Aufgeben gibt es nicht. Nicht für Severin Freund. Der 32-Jährige hat schon erlebt, dass einem die Skisprung-Welt zu Füßen liegen kann. Dass man der gefeierte Held ist. Freund hat schon viele Medaillen gesammelt. Gold bei Olympia 2014 in Sotschi mit dem Team, 2015 war er in Falun Weltmeister von der Großschanze geworden. Freund war der Herr der Lüfte. Das alles aber ist schon einige Jahre her.
Seitdem hat der Bayer gelernt, dass das Skispringen auch ganz gemein sein kann. Dass die Titel von gestern heute nichts mehr wert sind. Bei der WM in Oberstdorf hat es Freund zwar ins Aufgebot geschafft, bei den bisherigen Wettkämpfen konnte er aber nur von außen zuschauen, wie andere triumphierten.
Severin Freunds Verletzungen reichen für mehr als nur ein Sportlerleben
Am Donnerstag hat Freund seine nächste Chance, wenn die Qualifikation für den Wettbewerb von der Großschanze ansteht. Gelingt ihm der Sprung in die Entscheidung am Freitagabend (17 Uhr), es wäre ein Befreiungsschlag für den 32-Jährigen. Zuletzt hat Freund viel gelitten. Nach der Saison 2015/16 war er an der Hüfte verletzt, später zog er sich zwei Kreuzbandrisse zu, es folgte noch eine Operation am Meniskus. Verletzungen, die für weit mehr als ein Sportlerleben reichen. Freund aber gibt nicht auf.
Seine Laune ist auch am Montag gut. Es ist Ruhetag bei der WM, am Abend zuvor hatte das deutsche Mixed-Team Gold von der Normalschanze geholt. Freund sitzt im Teamhotel der deutschen Mannschaft, er trägt die Mütze seines Ausrüsters. Ab und zu mal greift er zur Kaffeetasse, fast 30 Minuten spricht er über die WM – und vor allem über sich. Die Titelkämpfe in Oberstdorf haben die Erkenntnis gebracht, dass auch im hohen Skisprung-Alter noch große Erfolge möglich sind. So hat der Pole Piotr Zyla, immerhin 34 Jahre alt, am Samstag die erste Entscheidung von der Normalschanze gewonnen. „Das ist natürlich schön für mich zu sehen“, sagt Freund und schmunzelt. Von Titeln oder Ähnlichem will er gar nicht erst sprechen. Er will wieder bei den Wettkämpfen dabei sein, den zweiten Durchgang erreichen, alles kleine Schritte, aber für ihn unheimlich wertvolle. Er hat den Vorteil der Erfahrung. „Da weiß man, was man braucht, und kann vielleicht einfacher das richtige Set-up finden“, sagt er. Andererseits entwickelt sich das Skispringen rasch. Die Technik von heute ist morgen schon veraltet. Da sind vor allem die jüngeren Springer im Vorteil, wohingegen er in seiner Jugendzeit eine vielleicht mittlerweile überholte Technik erlernt habe.
Tokyo 2021 ist für Freund noch kein Thema
Die WM in Oberstdorf war sein großes Ziel. „Ich habe noch die Bilder von 2005 vor Augen“, sagt er. Von der großen Begeisterung damals. Die gibt es wegen Corona in diesem Jahr nicht. Und doch habe eine Weltmeisterschaft eine spezielle Atmosphäre. Freund genießt das. Und er hat schon die nächsten Ziele. Zum Beispiel die Skiflug-WM in Vikersund im kommenden Winter in Norwegen. „Da habe ich damals meine erste Medaille im Team gemacht. Die ist nach wie vor extrem viel wert. Das ist auch wieder ein schönes Ziel. Die Ziele hören nie auf“, sagt er und schmunzelt. Und wer weiß: In einem Jahr sind die Olympischen Spiele in Peking geplant, vielleicht mit Freund? Das sei noch ganz weit weg, sagt er: „Mit Olympia tue ich mich noch sehr, sehr schwer.“
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