Maren Lundy war lange Zeit im Ungewissen. Nicht nach ihren Sprüngen auf 128 und 130,5 Meter. Die waren beide nahezu perfekt und hatten den WM-Titel von der Großschanze als logische Folge. An einem für das Frauenskispringen historischen Tag – es war der erste Wettkampf von der Großschanze bei einer Weltmeisterschaft – erlebte die Norwegerin allerdings ein Gefühlschaos. Ihr Teamkollege Halvor Egner Granerud war positiv auf das Coronavirus getestet worden, was für das gesamte norwegische Team Folgen hatte. „Das war ein Auf und Ab. Lange Zeit war es nicht sicher, ob wir überhaupt springen können“, erzählte Lundby nach ihrem Gold-Coup. Alle Norwegerinnen hatten auf ihren Zimmern bleiben müssen, eine normale Vorbereitung auf das Springen am Abend war nicht möglich. Erst als alle Tests negative Ergebnisse zeigten, wussten sie, dass sie springen dürfen.
Umso erstaunlicher ist die Leistung von Lundby. Sie blieb ruhig, ließ sich auch von weiten Sprüngen im zweiten Durchgang nicht irritieren. Ihre Konkurrentinnen, allen voran die Japanerin Sara Takanashi und die Slowenin Ema Klinec, legten mächtig vor. Die Jury reagierte und verkürzte den Anlauf beinahe von Springerin zu Springerin. Lundby aber brachte auch das nicht aus der Ruhe. Sie segelte unbeirrt durch die Oberstdorfer Nacht. Silber holte sich mit Sprüngen auf 126 und 134 Meter Takanashi, die zwar schon 60 Weltcup-Siege geholt hat, aber auf den Titel bei einem Großereignis noch immer warten muss. Platz drei ging mit Weiten von 126 und 129 Metern an die Weltcup-Führende Nika Kriznar.
Ski-WM: Althaus ist beim Absprung deutlich zu spät
Die deutschen Springerinnen hatten mit der Medaillenvergabe nichts zu tun. Juliane Seyfarth wurde auf Platz zehn beste Deutsche, dicht gefolgt von Katharina Althaus auf Rang zwölf. Anna Rupprecht landete auf Rang 15, Luisa Görlich auf Platz 19. An der fehlenden Ruhe hat zumindest bei Althaus nicht gelegen. Sie hatte alles getan, um ihre Konzentration bestmöglich zu sammeln. Als ihre Kolleginnen am Dienstag beim Training von der Großschanze flogen, saß sie im Teambereich neben der Schanze und begann zu stricken.
Als am Mittwoch kurz vor dem Wettkampf der letzte Probesprung anstand, ließ ihn Althaus erneut aus. Sie zog sich zum Meditieren zurück. Sie hatte versucht, sich weitgehend dem Druck auf der Heimschanze zu entziehen. Gebracht hat es wenig. Rang zwölf ist für sie eine Enttäuschung. „Ich habe heute leider keine guten Sprünge gezeigt, ich war zweimal zu spät dran“, sagte sie nach dem Springen. Immerhin durfte sie sich darüber freuen, dass sie Teil eines historischen Wettbewerbs war. „Das war ein wichtiger Wettkampf für das Frauenspringen“, sagte Althaus. Und Rupprecht meinte: „Was die Mädels hier hinten raus machen: Großes Kino. Finde ich total toll, wie sie unseren Sport in Szene setzen.“ Sie hoffe, „dass die Leute draußen sehen, dass hier echt gutes Niveau herrscht und dass sie uns nicht mehr so belächeln“.
Ski-WM in Oberstdorf: Im zweiten Durchgang wurde es bei Althaus besser
Zum Lächeln war auch Althaus lange Zeit nicht zumute. Nach dem ersten Durchgang, der sie auf lediglich 113,5 Meter getragen hatte, war die 24-Jährige schnell aus dem Innenraum verschwunden. Kurz saß sie noch auf einer Bank, zog sich die Startnummer über den Kopf und blickte flüchtig auf den Bildschirm mit den Ergebnissen. Was sie da sah, hatte ihr nicht gefallen. Also Skier auf die Schulter und wieder rauf in Richtung Schanze. Ein Durchgang war ihr noch geblieben bei den Titelkämpfen in Oberstdorf. Ein Durchgang, um sich zumindest mit einem guten Gefühl von der WM im Allgäu zu verabschieden. 121 Meter legte sie nach. Wirklich zufrieden war sie damit auch nicht.
In der Qualifikation war Althaus noch auf Platz vier gesprungen. „Dadurch haben wir uns mehr erwartet“, sagte Bundestrainer Andreas Bauer. Aber auch er musste erkennen, dass Althaus „keine perfekten Sprünge hatte. Wir haben das Timing nicht in den Griff bekommen“. Althaus war bei vielen Sprüngen in Oberstdorf beim Absprung zu spät dran. Immerhin durfte sie mit dem deutschen Mixed-Team die Goldmedaille feiern. Bei den Einzelwettbewerben und dem Teamwettbewerb aber hatte sich die Oberstdorferin wohl mehr ausgerechnet. Auch Bundestrainer Andreas Bauer war nicht zufrieden. Zwei zehnte Plätze in den Einzelwettbewerben stehen als beste Ergebnisse für die deutschen Frauen. „Das ist nicht unser Anspruch. Da müssen wir uns steigern“, sagte Bauer. Wie das geht, hat Maren Lundby gezeigt. Trotz aller Ungewissheiten, die ihr der turbulente Tag beschert hatte.
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