nicht fertig in seiner Entwicklung. Da geht noch was.

    Wie müssen Sie als Trainer mit Ihren beiden stärksten Springern umgehen, wenn es mal nicht nach Wunsch läuft?

    Horngacher: Oh ja, das ist extrem unterschiedlich. Jeder Athlet wird individuell betreut. Wir schauen, was der Sportler in der Situation annehmen kann oder nicht. Da gibt es bei beiden große Unterschiede.

    Letztendlich sind Sie aber der Chef...

    Horngacher: Klar, manchmal muss man ein Machtwort sprechen und sagen: So wird es gemacht. Aber in der Regel ist es ein gutes Miteinander, wir arbeiten gut zusammen. Die Athleten wissen, dass der Trainerstab hinter ihnen steht. Wir erarbeiten uns gemeinsam die Vision, wie man springen soll. Nur wenn es gar nicht läuft, muss der Trainer klar einschreiten. Aber das haben wir glücklicherweise noch nie gehabt.

    Ski-WM: Die Basis muss man sich im Sommer erarbeiten

    Wenn es zur WM in Oberstdorf geht, werden Ihre Athleten viele Springen inklusive Vierschanzentournee und Skiflug-WM in den Knochen haben. Woher soll die Frische für den Saisonhöhepunkt in Oberstdorf kommen?

    Horngacher: Die Basis muss man sich im Sommer erarbeiten und damit über die lange Saison hinweg haushalten. Auf die WM hin haben wir noch mal das Krafttraining forciert, um das Paket aufzufrischen. Wir haben schon viele Erfolge gefeiert mit dem Weltmeistertitel für Karl Geiger bei der Skiflug-WM, seinem zweiten Platz in der Gesamtwertung der Vierschanzentournee und weiteren Top-Leistungen. Dazu Siege und Podeste im Weltcup mit Karl und Markus. Wir können relativ entspannt in die WM gehen. Weil wir wissen, dass wir mit den beiden zwei Top-Leute haben, die jederzeit eine Medaille holen können. Wichtig war, dass wir im Wettkampf-Rhythmus geblieben sind und kein Trainingslager angesetzt haben. Wettkampf ist die höchste Form des Trainings.

    In der Weltcup-Gesamtwertung liegt Halvor Egner Granerud weit vorne. Was zeichnet den Norweger aus?

    Horngacher: Er macht nichts Außergewöhnliches, aber vieles auf hohem Niveau. Andererseits: Er ist nicht unschlagbar. Deshalb lassen wir uns nicht nervös machen.

    Horngacher: Man weiß nie, was der Konkurrent aus der Tasche zaubert

    In anderen Sportarten wie der Formel 1 sind ganze Abteilungen damit beschäftigt, den Konkurrenten auszuspionieren. Schauen Sie auch, was die starken Norweger oder Polen machen?

    Horngacher: Es gehört zum Tagesgeschäft, dass man eine Bestandsaufnahme macht und schaut, was passiert in anderen Nationen, was zeichnet andere Athleten aus. Wohin geht die Reise, wer benutzt welche Schuhe, Anzüge oder Helme. In diesem Jahr gibt es keine großen Geheimnisse, keine herausragenden Innovationen. Andererseits weiß man nie, was der Konkurrent für die WM aus der Tasche zaubert. Aber viel mehr als auf die Konkurrenz zu schauen, fokussieren wir uns auf die eigene Mannschaft, auf unsere Leistungen.

    Haben Sie sich in der Corona-Saison an die Springen ohne Zuschauer gewöhnt?

    Horngacher: Mitten im Wettkampf vergesse ich das schon. Aber als ich in Oberstdorf von der Schanze heruntergeschaut habe, dachte ich mir: Letztes Jahr sah das noch ganz anders aus: Ein Fahnenmeer, in einem stimmungsvollen und ausverkauften Stadion. Aber: Es hilft nicht, zu hadern. Im Gegenteil: Wir sind froh und dankbar, dass wir überhaupt Wettkämpfe durchführen können.

    Welchen Einfluss haben die Geisterspringen auf die Athleten?

    Horngacher: Das kann in beide Richtungen gehen. Den einen spornen die Zuschauermassen an, eher über seine Grenzen zu gehen. Den anderen hemmt der zusätzliche Druck. In meiner Mannschaft habe ich keine Veränderung ausgemacht. Als Karl Geiger im Dezember in Oberstdorf gewonnen hat, dachte ich mir schon: Wirklich schade, das wäre jetzt cool gewesen, wenn die Zuschauer da wären.

    Wie lauten Ihre sportlichen Ziele für Oberstdorf?

    Horngacher: Wir wollen Medaillen gewinnen. Am besten in jedem Wettkampf eine. Wir waren heuer schon in vielen Wettkämpfen auf dem Podest, auch mal mit zwei Springern oder der Mannschaft. Ich will das Ziel nicht an einer Zahl festmachen, aber klar wollen wir um die Medaillen springen.

    Wie entspannen Sie in einer freien Stunde?

    Horngacher: Dann hole ich meine Gitarre raus und spiele ein wenig. Wenn Zeit bleibt, treffe ich mich mit meinem Kollegen Bernhard Metzler und wir spielen zusammen.

    Klassisch oder Rock?

    Horngacher: Es geht querbeet, aber der Schwerpunkt ist Rockmusik: Black Sabbath, Metallica oder Guns n’ Roses.

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